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Kampfansage der Intellektuellen

In Italien machen der mafiakritische Schriftsteller Roberto Saviano und Starmoderator Fabio Fazio derzeit mit einer gemeinsamen Fernsehshow Furore: Sie ist eine Kampfansage an den Regierungschef selbst.

Von Christiane Büld-Campetti | 29.11.2010
    Vieni via con me, heißt dieses Lied von Paolo Conte: Geh mit mir fort. Vieni via con me heißt auch die Fernsehshow der beiden Moderatoren Fabio Fazio und Roberto Saviano – der Titel ist gleichzeitig Leitmotiv und Generalthema, denn hier dreht sich alles um die Frage: Lohnt es sich noch in Italien zu bleiben – oder soll man das Land angesichts seines desolaten politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zustands nicht lieber verlassen? Für beides finden sich viele Gründe, zeigen Fazio und Saviano mit einem ständig wiederkehrenden Dialog

    "Ich gehe weg, weil ich nicht leben will, wo die Mafia das Sagen hat."

    "Ich bleibe hier, weil ich nicht will, dass sie weiterhin kommandiert."

    "Ich gehe weg, weil in Kürze alle sagen werden, wir waren schon immer gegen Berlusconi."

    "Ich bleibe hier, um zu sehen, was anschließend passiert."

    Fazio und Saviano sprechen in ihren Themen an, die eine zunehmend kritische Öffentlichkeit bewegen. Dazu passen die Beiträge der geladenen Gäste.

    Diese Ordensschwester aus Turin etwa greift den Umgang mit der muslimischen Minderheit auf und plädiert dafür, in ihrer Stadt endlich eine Moschee zu bauen.

    Eine junge Frau beklagt die italienische Bildungsmisere und zählt auf, wie viele Jobs sie annehmen muss, um ihr Studium zu finanzieren. Zu Wort kommen aber auch Prominente wie der 85-jährige Schriftsteller Carlo Fruttero, der das Hohe Lied auf sein Alter singt.

    Doch dem bekanntesten Komödianten des Landes, dem Oscar-Preisträger Roberto Benigni, bleibt es vorbehalten, den italienischen Ministerpräsidenten frontal wegen seiner degoutanten Affären und Sexskandale aufs Korn zu nehmen.

    "Stellen Sie sich Berlusconis Leibwächter vor, wie er jeden Abend sagt: Bleiben Sie stehen, Presidente. Ich muss erst kontrollieren. Er geht ins Haus und was findet er: Vier Huren in der Küche. Verdammter Provenzano! Dann, da! Unter der Bettdecke? Sieben brasilianische Tänzerinnen! Ja, wenn sich die Mafia heute rächen will, dann organisiert sie solche fürchterlichen Aktionen."

    Das Kalkül, die schlichte Fernsehshow der beiden Intellektuellen werde als Alibiveranstaltung im linken Nischenprogramm von Rai 3 untergehen, ist jedenfalls nicht aufgegangen – zehn Millionen Zuschauer wurden regelmäßig ermittelt, so viele, wie sonst nur bei Fußballspielen, sagt Dimitri D'Andrea, Dozent für politische Philosophie an der Universität von Florenz. Daher versteht er die Sendung als politisches Menetekel.

    "Die Sendung, dass immer mehr Italiener die Nase davon voll haben, wie sich unsere Politikerkaste derzeit aufführt: schamlos, ohne jede Moral und in keiner Weise vorbildlich. Bisher kam diese Kritik nur aus dem Lager der Linken. Doch die hohen Zuschauerzahlen verraten, dass auch viele Konservative vor dem Fernseher sitzen. Und das ist neu, denn es heißt, auch sie sind es leid, von vulgären Populisten vertreten zu werden, auch sie verlangen nach Politikern, die unsere Gesetze und Institutionen nicht ständig in Frage stellen."