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Kampf gegen IS
"Vorpreschen ist hier wirklich nicht angesagt"

Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Arnold, hat sich gegen einen bewaffneten Bundeswehreinsatz zur Bekämpfung Terrormiliz "Islamischer Staat" im Irak und in Syrien ausgesprochen. Es sei weder notwendig noch richtig, aktiv mit kämpfenden Soldaten in der Luft oder am Boden einzugreifen, sagte Arnold im DLF.

Rainer Arnold im Gespräch mit Jürgen Zurheide | 13.09.2014
    Eine Transall landet am 28.03.2013 auf einem Flugfeld in der Nähe des Feldlager des zivil-militärischen Wiederaufbauteams (PRT) im Kundus (Afghanistan).
    Die Bundeswehr fliegt die Hilfsgüter mit Transall-Maschinen in den Irak. Ein Kampfeinsatz sei nicht sinnvoll, sagt der SPD-Politiker Rainer Arnold. (picture alliance / dpa / Can Merey)
    Auf humanitärem Wege leiste Deutschland sehr viel im Nordirak, so Arnold. Zudem arbeiteten die Nachrichtendienste zusammen. Es gebe aber kein Mandat der Vereinten Nationen für ein militärisches Eingreifen, "insofern wäre das zumindest im Bereich von Syrien auch illegitim". Im Irak sei die Situation eine andere, denn die Regierung dort habe ihre Partner um Hilfe gebeten.
    Zudem sei es auch militärisch nicht sinnvoll. Die USA hätten hier die notwendige Logistik vor Ort. "Es wäre Unsinn, wenn viele Länder mit kleinen Beiträgen versuchen hier mitzuwirken", sagte Arnold. Er sei froh, dass die Bundesrepublik in der Außenpolitik und in der Frage des Militäreinsatzes sehr abgewogen und sehr vorsichtig sei. "Ein Vorpreschen ist hier wirklich nicht angesagt."
    Bundeskanzlerin Merkel will nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" eine stärkere Rolle Deutschlands im Kampf gegen den Vormarsch der Terrororganisation "Islamischer Staat" im Irak und in Syrien prüfen. Derzeit bereiten sich 40 Fallschirmjäger der Bundeswehr auf einen Einsatz als Ausbilder im Nordirak vor. Ein Sprecher des Einsatzführungskommandos sagte der "Bild"-Zeitung, die Soldaten sollten den kurdischen Peschmerga-Kämpfern die Bedienung von Sturm- und Maschinengewehren erläutern, die Deutschland liefern will.

    Das Interview mit Rainer Arnold in voller Länge:
    Zurheide: Herr Arnold, also, die Amerikaner ziehen in den Krieg. Ziehen die Deutschen mit?
    Arnold: Nein, aber wir sind dabei, diese Allianz mitzuschmieden. Und beim Kampf gegen diesen fundamentalen Terrorismus geht es ja nicht nur um militärische Mittel, Deutschland leistet auch dort etwas, indem wir die Peschmerga-Kämpfer im Irak mit Waffen und mit Ausrüstung ausstatten. Aber es geht auch um Abswitchen der Finanzströme, es geht um gute Zusammenarbeit der Nachrichtendienste, es geht um die Frage, es darf das Öl, das die Terroristen fördern, nicht mehr in der Welt verkauft werden und viele andere Dinge mehr. Und deshalb ist es schon gut, dass Obama diese Allianz schmiedet. Und ich sehe es auch für sehr positiv an, wenn jetzt die arabische Welt tatsächlich mit dabei ist.
    Zurheide: Da wird Ihnen niemand widersprechen, dass das ein Fortschritt ist und dass das völlig anders ist, als George Bush das seinerzeit angelegt hat. Ich will aber, bevor wir darüber reden, noch mal genauer über den deutschen Beitrag diskutieren. Wir haben ja auch bei anderen Themen, zum Beispiel Waffenlieferung an die Kurden, zunächst Nein gesagt, und hinterher hat die Bundesregierung und hat auch das Parlament mit Mehrheit entschieden, ja, wir machen das. So eine Entwicklung sehen Sie jetzt nicht? Zumal die Franzosen zum Beispiel sagen, ja, wir beteiligen uns auch an Luftschlägen. Wo ist da für Sie die rote Linie, gibt es so was?
    Arnold: Ich sehe diese Entwicklung nicht. Rote Linien zu zeigen ist sicherlich schwierig in einer Welt, wo wir nicht wissen, wie entwickeln sich die Dinge tatsächlich weiter. Aber es ist aus mehreren Gründen im Augenblick nicht notwendig und, ich glaube, auch nicht richtig, wenn wir uns aktiv mit kämpfenden Soldaten, sei es am Boden oder in der Luft, an diesem Konflikt beteiligen. Deutschland leistet im Übrigen auch humanitär sehr viel, das ist eine ganz wichtige Säule in diesem Konflikt. Wir können uns nicht mit Flugzeugen beteiligen, es gibt kein Mandat der Vereinten Nationen. Und insofern wäre das zumindest im Bereich von Syrien auch illegitim, wir könnten gar keinen solchen Beschluss fassen. Das Zweite ist: Es ist militärisch auch nicht notwendig und sinnvoll. Die Amerikaner haben in der Region Militärbasen, die haben Flugzeugträger, die haben auch Soldaten am Boden, das gehört dazu, wenn man Kampfflieger in ein Land schickt. Die haben die notwendige Logistik. Es wäre Unsinn, wenn viele Länder mit kleinen Beiträgen versuchten, hier mitzuwirken. Es wird wirklich koordinierend sehr, sehr schwierig. Die Amerikaner können dies und sie sollen dies auch leisten. Die Deutschen leisten auf der anderen Seite ihre Beiträge und die sind in dieser Allianz nicht weniger bedeutend und wichtig.
    Bundesregierung agiert ausgewogen
    Zurheide: Und die Franzosen? Hollande hat versprochen, ja, wir machen mit bei Luftschlägen.
    Arnold: Frankreich hat ja auch in der Region militärische Stützpunkte und hat es da ein bisschen einfacher. Und der französische Präsident ist in solchen Dingen möglicherweise auch ein bisschen schneller als die deutsche Bundesregierung. Ich bin sehr froh, dass die Bundesregierung in der Außenpolitik und in der Frage, wann setzt man Militär ein, sehr abgewogen und sehr sorgfältig und vorsichtig ist. Ein Vorpreschen ist hier wirklich nicht angesagt.
    Zurheide: Jetzt haben Sie gerade gesagt, Luftschläge in Syrien seien illegitim. Wenn die Amerikaner es trotzdem machen, wie bewerten Sie das dann?
    Arnold: Ja, die Welt ist halt kompliziert. Rechtlich ist es schwierig in der Bewertung, solange es kein Mandat der Vereinten Nationen gibt. Zumindest aus deutscher Sicht ist dies notwendig. Im Irak sieht es ja dann anders aus, wenn die irakische Regierung Partner dazu regelrecht einlädt und darum bittet.
    Zurheide: Sollen die Amerikaner es tun? Sie werden es tun, insofern geht es am Ende nur noch um die Frage der Bewertung.
    Arnold: Ich denke, es ist wirklich notwendig, dass man den Aufständischen was entgegensetzt. In der Lage in Syrien ist die Situation aber so komplex, der Beitrag soeben hat dies ja auch aufgezeigt, dass es möglicherweise extrem schwierig ist, Partner zu finden, die am Ende dann auch dieselben Ziele haben. Es macht keinen Sinn, hier Rebellen zu unterstützen, die am Ende auch islamistischen Terror wollen. Und man muss ja auch feststellen, dass viele derer, die den legitimen Aufstand gegen das Regime Assad mitgetragen haben, inzwischen zur IS übergewandert sind. Das ist sehr, sehr komplex und da bin ich auch nicht sicher, ob das auf Dauer wirksam sein wird.
    Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold
    Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold (picture-alliance / dpa / Hannibal Hanschke)
    Zurheide: Es gibt ja inzwischen auch in der deutschen Politik erste Forderungen, möglicherweise das Verhältnis zu Herrn Assad zu überdenken, so schwierig das ist. Armin Laschet von der CDU hat zum Beispiel solche Überlegungen. Hat er recht oder unrecht?
    Arnold: Ich denke, dass das nicht angesagt ist im Augenblick. Die Staatengemeinschaft leidet jetzt darunter, dass man am Anfang des Konflikts, als eigentlich ein legitimer Aufstand mit Menschen auf der Straße, die mehr Demokratie und Freiheit wollten, dass man diese nicht vernünftig unterstützt hat. Das sieht man im Augenblick, die Welt ist nicht automatisch besser, wenn sich die Vereinigten Staaten aus ihrer Führungsverantwortung zurückziehen. Es ist alles viel zu spät. Es geschieht jetzt, das ist positiv, aber in Wirklichkeit hätte man damals sich engagierter für den legitimen Aufstand einsetzen müssen.
    Zurheide: Und hätte man nicht auch dafür sorgen müssen, dass die Unterstützung für IS zum Beispiel aus den Golfstaaten viel intensiver bekämpft worden ist? Also, in Russland setzt man bestimmte Leute auf Listen und verhindert, dass sie im Westen Geld haben können. Und was passiert eigentlich mit jenen, die IS aktiv unterstützt haben? Die sind hier nach wie vor willkommen?
    Arnold: Das gehört natürlich zu dieser Allianz, dass sowohl Personen als auch Organisationsstrukturen, die Geldzufluss bringen, durchbrochen werden, ganz eindeutig. Und es ist schon sichtbar, dass aus einigen arabischen Staaten heraus zumindest wohlhabende Bürger die IS-Leute unterstützt haben. Dies muss gestoppt werden und auch diese Menschen müssen entsprechend behandelt werden. Die Allianz jetzt kann allerdings sicherlich besser dafür sorgen, als das vorher der Fall war. Und natürlich muss es auch gelingen, die Türkei bei allen ihren Schwierigkeiten mit fast 50 Geiseln, die die IS hat, die Türkei in dieses Boot mit zu holen.
    Zurheide: Das scheint aber nicht gelungen zu sein. Gestern zumindest hat Außenminister Kerry sich da eine blutige Nase geholt.
    Arnold: Ich kann nur hoffen, dass hinter den Kulissen die Türkei mehr Engagement zeigt, als sie es im Augenblick nach außen kommuniziert. Es hat möglicherweise schon was mit der Sorge um die 50 Gefangenen zu tun. Die IS gefährdet am Ende auch die Türkei und alles in allem, muss man ja durchaus sagen, geht die Türkei mit dieser schwierigen Situation an der Grenze zu Syrien durchaus auch verantwortungsvoll um, wenn man zum Beispiel an die hohe Zahl von Flüchtlingen denkt und die humanitäre Hilfe, die die Türken durchaus leisten.
    Umdenken in arabischer Welt nötig
    Zurheide: Schauen wir noch mal auf den Iran, auch da sagen ja viele, dass man das Verhältnis zum Iran grundsätzlich vonseiten des Westens verändern muss. Muss man es auch, um militärisch möglicherweise in der ganzen Region was zu bewegen?
    Arnold: Also, natürlich wäre es hilfreich, wenn der Konflikt mit dem Iran jetzt durch gemeinsame Interessen tatsächlich beseitigt würde. Dazu muss sich aber nicht nur der Westen verändern im Umgang mit dem Iran, dazu muss sich natürlich der Iran auch selbst verändern. Er hat ja in der Vergangenheit auch terroristische Aktivitäten unterstützt und er muss natürlich klarmachen, dass es bei ihm kein Atomprogramm gibt. Aber es wäre gut, wenn die arabische Welt in diesem Kampf insgesamt erkennt, diese fundamentalen Ideen gehen am Ende gegen alle Regierungen in der arabischen Welt. Und hier scheint ja wirklich etwas in Bewegung gekommen zu sein und das ist dringend nötig.
    Zurheide: Ich bedanke mich! Das war Rainer Arnold, der verteidigungspolitische Sprecher der SPD zur Lage im Nahen Osten und zur möglichen Beteiligung der Deutschen, wo er sehr zurückhaltend ist. Herr Arnold, ich bedanke mich für das Gespräch, auf Wiederhören!
    Arnold: Danke auch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.