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Kampf gegen Plagiate
Birkenstock verkauft nicht mehr auf Amazon

Es sei auf jeden Fall ein glaubwürdiger Schritt, wenn ein Hersteller im Kampf gegen Plagiate darauf verzichte, auf Plattformen wie Amazon nicht mehr tätig zu sein, sagte der Ökonom Jörg Funder im Dlf. Aber es sei auch eine Frage der Größe des Unternehmens, ob man sich das leisten könne - "je kleiner sie sind, desto abhängiger".

Jörg Funder im Gespräch mit Sina Fröhndrich | 03.01.2018
    Schuhe der Herbst/Winter-Kollektion 2014 von Birkenstock hängen während der Modemesse Bread & Butter in Berlin an einer Wand.
    Schuhe von Birkenstock hängen während der Modemesse Bread & Butter in Berlin an einer Wand. (dpa / Soeren Stache)
    Sina Fröhndrich: Hippielatschen – so wurden Birkenstockschlappen mal genannt. Inzwischen haben sie sich von diesem Image freigelaufen, die Latschen sind längst auch etwas für Modebewusste. Zig Modelle, zig Farben gibt es – und Birkenstocks sind nachgefragt. Das hat auch Fälscher auf den Plan gerufen. Die falschen Schlappen finden sich auch bei Amazon. Das ist Birkenstock schon länger ein Dorn im Auge, deswegen wurde jetzt die Reißleine gezogen: Birkenstock verkauft seit diesem Jahr nicht mehr über den Onlinehändler. Über diesen Schritt habe ich mit Jörg Funder gesprochen, Professor für Unternehmensführung im Handel an der Hochschule Worms.
    Birkenstock selbst verkauft seine Latschen zwar nicht mehr über Amazon, aber trotzdem gibt es die Schlappen dort noch – weil andere Händler die Schuhe weiter verkaufen, auf dem Marketplace. Wie glaubwürdig ist dieser Schritt am Ende von Birkenstock tatsächlich?
    Jörg Funder: Das ist eine eindeutige Absichtserklärung des Herstellers Birkenstock, eben selbst nicht mehr als Distributor in Erscheinung zu treten und letztendlich sich auch von der Plattform abzuwenden. Es ist ein schwieriges Unterfangen, den eigentlich selbstständigen Händlern das zu unterbieten, dort zu verkaufen - deswegen kann man es schwierig tun. Es ist auf jeden Fall glaubwürdig, dass der Hersteller sich gegen Plagiate ausspricht, und deswegen, weil er es nicht verhindern kann, auf diesen Plattformen nicht mehr tätig sein will.
    "Auch für Amazon gelten die normalen Regularien"
    Fröhndrich: Das heißt, es ist gar nicht möglich, dass Birkenstock jetzt sagt, wir möchten nicht mehr nur wir selbst keine Schule dort verkaufen, sondern die können den Händlern gar nicht untersagen, anderen Händlern?
    Funder: Das ist eine große Diskussion, die haben wir seit Langem, insbesondere wenn es um selektive Vertriebssysteme geht, im Bereich gerade Luxusprodukte, und da ist die Frage, gilt das für einen Birkenstock-Schuh, ist das also ein Luxusprodukt, ja oder nein. Und es gibt bisher nur einen Fall - das war jetzt im Bereich Parfum -, wo man tatsächlich das Plattformverbot ausgesprochen hat und auch unterstützt hat aufseiten des Herstellers. Bisher sind eigentlich alle Hersteller dabei unterlegen, sodass es eben fast nicht möglich ist, auch in diesem Segment den Händlern zu verbieten, ihre Schuhe über Zalando, Amazon und andere zu verkaufen.
    Fröhndrich: Jetzt ist das ja eine Reaktion auf Produktfälschung. Birkenstock hatte Probleme damit - jetzt gibt es noch andere Unternehmen, die sich darüber beschweren: Lego, Adidas, Apple, Dr. Oetker und weitere. Ist Amazon da ein rechtsfreier Raum, kann man das sagen oder wäre das übertrieben?
    Funder: Das wäre übertrieben. Auch für Amazon gelten die normalen Regularien, wenn sie hier in Deutschland Ware verkaufen wollen, und das gilt eben da genauso wie überall auch, dass Plagiate, die unter dem Markenlabel des Originals verkauft werden, eigentlich nicht in Verkehr gebracht werden dürfen. Es gilt dabei letztendlich dann auch die Haftung des Inverkehrbringers, der dafür haftbar zu machen ist. Das ist in dem Falle dann nicht Amazon, sondern der selbstständige Händler, der über die Plattform Amazon die Ware verkauft. Und jeder Einzelhändler muss für sich dann sicherstellen, dass die Ware original ist, oder er ist dafür haftbar zu machen.
    Fröhndrich: Wer ist denn in Ihren Augen zuständig dafür zu überprüfen, welche Plagiate bei Amazon angeboten werden? Sollte das Amazon selbst machen oder wer müsste da tätig werden?
    Funder: Im Zuge der Glaubwürdigkeit muss es natürlich auch im Interesse von Amazon sein, dass die dort angebotenen Waren das Versprechen halten, was man mit ihnen letztendlich auch verbindet, also dass es das Originalprodukt ist. Anhand der Vielzahl der Produkte, die dort verkauft werden, auch der Plattformpartner, ist es aber de facto nicht mehr als stichprobenartig machbar. Aus dem Grunde heraus ist es letztendlich der Inverkehrbringer, der Einzelhändler, der über Amazon letztendlich verkauft, der über andere Plattformen verkauft. Und in ganz finalem Schritt ist es natürlich der mündige Verkäufer [Gemeint ist der mündige Käufer, der Interviewpartner hat sich hier versprochen], der sich überlegen muss, kann man ein Markenprodukt tatsächlich zu diesem Preis erwerben oder ist es dann schon augenscheinlich, dass es ein Plagiat, eine Fälschung oder Ähnliches ist.
    Fröhndrich: Man könnte jetzt Amazon auch unterstellen, an jedem Plagiat verdient Amazon im Prinzip ja auch noch mit, wenn ein Händler auch gefälschte Schuhe oder Kleidung beispielsweise einstellt, weil dafür ja auch eine gewisse Provision fällig wird. Das heißt, kann man vielleicht auch unterstellen, dass Amazon das am Ende eigentlich egal ist, ob die Dinge, die da verkauft werden, echt sind oder gefälscht sind?
    Funder: Nein, ich glaube nicht, dass es im Interesse von Amazon ist, in dieses Fahrwasser zu geraten, dass man sagt, okay, das ist also so halb dubios, man weiß nicht recht, ob die Waren authentisch sind. Ich glaube, Amazon hat ein sehr großes Interesse daran, als seriöse Plattform auch wahrgenommen zu werden, als seriöser Händler wahrgenommen zu werden. Das zeigen auch alle Bestrebungen Amazons, jetzt nicht nur im Verkauf über das Internet, sondern eben auch in Filialen zu gehen, näher an den Kunden heranzurobben, ein ganzes Ökosystem an Leistungen anzubieten. Also hier ist Vertrauen ein großer und auch wichtiger Punkt, deswegen würde ich nicht sagen, dass Amazon da bewusst wegsieht oder einen Vorteil sieht, sondern ganz im Gegenteil, ich glaube eher, sie würden das am allerliebsten großflächig unterbinden – das wäre jetzt meine positive Unterstellung in dem Maße –, weil es die Marke doch deutlich schädigt und auch das Vertrauen in den Anbieter oder in die Plattform deutlich schädigt.
    Keine Verbreiterhaftung, sondern Inverkehrbringerhaftung
    Fröhndrich: Könnte man denn trotzdem vielleicht über politische Vorgaben nachdenken, so wie wir es im Vergleich ja bei Facebook gesehen haben, wo man auf die Suche gehen soll nach Hasskommentaren. Könnte man sich so was Ähnliches als politische Vorgaben vorstellen?
    Funder: Im Rahmen der Vorstellungen ist das letztendlich immer möglich. De facto ist es allerdings so, dass das schwierig ist, weil es wirklich eben die Frage ist, wer ist dafür haftbar zu machen. Und jetzt ist es im Fall Facebook ja letztendlich eine Medienseite, da gibt es eine Verbreiterhaftung in dem Maße. Da ist Facebook letztendlich dafür haftbar zu machen, deswegen eben auch die Vorsichtsthematiken. Bei Amazon gilt letztendlich nicht die Verbreiterhaftung, sondern letztendlich die Inverkehrbringerhaftung. Das ist der jeweilige Händler, der das Vehikel Amazon nutzt. Man würde da so ein bisschen den Bock eigentlich zum Gärtner machen. Er ist ursächlich auch nicht dafür verantwortlich zu machen, was da in Verkehr gebracht wird, das ist der einstellende Händler. Da muss es, denke ich, auch ansetzen. Alles, was darüber hinausgeht, ist eigentlich zu werten als ein Entgegenkommen Amazons.
    Fröhndrich: Wenn wir noch mal auf Birkenstock zurückkommen - Birkenstock kann es sich im Prinzip leisten, auf Amazon zu verzichten, weil der größte Umsatz ohnehin nicht über den Händler läuft. Können sich denn andere Unternehmen so einen Schritt auch erlauben, muss man eine gewisse Größe haben, um zu sagen, auf Amazon kann ich verzichten?
    Funder: Das hängt sehr stark von der Produktkategorie ab, ob man auf Amazon verzichten kann. Es hängt auch insbesondere davon ab, wie man sein Gesamtvertriebssystem aufbauen will, ob man einen eigenen Webshop hat, der groß genug ist, dass sich das lohnt, oder zieht man sich dann aus diesen Plattformen zurück und überlässt dem Wettbewerb mehr oder minder letztendlich dieses Spielfeld. Heute müssen wir sagen, diese Plattform Amazon ist eine davon, sie sind gekommen, um zu bleiben. Sicherlich werden es nicht mehr werden. Die, die wir heute jetzt hier in Europa und auch in Deutschland haben, das werden die sein, die wir dauerhaft haben. Aber Sie haben schon recht, die Größe ist mitentscheidend dafür - je größer sie sind, desto eigenständiger sind sie in ihren Vertriebsmaßgaben, je kleiner sie sind, desto abhängiger. Und von daher werden gerade die kleineren Hersteller, aber auch Händler von diesen Plattformen in einer gewissen Art und Weise abhängig bleiben.
    Fröhndrich: Wie kann ich als Kunde feststellen, dass ein Produkt ein Plagiat ist? Der Preis mag sicherlich ein ausschlaggebendes Element sein, aber man könnte ja dann auch vermuten, ist vielleicht jetzt auch eine Art Winterschlussverkauf oder es gibt gewisse Rabatte. Welche Hinweise gibt es noch, dass ich als Kunde nicht auf ein Plagiat hereinfalle?
    Funder: Ansonsten können Sie eigentlich nur noch überprüfen das Produkt selbst von der Fotografie, passt das denn, fallen gewisse Themata auf, gibt es augenscheinliche Rechtschreibfehler - das findet man auch lustigerweise immer wieder -, oder aber auch, wer ist eigentlich der Verkäufer, ist der vertrauenswürdig. Und man geht dann gerne auch vom Produkt weg und schaut sich an, wer verkauft das überhaupt, wie ist der bewertet, wo sitzt der denn, was bietet er sonst noch an.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.