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Trauer um Helmut Kohl
"Vater des modernen Deutschlands"

Der Tod von Altkanzler Helmut Kohl hat weltweit Trauer ausgelöst. Gewürdigt werden vor allem seine Beiträge zur deutschen Einheit und zur europäischen Integration. Die CDU hat ein Online-Kondolenzbuch eingerichtet.

16.06.2017
    Helmut Kohl am 20. Februar 1990 vor einem Fahnenmeer in Erfurt.
    Helmut Kohl am 20. Februar 1990 vor einem Fahnenmeer in Erfurt. (dpa - Fotoreport / Heinz Wieseler)
    Im Gedenken an den verstorbenen Altkanzler und langjährigen Parteivorsitzenden hat die CDU sowohl im Berliner Konrad-Adenauer-Haus als auch im Internet ein Kondolenzbuch ausgelegt.
    Trauerbekundungen und Würdigungen kamen von Politikern aus dem In- und Ausland. Bundeskanzlerin Angela Merkel würdigte den verstorbenen Altkanzler áls großen Deutschen und Europäer. Er habe erkannt, dass die Einheit Deutschlands und Europas untrennbar miteinander verbunden seien, sagte Merkel am Freitag in Rom. Er habe die Gunst der Stunde genutzt, um die Wiedervereinigung herbei zu führen.
    Die Kanzlerin betonte, Kohl habe auch ihren eigenen Lebensweg entscheidend verändert. Durch ihn habe sie ein Leben in Freiheit führen und das Leben in der Diktatur verlassen können. Kohl sei ein "Glücksfall für uns Deutsche" gewesen.
    Ehrenbürger Europas
    Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bezeichnete Kohl als große Persönlichkeit der deutschen und europäischen Geschichte: "Kohl hat sich mit ganzer Kraft für die Verankerung unseres Landes im westlichen Bündnis eingesetzt.
    Er hat die europäische Einigung mit Leidenschaft vorangetrieben und bis zuletzt für die europäische Idee geworben - als 'Ehrenbürger Europas' wird er uns allen in Erinnerung bleiben", schrieb Steinmeier in einem Kondolenzbrief an Maike Kohl-Richter zum Tod ihres Mannes. Bundestagspräsident Norbert Lammert sprach von einer "Persönlichkeit historischer Größe".
    "Gigant der europäischen Geschichte"
    Die britische Premierministerin Theresa May teilte mit: "Mit großer Trauer habe ich vom Tod des früheren Kanzlers Helmut Kohl erfahren. Als erster Kanzler des vereinigten Deutschlands seit 1945 war er ein ganz Großer der europäischen Geschichte." May würdigte Kohl als "einen Giganten der europäischen Geschichte" und "Vater des modernen Deutschlands".
    Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nannte Helmut Kohl einen "sehr großen Europäer". Auf Twitter schrieb Macron:
    Trump: "Kohl war Freund und Verbündeter der USA"
    US-Präsident Donald Trump beschrieb Kohl als Freund und Verbündeten der USA. In einer Mitteilung des Weißen Hauses heißt es, Kohl habe die Bundesrepublik Deutschland durch 16 entscheidende Jahre geführt. Die Welt habe von seiner Vision und seinen Anstrengungen profitiert. Kohl sei nicht nur der Vater der deutschen Wiedervereinigung gewesen, sondern habe sich auch für Europa und das transatlantische Verhältnis eingesetzt.
    Auch der frühere US-Präsident George H. W. Bush würdigte Helmut Kohl als "wahren Freund der Freiheit". "Er ist der Mann, den ich als eine der größten politischen Führungsfiguren im Nachkriegseuropa ansehe", heißt es in einem Statement von Bush, das sein Büro verbreitete. Bush war einer der US-Präsidenten, die während Kohls Amtszeit im Weißen Haus waren. Auch er gilt als Vater der deutschen Einheit. Es sei eine der "großen Freuden meines Lebens", gemeinsam mit Kohl an der friedvollen Beendigung des Kalten Krieges und an der deutschen Wiedervereinigung innerhalb der Nato gearbeitet zu haben, sagte Bush: "Bei all unseren Anstrengungen war Helmut ein Fels - stark und beständig."
    Kohl hinterlässt laut Gorbatschow "Spuren in der Weltgeschichte"
    Der russische Friedensnobelpreisträger Michail Gorbatschow würdigte Ex-Kanzler Helmut Kohl als herausragenden Politiker, der deutliche Spuren in der Weltgeschichte hinterlässt. "Die Deutschen haben Helmut Kohl den Spitznamen 'Kanzler der deutschen Einheit' gegeben. Das ist richtig und gerecht", erklärte Gorbatschow, selbst einer der Väter der deutschen Einheit, in Moskau.
    Papst Franziskus bezeichnete Kohl als "großen Staatsmann und überzeugten Europäer". Er habe mit Weitblick und Hingabe für das Wohl der Menschen in Deutschland und der europäischen Nachbarn gearbeitet, heißt es in einem Beileidstelegramm des Papstes, das der Vatikan öffentlich machte. Darin lobt er Kohls "unermüdliches Wirken für die Einheit Deutschlands und die Einigung Europas sowie seinen Einsatz für Frieden und Versöhnung" und spricht dem ganzen deutschen Volk seine Anteilnahme aus.
    "Ohne Kohl gäbe es den Euro nicht"
    EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte Kohl als einer der Ersten gewürdigt: "Helmut Kohl war ein großer Europäer und ein sehr guter Freund", teilte Juncker mit. "Ohne Helmut Kohl gäbe es den Euro nicht." Nur drei Menschen, Jean Monnet, Jacques Delors und Helmut Kohl, hätten für ihre Verdienste für die europäische Zusammenarbeit die Ehrenbürgerschaft Europas erhalten, sagte Juncker. Das mache den Verlust umso größer – politisch wie menschlich. Juncker: "In Gedenken an Helmut Kohl habe ich deshalb die Europaflaggen vor den europäischen Institutionen auf Halbmast setzen lassen."
    Auch Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) gedachte Kohl. "Er war ein großer Staatsmann, ein großer deutscher Politiker und vor allem ein großer Europäer, der sehr viel dafür getan hat, dass nicht nur die deutsche Einheit gekommen ist, sondern auch dass Europa zusammengewachsen ist." Das sei Kohls großes Vermächtnis, erklärte Gabriel. "Es ist ein wirklich großer Deutscher gestorben." Die CSU twitterte:
    SPD-Chef Martin Schulz erklärte, der Altkanzler habe 1989 Geistesgegenwart, politischen Mut und Führungsstärke bewiesen. Der Vorsitzende der FDP, Christian Lindner, betonte im Dlf, Kohl sei einer der Architekten eines vereinten Europas. Grünen-Chef Cem Özdemir sagte, Kohl sei bei allem Streit jemand gewesen, auf den man sich habe verlassen können. Der Linken-Bundesvorstand erklärte, Kohl habe die Bundesrepublik vor dem Jahrtausendwechsel geprägt wie nur wenige andere politische Persönlichkeiten.
    "Großer Patriot und Europäer"
    Gerhard Schröder, Nachfolger Kohls im Amt des Bundeskanzlers, betonte Kohls Verdienste um die deutsche Einheit: "Die Einigung unseres Landes und unseres Kontinents wird auf alle Zeit auch mit seinem Namen verbunden bleiben." Kohl sei ein "großer Patriot und Europäer" gewesen.
    Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, dankte Kohl für dessen Beziehung zur jüdischen Gemeinschaft: "Die neue Blüte der jüdischen Gemeinschaft haben wir ganz wesentlich der Zuwanderung zu verdanken", sagte Schuster. "Im Bewusstsein der historischen Verantwortung Deutschlands machte Helmut Kohl den Weg frei für die Einwanderung der Juden aus der ehemaligen Sowjetunion. Dies ist ein bleibender Verdienst Kohls." In der Sowjetunion hatte Ende der 1980er-Jahre eine neue Welle des Antisemitismus eingesetzt.
    Das DFB-Team wird beim Spiel gegen Australien im Rahmen des Confed Cups in Gedenken an Kohl mit Trauerflor spielen - einen entsprechenden Antrag des Deutschen Fußball-Bundes genehmigte die FIFA.
    16 Jahre an der Macht
    Kein Bundeskanzler war länger im Amt als Helmut Kohl – von 1982 bis 1998. In die Geschichte aber ging der promovierte Historiker vor allem als Kanzler der deutschen Einheit ein. Kohl gestaltete die Wiedervereinigung 1989/90 entscheidend mit.
    Im Zuge der CDU-Spendenaffäre, in der Kohl sich weigerte, die Namen von Spendern zu nennen, kam es zu einem schweren Zerwürfnis zwischen ihm und seiner Partei. Kohl verlor den Ehrenvorsitz.
    Gestern starb Kohl im Alter von 87 Jahren in seinem Haus in Ludwigshafen.
    (gri/kis/tzi/ach/vic)