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Kampf um eine Chance

Einst war Simbabwe das Land, mit dem besten Bildungswesen in Afrika. Das ist vorbei. Im vergangenen Jahrzehnt haben Diktator Mugabe und seine Partei Zanu-PF ihr Land zugrunde gerichtet. Viele Menschen sind geflohen. Zurück bleibt eine Jugend ohne Chancen und ohne Hoffnung.

Von Thomas Kruchem | 18.12.2010
    Simbabwe - das Land mit dem einst besten Bildungswesen Afrikas. Im vergangenen Jahrzehnt jedoch haben Diktator Robert Mugabe und seine Partei Zanu-PF ihr Land zugrunde gerichtet. Bei Hyperinflation und 85 Prozent Arbeitslosigkeit flohen vier von elf Millionen Simbabwern ins Ausland. Zurück blieb eine Jugend, die in einer sich stetig verschärfenden Krise aus Hunger, Aids und politischer Gewalt aufwuchs - ohne Chancen und zunehmend ohne Hoffnung. Inzwischen hat eine Übergangsregierung, der auch die Opposition angehört, Simbabwes Währung durch den Dollar ersetzt und so zumindest die Inflation gestoppt; es gibt wieder Nahrungsmittel zu kaufen. An Arbeitslosigkeit und Bildungsmisere aber hat sich nichts geändert, erklärt in Harare Bildungsminister David Coltart. Viele ländliche Schulen seien funktionsunfähig.

    700 Schüler in zwölf Klassenräumen aus Zementblöcken und unter vier Bäumen - das ist, gelegen in öder Steppe, die "Ganye Primary School" außerhalb des Städtchens Gokwe im Nordwesten Simbabwes. Vor kurzem haben die 17 Lehrer wieder einmal gestreikt. Jetzt schreibt Lehrerin Lydia Chrirongoma "Drei mal fünf ist 15" an eine rissige Tafel, während mehrere der am Boden sitzenden 50 Kinder vor sich hin dösen. Bücher gibt es nicht; im Dach des Klassenraums klaffen fußballgroße Löcher.

    "Dies Jahr regnete es von Beginn des Schuljahres im Januar bis Mitte Februar. Und wir mussten uns dort in der Ecke, wo das Dach einigermaßen dicht ist, zusammen drängen. 135 Kinder knieten auf dem Boden; und überall tropfte es. Das war schon eine schwierige Situation."

    Simbabwe - das Land mit dem einst besten Bildungswesen Afrikas. Im vergangenen Jahrzehnt jedoch haben Diktator Robert Mugabe und seine Partei Zanu-PF ihr Land zugrunde gerichtet. Bei Hyperinflation und 85 Prozent Arbeitslosigkeit flohen vier von elf Millionen Simbabwern ins Ausland. Zurück blieb eine Jugend, die in einer sich stetig verschärfenden Krise aus Hunger, Aids und politischer Gewalt aufwuchs - ohne Chancen und zunehmend ohne Hoffnung. Inzwischen hat eine Übergangsregierung, der auch die Opposition angehört, Simbabwes Währung durch den Dollar ersetzt und so zumindest die Inflation gestoppt; es gibt wieder Nahrungsmittel zu kaufen. An Arbeitslosigkeit und Bildungsmisere aber hat sich nichts geändert, erklärt in Harare Bildungsminister David Coltart. Viele ländliche Schulen seien funktionsunfähig.

    "Im Durchschnitt besuchen an einer solchen Schule vielleicht hundert Kinder die erste Klasse. In Klasse sieben aber sind davon gerade noch 35 übrig. Das heißt: Fast zwei Drittel der Kinder absolvieren nicht einmal die Grundschule - wobei insbesondere Mädchen betroffen sind. Sehr oft nämlich bemühen sich arme Eltern auf dem Land zunächst darum, ihren Jungen ein wenig Bildung zu vermitteln; und die Mädchen leiden darunter."

    Immerhin sind derzeit alle Schulen geöffnet; aus einem Bildungsfond, in den internationale Geber fast hundert Millionen Dollar eingezahlt haben, finanziert Coltart das größte Druckprogramm für Schulbücher in der Geschichte Afrikas - das allerdings zu spät kommt für junge Menschen wie die 20-jährige Almita. Mit 15 verlor das in Bulawayo lebende Mädchen seine Mutter; musste die Schule verlassen; wurde Haushaltshilfe bei einer eigentlich recht netten Tante.

    "Aber mein Onkel, ihr Ehemann, bedrängte mich sexuell. Er wollte, dass ich mit ihm schlief. Das schrieb ich meiner Schwester, die dann mit der Tante sprach. Die aber sagte nur, sie kenne ihren Mann. Jetzt konnte ich nur noch meine alte Großmutter in Kwekwe um Hilfe bitten. Die sprach dann mit der Tante; und sie beschlossen, dass ich zur Oma ziehen sollte."

    Zunehmend empfand sich die junge Frau als Last; suchte verzweifelt Arbeit; beschloss zu heiraten, sobald es ging. Im Dezember 2009 schließlich war Almita schwanger - von einem Schulfreund, der ihr dann beichtete, dass er schon mit einer anderen Frau verlobt war und ein Kind hatte. Dass der Freund sie mit dem HIV-Virus infiziert hatte, erfuhr Almita bei einer Vorsorgeuntersuchung.

    Mehrfach hat Almita versucht, sich umzubringen - mit Rattengift und Tabletten. Schließlich fand sie den Weg zu der lokalen Hilfsorganisation "Contact", die Almita vorläufig in einem Frauenasyl unterbrachte. Ihre einzige Hoffnung: die Liebe ihres ungeborenen Kindes. - Es gibt viele Almitas in Simbabwe - Millionen junger Menschen, deren Eltern an Aids gestorben oder ausgewandert sind; HIV-positive Zwölfjährige, die allein für jüngere Geschwister sorgen; Jugendliche, missbraucht von Verwandten als billige Arbeitskräfte und sexuelles Freiwild. Behörden, die solchen jungen Menschen helfen, gibt es kaum in Simbabwe; nur kirchennahe Initiativen wie "Contact". Und Zukunftsperspektiven entwickeln allenfalls Jugendliche, die einen Job finden - oder Rückhalt bei, wiederum, fast immer kirchlichen Hilfsorganisationen.

    Im Dorf Ganye, zum Beispiel, lassen sich der 19-jährige Wenslot und fünf seiner Freunde erklären, wie man junge Mango-, Avocado- und Papayabäume pflegt. Schwester Chiedza vom Kinder- und Jugendprojekt der katholischen Diözese hat den sechs Arbeitslosen drei Hektar Land zur Verfügung gestellt; und die wollen sie jetzt bestmöglich nutzen.

    "Drei meiner Brüder sind nach Südafrika gegangen; und meine große Schwester lebt als Nonne in Harare. Wie anderen sind hiergeblieben, bei unserer Oma. Die lässt die Kleinen zur Schule gehen; und ich kümmere mich um Hühner und Schweine - und um diesen Garten, den ich mit einigen Freunden bewirtschafte. Aber dafür brauchen wir Wasser."

    Und noch mehr Wasser für die jungen Obstbäume, von denen einige, vor Tieren mit Draht geschützt, bereits auf dem Feld stehen. Das Problem: Das Wasser eines nahebei fließenden Baches beanspruchen auch andere Bauern - weshalb es immer wieder Streit gibt. Doch die Lösung des Problems hat Wenslot bereits klar vor Augen.

    "Wir müssen jetzt unbedingt etwas Zement besorgen, um einen Tiefbrunnen anlegen zu können. Die Schwester gibt uns dann noch einen Schlauch und eine Fußpumpe, mit der wir das Wasser nach oben pumpen können. Ja, wir müssen unbedingt mit diesem Garten vorwärtskommen, weil es sonst keine Arbeit hier gibt - außer ab und zu auf den Feldern anderer Leute. Und auch in Südafrika gibt es keine Arbeit, haben mir meine Brüder geschrieben."

    Noch kurz einen Bewässerungsgraben fertigstellen und etwas Asche auf das sandige Erdreich des Zwiebelbeets streuen - dann ist die Arbeit für heute beendet.

    Und zufrieden machen sich die sechs jungen Männer auf den Weg zurück ins Dorf, wo sie ein Glas "Skindo" trinken werden, Bier aus afrikanischem Getreide.