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Kappel: Entwicklungsbank ist nicht sinnvoll

Die sogenannten BRICS-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika wollen wirtschaftlich und politisch größeren Einfluss nehmen. Geplant ist unter anderem eine Entwicklungsbank. Robert Kappel vom GIGA-Instituts für globale und regionale Studien in Hamburg hält dies nicht für sinnvoll..

Robert Kappel im Gespräch mit Jasper Barenberg | 26.03.2013
    Jasper Barenberg: Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika – vor nicht allzu langer Zeit waren das vier Entwicklungsländer und eine am Boden liegende Weltmacht. Seitdem aber haben die fünf Staaten einen beeindruckenden wirtschaftlichen Aufstieg hingelegt. Zusammen erzeugen sie heute 20 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung. In absehbarer Zeit könnten sie diesen Anteil sogar verdoppeln. Nach ihren Anfangsbuchstaben wird diese Gruppe "BRICS" genannt. Ihr wachsendes Selbstbewusstsein wollen die Staats- und Regierungschefs der fünf Länder ab heute auf ihrem Treffen im südafrikanischen Durban demonstrieren. Sie wollen enger zusammenarbeiten, sie verlangen mehr Gewicht in der Weltwirtschaft und auch mehr Gewicht in der Weltpolitik.
    Über das wachsende Selbstbewusstsein dieser BRICS-Staaten, über Anspruch und Wirklichkeit wollen wir auch in den kommenden Minuten noch sprechen. Am Telefon begrüße ich Professor Robert Kappel, lange Jahre lang Präsident des GIGA-Instituts für globale und regionale Studien in Hamburg. Schönen guten Morgen!

    Robert Kappel: Guten Morgen, Herr Barenberg.

    Barenberg: Herr Kappel, wir haben es ja gerade gehört: Das Wirtschaftswachstum der fünf Staaten ist in der Tat beeindruckend. Im Schnitt lag es bei mehr als fünf Prozent im Jahr, deutlich höher also als das Wachstum in Europa, in den USA, in Japan. Geht diese imponierende Wirtschaftsentwicklung automatisch Hand in Hand mit wachsendem politischen Einfluss?

    Kappel: Ja. Ich meine, auf jeden Fall hat sich gezeigt in den letzten Jahren, dass diese BRICS-Staaten ihren wirtschaftlichen Aufstieg nutzen wollen, um auch global einen größeren Einfluss zu nehmen. Das ist zumindest ihr Ziel. Seit dem ersten Gipfel in 2009 haben sie sich zunehmend zusammengerauft, debattiert, in welche Richtung sie gemeinsam gehen können. Und natürlich ist ihre Wirtschaftsleistung so überwältigend groß, jedenfalls die von China und Indien, die anderen Staaten muss man ein bisschen genauer betrachten, dass sie auch irgendwie mehr Mitsprache in den globalen Entscheidungen spielen wollen: im Internationalen Währungsfonds, in der Weltbank, in der globalen Finanzarchitektur, in Sicherheitsfragen und so weiter. Also sie nehmen zunehmend politisch Einfluss.

    Barenberg: Besonders deutlich formuliert ja Moskau zurzeit diesen Machtanspruch. In einem Strategiepapier des Kreml heißt es, dass sich die weitweiten Machtzentren zugunsten dieser aufstrebenden BRICS-Staaten verschieben, und die Staaten könnten der Kern einer neuen Weltordnung sein. Ist das noch ein bisschen zu weit gegriffen, oder hat das eine gute Grundlage, dieser Anspruch?

    Kappel: Na ja, das ist zumindest der rhetorische Anspruch. Ich glaube, dass die Substanz da nicht ganz so stark ist. Wir müssen ja sehe, die BRICS sind natürlich nicht mal eine Staatengemeinschaft, sie sind keine Institution, sie sind Einzelstaaten, die alle sehr unterschiedlich agieren, China besonders stark, dann kommt Indien, Russland und Brasilien folgen, und Südafrika ist ja eher eine kleinere Mittelmacht. Ja, der Anspruch ist da, aber die Möglichkeiten, global stärker Einfluss zu nehmen, sind natürlich auch ein bisschen eingeschränkt. Wir haben eine globale Machtverschiebung, aber die BRICS sind keine Einheit und von daher sind ihre Möglichkeiten doch eingeschränkt. Zudem muss man sehen, dass die USA, Europa vor allem und auch Japan natürlich weiterhin den größeren wirtschaftlichen und politischen Einfluss haben, und dagegen eine Gegenstimme zu bilden, dazu hat sich die BRICS entschieden, und der fünfte Gipfel soll ja auch ein bisschen in die Richtung gehen, nicht nur konzeptionell, strategisch zu denken, sondern ein Stück weiterzugehen. Aber das, was der russische Präsident Putin da verlautbaren lässt, ist ja doch mehr Rhetorik, mehr Symbolik als wirklicher Inhalt. Dazu reichen sozusagen auch die finanziellen Grundlagen dieser Länder gar nicht, um in diese Richtung gehen zu können. Eine neue Weltordnung, das hört sich ein bisschen groß an. Wir haben es mit einer Tendenz zu einer multipolaren Welt zu tun. Da gibt es auch noch andere Staaten, nicht nur die BRICS, das ist klar: Europa, Amerika, die BRICS, Indonesien, Mexiko, es sind ja noch andere Staaten dabei. Aber neue Weltordnung sehe ich eigentlich nicht. Ich sehe eher eine Stärkung der G20, also der großen wirtschaftlichen Staaten, wozu auch die BRICS gehören. In die Richtung wird es mehr gehen, als dass die BRICS eine neue Weltordnung schaffen können. Da sehe ich überhaupt gar keine Grundlagen dafür.

    Barenberg: Sie haben ja gesagt, dass die Möglichkeiten der BRICS-Staaten doch etwas eingeschränkt sind. Inwieweit hat das denn auch damit zu tun, dass es sich einfach um fünf sehr unterschiedliche Staaten handelt mit unterschiedlichen gesellschaftlichen, politischen Systemen, die quasi ja nur zufällig durch eine gute gemeinsame Wirtschaftsstatistik zusammengewürfelt worden sind. Oder täuscht dieser Eindruck?

    Kappel: Nein, dieser Eindruck täuscht überhaupt nicht. Sie sind sehr, sehr unterschiedlich, sie haben in vielen Fragen sehr unterschiedliche Meinungen. Das betrifft die weltpolitische Gestaltung. Russland hat eine andere Idee als China beispielsweise. China integriert sich viel stärker in die G20 und nimmt da teil. Es sind unterschiedliche Systeme, Indien, Brasilien, Südafrika sind demokratisch, China ist eine autoritäre Herrschaft, Russland auch ähnlich. Also wir haben hier durchaus sehr unterschiedliche Wertevorstellungen. Man schließt sich eigentlich vornehmlich zusammen, um dem Westen ein bisschen entgegenzusetzen und als Gruppe sozusagen mehr Einfluss in den internationalen Organisationen und Institutionen zu nehmen, und dafür sind die BRICS natürlich, dafür reicht dieses Gebilde sozusagen aus. Beispielsweise treffen sie sich, um über die Finanzfragen und die Weltwirtschaft auf den G20-Gipfeln jeweils gemeinsam zu beraten und dann zu einer einheitlichen Stimme zu kommen. Oder in der UNO trifft man sich vorher zu den großen Sicherheitskonferenzen, um mit einer Stimme aufzutreten. Aber wenn Sie Syrien, Mali anschauen und auch alle anderen Konfliktregionen dieser Welt, haben diese Länder jeweils eine unterschiedliche Meinung, wie man vorgeht: Soll man intervenieren, soll man nicht intervenieren, Brasilien und Südafrika sagen, wir sollen an bestimmten Punkten auch bereit sein zu intervenieren, um Schlimmeres zu verhüten, China und Russland sagen, wir sollen das nicht tun, also sehr unterschiedliche Auffassungen.

    Barenberg: Jetzt in Durban soll es ja im Schwerpunkt auch und gerade darum gehen, eine eigene Entwicklungsbank zu gründen, in Konkurrenz zu Weltbank und Internationalem Währungsfonds. Wie viel Stoßkraft kann denn diese Bank haben, vor dem Hintergrund eben all der Unterschiede, von denen Sie gerade gesprochen haben?

    Kappel: Ich persönlich sehe das so, dass diese Entwicklungsbank gewünscht wird. Aber ob sie sinnvoll ist und ob sie wirklich kommt, das steht noch in den Sternen. Man hat sich dazu bereit erklärt, zehn Milliarden US-Dollar einzuspeisen in diesen Fonds, aber zehn Milliarden Dollar müssen ja auch erst mal finanziert werden. China kann das machen, Russland kann das machen, aber die anderen Länder werden diese Summen gar nicht aufbringen können. Das heißt, wir werden einen längeren Prozess haben, ob es überhaupt eine Entwicklungsbank geben soll. Die Frage ist, ob es sinnvoll ist. Ich glaube nicht, dass es sinnvoll ist. Wir haben den IWF, wir haben die Weltbank, aber wir haben auch die regionalen Entwicklungsbanken, die es schon auf den verschiedenen Kontinenten gibt, die jeweils ihre eigene Agenda haben, und dort sind diese Länder auch Mitglieder. Wozu eine Parallelbank, die möglicherweise gar nicht diese Zugkraft bekommen, Sogkraft bekommen kann, die man sich erwünscht.

    Barenberg: Vielleicht, Herr Kappel, wenn China seinen Einfluss geltend macht. Wir hören viel über den Einfluss, den China in wirtschaftlicher Hinsicht zum Beispiel in Afrika nimmt, und man hört auch, dass man die Staaten dort mit lästigen Fragen nach Menschenrechten nicht belästigt. Ist das ein Modell, dem sich die anderen ohne Weiteres anschließen können?

    Kappel: Nein, dem schließen sich die anderen nicht unbedingt an. Nicht Intervention oder Nichteinmischung ist zwar ein Prinzip, das diese BRICS-Staaten verfolgen, aber in der Realität sieht es doch anders aus. Man mischt sich doch erheblich ein. Brasilien wird seine Entwicklungshilfe in Afrika auch nicht geben und nicht Einfluss darauf nehmen, was mit dem Geld passiert, und auch China nimmt Einfluss durch seine Entwicklungshilfe. China ist natürlich ein besonders großer Player, der ist besonders wichtig, das ist die Wirtschaftsmacht der Welt, der Zukunft, sie wird weiter wachsen, sie wird ihren Einfluss geltend machen. Aber sie braucht dafür nicht unbedingt die BRICS, um weiter zu wachsen, um politisch, globalpolitisch auch Einfluss nehmen zu können.

    Barenberg: Vielen Dank, Robert Kappel vom GIGA-Institut für globale und regionale Studien, heute Morgen im Gespräch hier im Deutschlandfunk. Ich bedanke mich!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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