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Kampf um das alte St. Pauli

Vielen Bands diente der kleine Kellerklub "Molotow" an der Hamburger Reeperbahn als Karrieresprungbrett. Pop-Acts wie Mumford & Sons, The Killers und Mando Diao gaben hier erste Deutschland-Konzerte. Nun sollen die Gebäude abgerissen werden. Die Fans wehren sich.

Von Sebastian Witte | 15.05.2013
    Sascha und Timo sind Molotow-Fans. Sie sind von ihrem Kiez-Klub mit den beiden kleinen Bühnen und dem winzigen Backstage-Raum begeistert. Mit einem Festival in ihrem Lieblingsladen wollen sie ein Zeichen setzen, für den Klub und für den alten, etwas verlebten Charme der Reeperbahn.

    "Für mich ist das wirklich ein Stück Subkultur. Wir wollen auf bestimmte Themen aufmerksam machen. Das ist zum einen das Klubsterben in Deutschland und auf der anderen Seite die anhaltende Gentrifizierung. Wenn das Molotow abgerissen wird, haste hier in zwei oder drei Jahren einen H&M oder einen Starbucks stehen!"

    Seit dem Mittag sind die beiden im Molotow und bereiten die Punk-, Rock- und Hip Hop-Konzerte vor, die abends stattfinden.

    "Es sieht jetzt so aus, dass die Bands eintreffen. Es wird aufgebaut. Es wird Soundcheck gemacht. Jeder freut sich auf abends! Dann ist um 18:30 Uhr Anpfiff."

    Die Debatte um den Abriss der Esso-Häuser, die den Klub, hundert Wohnungen, einige Restaurants und eine Tankstelle beherbergen, wird seit 2009 geführt. Damals kaufte das Immobilien-Unternehmen "Bayrische Hausbau" das Grundstück samt der 50er-Jahre Bauten. An den Fassaden nagt der Zahn der Zeit. Viele Balkone sind nicht begehbar. Bernhard Taubenberger von der Bayrischen Hausbau ist deshalb für einen Neubau, da die Häuser zu marode seien, um sie zu sanieren.

    "Wir haben Expertisen erstellen lassen. Diese Expertisen sagen, dass eine Sanierung der maroden Bausubstanz wirtschaftlich nicht sinnvoll und möglich ist."

    Ein neues, größeres Gebäude würde zu gleichen Teilen Gewerbefläche sowie Sozialwohnungen und teure Eigentumswohnungen beherbergen. Molotow-Betreiber Andi Schmidt sieht durch die Umstrukturierung das soziale und kulturelle Gleichgewicht St. Paulis gestört.

    "Man kann natürlich mit einem Abriss und Neubau mehr Geld verdienen. Das ist im Prinzip keine schlimme Sache. Das kann jeder machen, aber es ist die Frage auf welche Weise! Und in der Weise wäre das für den Stadtteil und die Stadt eine Katastrophe."

    Auch die "Initiative Esso Häuser" kämpft für den Erhalt der Gebäude. Der Hamburger Musiker Ted Gaier ist Mitglied. Er will verhindern, dass die Reeperbahn und ganz St. Pauli zu einer austauschbaren Amüsiermeile verkommen.

    "Jeder kennt diesen Ort! Das ist halt der Kiez. Da ist halt die Frage: Wem gehört der Kiez und welchen Kiez wollen wir? Das Molotow war halt wie viele Sachen hier. Da konnte jeder kommen und halt mal gucken, ob das klappt mit Sexshops, Peepshows oder eben mit dem Molotow. Davon lebt ja der Kiez und diese Vielfalt!"

    Im Molotow neigt sich das Festival dem Ende entgegen. Über 300 Musikfans zwischen 18 und 50 Jahren tummeln sich in dem kleinen, verschwitzen Klub. Veranstalter Timo hat in dieser Nacht zum ersten Mal Zeit zum Durchatmen.

    ""Grade spielt der letzte Act. Es ist megavoll! Die Konzerte waren richtig geil! Jetzt ist grade die Euphorie da. Das ist ein Molotow Moment. Dafür mache ich das!"

    Im Juni soll ein unabhängiges Gutachten über den Zustand der Esso Häuser Auskunft geben. Danach wird vielleicht schon bald die Entscheidung über den Abriss oder die Erhaltung der Esso Häuser fallen.