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Kannibale im Äther

Nach WiFi und Bluetooth macht sich seit einiger Zeit ein weiterer technischer Standard in der drahtlosen Datenübertragung breit: WiMAX, Abkürzung für Worldwide Interoperability for Microwave Access. Langfristig könnte WiMAX jedoch vor allem den Mobilfunk-Betreibern Kopfzerbrechen bereiten.

Von Tobias Armbrüster | 22.04.2006
    Die WiMAX-Technologie könnte vor allem dabei helfen, abgelegene ländliche Gebiete mit leistungsfähigen DSL-Internet-Verbindungen zu versorgen. Das ist eine der Haupterkenntnisse einer neuen OECD-Untersuchung. In weiten Teilen Afrikas zum Beispiel hätte man mit WiMAX-Netzwerken eine preiswerte Alternative zu teuren, hunderte Kilometer langen Telefon-Leitungen aus Kupferkabel. Aber egal ob Afrika, Asien oder Europa: Mobile WiMAX-Anwendungen für den Endverbraucher sind derzeit noch die Ausnahme, WiMAX wird vor allem industriell eingesetzt, etwa zur Überbrückung zwischen Schaltzentralen. In Südkorea allerdings gibt es schon jetzt ein ausgedehntes WiMAX-Netz, das Laptop-Benutzer mit einer preiswerten drahtlosen Internet-Verbindung versorgt. WiMAX könnte so herkömmlichen Mobilfunk-Anbietern Konkurrenz machen. Taylor Reynolds, Ökonom und Technologie-Experte bei der OECD hat diesen Report verfasst.

    "Die Vermarktung von WiMAX wird zur Zeit überall auf der Welt sehr genau beobachtet, immerhin haben die Telekommunikationsunternehmen eine Menge Geld in ihre UMTS-Lizenzen investiert, und Ziel von UMTS war es unter anderem, Internet-Zugang übers Mobiltelefon zu verkaufen. Wenn jetzt WiMAX kommt und den Leuten flächendeckend mobiles Internet über eine billige Flatrate anbietet, dann könnte das den UMTS-Handys den Platz streitig machen."

    Das Beispiel Korea ist allerdings die Ausnahme. Abgesehen von vereinzelten Pilotprojekten in verschiedenen Ländern ist von WiMAX derzeit noch nicht viel zu sehen. Und außer technisch interessierten Internet-Usern kennen die wenigsten diesen Standard, der in der Fachwelt auch als IEEE 802.16 bekannt ist. WiMAX hat es auch deshalb schwer, weil es keine weltweit einheitliche Sende-Frequenz gibt, so wie etwa für WiFi und die Wireless-Lan-Netzwerke. WiFi-Equipment benutzt überall auf der Welt die Frequenz 2,4 Gigahertz. Das hat dazu geführt, dass ein und derselbe WiFi-Chip nahezu in jedem Land auf der Welt einsetzbar ist. Die Produktion von WiFi-Produkten wird dadurch günstiger. Für WiMAX dagegen gibt es keine global verbindliche Sende-Frequenz. Taylor Reynolds sieht hier ein Beispiel dafür, wie nationale Regierungen einen Kommunikations-Standard durchsetzen oder blockieren können.

    "Regierungen spielen hier eine große Rolle, denn sie vergeben die Sendelizenzen und Lizenzen sind für eine Drahtlos-Technologie extrem wichtig, das haben wir bei den Mobilfunk-Standards gesehen. Bei WiMAX besteht nun das Problem, dass die Frequenzen, die benötigt werden, extrem gefragt sind. Es geht hier vor allem um den Bereich zwischen 2,5 und 3,5 Gigahertz. Das sind, wenn Sie so wollen, die Sahnestückchen im Spektrum: Frequenzen, die sich ideal eignen, um Sprache und Daten zu übertragen. Allerdings gibt es da keine international einheitliche Regelung. So was wäre Sache der internationalen Telekommunikationsunion gewesen, aber dort gab es nie den Willen, die WiMAX-Frequenz zu harmonisieren."

    Trotz solcher Schwierigkeiten sieht die OECD WiMAX als zukunftsweisend. Denn diese Technologie könnte eine Brücke schlagen zwischen WiFi und dem Mobilfunk der 3. Generation. Langfristig, sagt Taylor Reynolds würden WiFi, UMTS und WiMAX parallel arbeiten, um Internet-Nutzer und Mobil-Telefonierer mit Daten versorgen.

    "Auf der einen Seite haben Sie WiFi mit seiner schnellen Daten-Übertragung, aber nur in einem Radius von 150 Metern. Mit UMTS sind Sie flächendeckend versorgt, aber es ist sehr teuer. Genau dazwischen liegt WiMAX: flächendeckend, trotzdem preiswert, aber eine nicht ganz so große Bandbreite wie UMTS. Ich vermute, dass die Verbraucher in zehn Jahren alle drei Technologien parallel einsetzen. Wir haben dann zum Beispiel ein Handy, das wir zuhause mit WiFi benutzen, sobald wir das Haus verlassen, wechselt das Gerät automatisch zu WiMAX oder UMTS, je nachdem ob wir Daten runterladen oder einfach nur telefonieren wollen."

    Auffallend wenig liest man in diesem OECD-Report über die gesundheitlichen Aspekte der WiMAX-Technologie. Sende-Anlagen, die 40 Megabit pro Sekunde über eine Distanz von zehn Kilometern funken, erreichen Strahlungswerte, die weit über denen von UMTS-Sendemasten liegen, und schon die sind in vielen Grosstädten sehr umstritten. Nationale Regierungen, heißt es im OECD-Papier, sollten dieses Problem möglichst bald in Angriff nehmen.