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Kann Bio die Welt ernähren?

Die Lebensmittelskandale stehen nicht im Mittelpunkt der Biochfach. Vielmehr ist das Hauptthema der Lebensmittelmesse in Nürnberg die Welternährung.

Wolfram Weltzer im Gespräch mit Georg Ehring | 16.02.2011
    Georg Ehring:. Die Messe Biofach hat ihre Tore geöffnet. - Wolfram Weltzer in Nürnberg, wie macht sich die größere Sorge um unsere Lebensmittel denn auf der Messe bemerkbar?

    Wolfram Weltzer: Sie macht sich auf der Messe gar nicht so stark bemerkbar, denn die Branche kennt das ja. Jeder Skandal bringt wieder ein bisschen so eine Welle an Biokonsum. Aber der Dioxin-Skandal hat im letzten Jahr noch nicht gewirkt. Da hat es eine fast Stagnation in der Biobranche mit zwei Prozent Umsatzzuwachs gegeben, das wird hier kritisch diskutiert. Aber seit Anfang des Jahres hat sich doch einiges verändert. Der Präsident von Bioland, Thomas Dosch, erklärt das so:

    Einspieler Thomas Dosch: Seit Jahren sind die Bio-Eier das nachgefragteste Bioprodukt überhaupt. Jetzt haben wir dieses Thema Dioxin durchdiskutiert und mittlerweile werden die Eier fast schon unter der Ladentheke an die Kunden verkauft, die schon immer kamen, und wenn jetzt neue Kunden auftauchen, dann sind die Händler schon fast vorsichtig, denen auch noch was zu geben. Also da ist es natürlich besonders eklatant.

    Weltzer: Aber es hat sich auch beim Schweinefleisch-Konsum etwas geändert. Das geht aus einer Untersuchung hervor, die der Bundesverband Naturkost Naturwaren hier präsentiert hat, und derzufolge ist es so, dass das Potenzial durch den aktuellen Dioxin-Skandal um ungefähr elf Prozent gestiegen ist für Bio.

    Ehring: Konventionelle Lebensmittel werden teurer. Gibt es den gleichen Preisanstieg auch bei Bioware?

    Weltzer: Ja. Diesen Preisanstieg gibt es immer in etwa gleich, sagen die Experten hier mittlerweile. Bioware hat natürlich teilweise doppeltes, teilweise dreifaches Preisniveau, aber es wird immer gekoppelt und vor allem bei den Light-Produkten, bei Grundnahrungsmitteln wie jetzt Milch oder Butter zum Beispiel, da orientiert sich das doch sehr daran, wie im konventionellen der Preis ist, und wenn es da rauf geht, dann geht es in der Biobranche auch rauf. Da können die nicht anders, da können die sich nicht abkoppeln.

    Insgesamt, sagt die Branche heuer, wird da nicht so viel passieren, wahrscheinlich, auch wenn sich das die Landwirtschaft wünscht. Aber langfristig rechnen die Experten hier alle mit einer Knappheit, unter anderem deswegen, weil der Energiepflanzen-Anbau boomt und ja auch gefördert wird und dadurch eine weltweite Knappheit an Nahrungsmitteln passieren könnte.

    Ehring: Abseits von Preisen und Dioxin, was ist denn das wichtigste Thema dieser Messe?

    Weltzer: Offizielles Schwerpunktthema ist die Welternährung. Kann Bio die Welt ernähren, das ist hier die Frage. Rein theoretisch mit 0,9 Prozent Anteil weltweit im Moment ist das eine abseitige Frage, aber die Experten hier, die ja auch politisch sehr bewegt sind, meinen, es muss langfristig Bio sein, allein deswegen, weil die aktuelle industrielle Landwirtschaft ja sehr vom Erdöl und von vielen anderen Ressourcen abhängig ist, und deswegen ist man der Meinung, dass es kleinteilig sein muss, vor allem in Afrika oder in anderen Entwicklungsländern können es nur die Kleinbauern leisten mit einer Art Bio. Allerdings gab es hier Widerspruch vom Agrar-Staatssekretär Robert Kloos, aus Berlin heute bei der Eröffnung.

    Einspieler Robert Kloos: Wenn wir die prognostizierte wachsende Weltbevölkerung, neun Milliarden Menschen im Jahre 2050, ernähren wollen, geht es nicht ohne Steigerung der Produktivität und der Ressourcen-Effizienz insbesondere in den Entwicklungs- und den Schwellenländern.

    Weltzer: Das ist hier nicht gut aufgenommen worden. Robert Kloos hat ja Ilse Aigner, die Landwirtschaftsministerin, vertreten.

    Ehring: Apropos Prominenz. Zur "Grünen Woche" in Berlin pilgern die Politiker und Minister. Wie sieht die Aufmerksamkeit bei der Biofach aus?

    Weltzer: Zunächst einmal: die Ministerin selber, die ist heute nicht gekommen. Sie kommt am Freitag, und das wird hier sehr, sehr genau wahrgenommen. Noch mal Bioland-Präsident Dosch.

    Einspieler Thomas Dosch: Letztes Jahr war es der Aschermittwoch, der Frau Aigner gehindert hat, hier herzukommen. Ich weiß nicht, was sie daran hindert, in 2011 zur Eröffnung der Biofach zu kommen. Ich bedauere das sehr. Natürlich verstehe ich das als ein Signal in der Richtung, dass Bio vielleicht nicht an erster Stelle steht. Wir haben ja auch auf der Grünen Woche erlebt, dass sie die erste Ministerin war, die in zehn Jahren den Weg in die Biohalle bei der offiziellen Eröffnung nicht gefunden hat.

    Weltzer: Dafür hat Cem Özdemir den Weg nach Nürnberg gefunden. Er ist heute da, gibt eine eigene Pressekonferenz, einen eigenen Rundgang. Dafür fehlt allerdings Renate Künast, die auch als Nichtministerin immer da war. Sie hat Wahlkampf in Berlin und setzt jetzt offenbar andere Prioritäten. Sie wird hier schon ein bisschen vermisst. Aber es sind sehr, sehr viele Landesminister da, eigentlich fast alle Landesminister aus Deutschland besuchen irgendwann die Biofach.

    Ehring: Wolfram Weltzer berichtete von der Messe Biofach. Herzlichen Dank nach Nürnberg!