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Kapitalmarktgeschäfte: Risiken mit Nebenwirkungen

Die rund 80.000 freien Finanzvermittler, die in Deutschland ihre Dienste anbieten, sollen sich künftig einer Sachkundeprüfung unterziehen müssen. Das sieht ein Gesetzentwurf von Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner vor, den das Bundeskabinett heute verabschieden will. Wie Banken und Sparkassen sollen Finanzdienstleister künftig zum einen ihre Provisionen offenlegen, zum anderen aber auch über mögliche Risiken ihrer Produkte informieren; Stichwort: Beipackzettel.

Von Gerhard Irmler | 06.04.2011
    Wer in Deutschland als Finanz-Anlagen-Vermittler oder Finanz-Anlagen-Berater arbeiten wollte, brauchte bislang ein Telefon, einen Computer, ein schnittiges Finanzprodukt, für das er Provision kassieren konnte und vielleicht noch einen schicken, bunten Internetauftritt, auf dem selbstverständlich zufriedene Kunden bezeugten, wie glücklich und wohlhabend sie durch den Finanzvermittler XY geworden sind. Keine Ausbildung und keine Prüfung waren vonnöten.

    Auf dem unkontrollierten, sogenannten grauen Kapitalmarkt tummelten sich und tummeln sich bis heute zahlreiche Nichtskönner, Blender und regelrechte Betrüger.

    Auf jährlich 20 bis 30 Milliarden Euro werden die Verluste und Schäden geschätzt, die zumeist ahnungslosen oder unvorsichtigen Anlegern entstehen, die in geschlossene Fonds, in Beteiligungen und Genussrechte oder Ähnliches investiert haben. Oft kannten die Kunden die Risiken gar und wurden geflissentlich auch nicht darüber informiert. Die Anbieter operierten nahezu sorglos, ohne Beschränkungen oder gesetzliche Vorschriften, ein seltener Fall in Europa, wo jede Milchkuh, jedes Schaf wenigstens zweimal registriert ist und einer permanenten Überwachung unterliegt.

    Mit dem "Gesetz zur Novellierung des Finanz-Anlagenvermittler- und Vermögens-Anlagenrechts", das heute im Bundeskabinett verabschiedet wurde, sollen die Anleger auf dem grauen Kapitalmarkt besser geschützt und die rund 80.000 freien Finanzvermittler in Deutschland besser überwacht werden. Diese müssen sich künftig nicht nur einer Sachkundeprüfung unterziehen, wenn sie neu im Geschäft sind, sondern auch ihre Provisionen offenlegen, damit Anleger künftig wissen, wer sie in welcher Höhe bezahlt. In leicht verständlichen Beipackzetteln müssen Finanzanlagenberater - und -Vermittler über Risiken und Nebenwirkungen informieren und ihren Kunden ein Beratungsprotokoll aushändigen. So können bei stillen Beteiligungen Nachschusspflichten entstehen. Oder bei geschlossenen Fonds, die als Personengesellschaft firmieren, kann ein Anleger unter Umständen haftbar werden gegenüber einer finanzierenden Bank. Außerdem müssen die Vermittler eine Berufs-Haftpflichtversicherung abschließen und sich in ein öffentliches Register eintragen lassen.

    Die Finanzaufsichtsbehörde BaFin prüft die Verkaufsprospekte der Vermögensanlagen auf dem grauen Markt nicht mehr nur formal auf Vollständigkeit, sondern künftig auch auf Widerspruchsfreiheit und Verständlichkeit. Für die Zulassung und Überwachung der Finanz-Anlagerberater- und -vermittler sind jedoch die zumeist jetzt schon überlasteten Gewerbeämter zuständig.

    Nach Ansicht von Verbraucherschützern ein schwerer Konstruktionsfehler, den die Bundesregierung in das neue Gesetz eingebaut hat.