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Kampf um die Hoheit der Meere

Ihren Beinamen "die Unbesiegbare" bekam die spanische Armada posthum von ihren Spöttern verliehen. Denn die gewaltige Flotte, mit deren Hilfe der katholische Herrscher Philipp II. England erobern wollte, konnte eben doch besiegt werden - wenn auch nicht allein durch Militärgewalt.

Von Julia Macher | 31.07.2013
    Vermutlich erklang auch am Morgen des 31. Juli 1588, als die spanische Armada vor Plymouth die Segel zur ersten Schlacht gegen die englische Flotte hisste, das Ave Maria. Tägliche Marien-Loblieder an Bord, eine wöchentliche Messe und die Aussicht auf einen Sündenablass für jeden der 30 000 Matrosen und Soldaten: Der Krieg des streng katholischen Königs Philipp II. gegen das anglikanische England trug nicht zufällig den Anstrich eines Kreuzzuges.

    "Der Hauptgrund seiner Majestät für dieses Unternehmen war und ist der Dienst an unserem Herrn."

    Heißt es im Regierungsbericht des spanischen Herrschers.
    Englands Königin Elisabeth I. hatte die katholische Thron-Anwärterin Maria Stuart köpfen lassen und unterstützte die protestantischen Aufstände im zum spanischen Weltreich gehörenden Flandern, aber es ging nicht nur um den rechten Glauben: Ebenso sehr ärgerte sich Philipp II. über die englischen Piraten, die seine Gold- und Silbertransporte aus der neuen Welt überfielen.

    Im Frühjahr 1588 stand sein ehrgeiziger Plan zur Entthronung Elisabeths fest: Die Armada sollte von Spanien aus Richtung Flandern segeln, das dort stationierte spanische Heer aufnehmen und mit ihm gemeinsam England erobern.

    Dass mit dem Herzog von Medina Sidonia ein seeunerfahrener Mann den ersten Teil der Expedition übernehmen sollte, gehörte zu den Unwägbarkeiten, so der Militärhistoriker Juan Carlos Losada.

    "''Das Unternehmen England kostete über eine Million Dukaten, die Staatskassen von Philipp II. waren leer und der Graf von Medina Sidonia, der den verstorbenen Herzog von Santa Cruz ersetzen sollte, konnte das Geld vorstrecken. Deswegen und weil er ein guter Organisator war, wurde er mit dieser Mission beauftragt, auch wenn er gestand, an Bord sofort seekrank zu werden.""

    Am 28. Mai 1588 stach die spanische Armada von Lissabon aus in See. Als am 19. Juni eine Böe 28 Schiffe abtrieb, flehte Medina Sidonia den König an, das als Fingerzeig Gottes zu werten und die Mission abzublasen. Vergebens. Philipp schrieb zurück:

    "Wäre dieser Krieg ein ungerechter, könnte man diesen Sturm als Zeichen Gottes sehen, von unserem Vorhaben abzurücken. Da es aber ein gerechter Krieg ist, wird uns dieser Sturm nicht schaden, sondern mehr zum Vorteile gereichen, als wir uns wünschen können."

    Zwar waren die Engländer, die erst spät ihre Verteidigung mobilisiert hatten, von der Übermacht und der Disziplin der gewaltigen, zum Sichelmond formierten Armada beeindruckt. Doch hatten sie die wendigeren Schiffe und die besseren Kanonen. Während die Spanier versuchten, die feindlichen Schiffe zu entern, beschossen die Engländer sie aus der Ferne.

    Die entscheidende Wende der Kämpfe, die am 31. Juli 1588 begonnen hatten, brachten jedoch erst die englischen "Höllenmaschinen": Als die Armada im Hafen von Calais ankerte und auf Nachrichten aus Flandern wartete, schickte die englische Flotte am
    8. August acht unbemannte brennende Boote in den Hafen. Die Spanier flohen in Panik, ihre Flotte wurde versprengt.

    "Vom militärischen Standpunkt aus war das die einzige entscheidende Kriegshandlung … Die englische Schiffbautechnik wird nach dem Krieg von den Spaniern imitiert; insofern markierte dieser Kampf eine Zäsur in der Militärgeschichte."

    Als hätten sich die Mächte des Himmels und des verfeindeten Königreichs gegen Philipp II. verschworen, trieb nun ein Sturm die Schiffe in Richtung Nordsee. Medina Sidonia ordnete den Rückzug an. Bei der Umsegelung Irlands zerschellten mehr als 20 Galeeren an der schroffen Küste, die Schiffbrüchigen wurden größtenteils gefangen genommen, massakriert, hingerichtet.

    Mit zerrissenen Segeln, zerborstenen Masten und kranker Besatzung kehrten ab Herbst 1588 sechzig der 130 Schiffe zurück.

    "Über dieses Unglück werden wir ein Leben lang klagen. Man hat die Angst vor uns verloren und wir haben den Ruf als kämpferische Männer verloren, den wir einst hatten. Ganz Spanien hüllte sich in Trauer und man sprach über nichts anderes mehr."

    Notierte ein Chronist. Mit dem Untergang der einst "unbesiegbaren" Armada begann der Zerfall des spanischen Weltreichs.