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Ratten und Pekinger Smog
Luftverschmutzung macht dick

US-amerikanische und chinesische Forscher haben Ratten der dreckigen Pekinger Stadtluft ausgesetzt. Die Tiere der Versuchsgruppe in ungefilterter Luft waren nach einiger Zeit fetter als die Ratten einer Vergleichsgruppe. Was hier Einfluss auf die Tiere hatte, könnte auch für Menschen gelten.

Von Lucian Haas | 21.03.2016
    Smogalarm in Peking
    Die Belastung der Luftverschmutz in Peking hat vermutlich auch Auswirkungen auf Übergewicht bei den Bewohnern. (picture alliance / dpa / Foto: Stringer)
    Was passiert, wenn man Rattenmütter und ihre Nachkommen über Wochen hinweg ohne Filter der rußigen Winterluft Pekings aussetzt? Dann erlebt man vielleicht eine Überraschung, so wie es dem Umweltchemiker Jim Zhang von der Duke University erging:
    "Wir wollten schauen, ob die Luftverschmutzung die Geburtenrate, das Geburtsgewicht und ähnliche Dinge bei den Ratten beeinträchtigt. Aber dann haben wir einen unerwarteten Effekt beobachtet: Die trächtigen Ratten wurden fetter. Und auch ihre Jungen hatten nach acht Wochen ein erhöhtes Gewicht."
    Fetter und schwerer waren die Ratten im experimentellen Vergleich mit einer zweiten Gruppe von Versuchstieren. Jim Zhang und Kollegen ließen weitere Ratten bei exakt gleicher Kost aufwachsen, aber in Käfigen, deren Luftzufuhr mit Feinstaubfiltern ausgestattet war. Am Ende des achtwöchigen Versuchszeitraumes war der smog-belastete Rattennachwuchs sicht- und messbar beleibter. Das Gewicht lag bei den Weibchen um zehn, bei den Männchen um 18 Prozent höher. Jim Zhang untersuchte die Tiere auf typische Gesundheitsparameter, die auch bei Menschen als Vorläufer einer Fettsucht gelten - und wurde fündig.
    "Die Lunge, die Leber und andere Organe, im Grunde zeigte der ganze Körper der Tiere Entzündungsprozesse. Wir haben auch den Stoffwechsel getestet, die Blutfett- und Blutzuckerwerte. All diese Dinge waren beeinträchtigt. Das erklärt, warum die Ratten in der verschmutzten Luft dicker wurden."
    Risikofaktoren, die auch für Menschen gelten
    Entzündungen, Insulinresistenzen, Fettstoffwechselstörungen – all das sind Risikofaktoren, die auch bei Menschen mit einem metabolischen Syndrom und krankhaftem Übergewicht zu beobachten sind. Bisher wird dafür von Experten vor allem die Ernährung und mangelnde Bewegung verantwortlich gemacht. Ein Zusammenhang mit Luftverschmutzung, wie im Rattenexperiment beobachtet, wäre eine neue Spur. Interessant ist, dass sie gerade im besonders smog-geplagten Peking auffiel. In China wächst die Zahl der Fettleibigen rasant. Laut einer Studie im Fachmagazin "The Lancet" aus dem Jahr 2014 leidet schon fast jeder Dritte Chinese an Übergewicht. Dabei gibt es allerdings eine auffällige Zweiteilung im Land.
    "Wenn man sich die Fettleibigkeit in China anschaut, so ist der Norden stärker davon betroffen als der Süden Chinas. Und im Norden gibt es eine stärkere Luftverschmutzung, weil dort viel Kohle verbrannt wird. Wir haben noch keine gut kontrollierte Studie, um hier auch für Menschen einen Zusammenhang zu bestätigen. Aber ich halte das für sehr plausibel."
    Einfluss auf den Stoffwechsel
    Natürlich gibt es auch noch andere Unterschiede zwischen Nord- und Südchina, sowohl was das Klima auch was die typische Ernährungsweise der Menschen betrifft. Plakativ betrachtet ist im Norden eher Weizen, im Süden Reis das Grundnahrungsmittel. Jim Zhang glaubt deshalb auch nicht, dass die Luftverschmutzung allein zu Übergewicht führt. Die treibenden Kräfte dafür seien natürlich auch eine zu hohe Kalorienaufnahme und zu wenig Bewegung. Das streng kontrollierte Tierexperiment mit den Laborratten, die alle genetisch sehr ähnlich waren und das gleiche Fressen bekamen, zeigte aber, dass auch der Smog einen negativ verstärkenden Einfluss haben kann. Und der könnte ebenso bei Menschen wirken.
    "Manche Menschen werden stark übergewichtig, weil ihr Stoffwechsel nicht richtig funktioniert. Ihr Körper kann mit den aufgenommenen Kalorien nicht mehr richtig umgehen. Die Fettzellen können keinen Zucker mehr abbauen. So reichert er sich im Körper an und führt dann zur Gewichtszunahme. Das ist genau das, was wir bei den Ratten in der dreckigen Luft gefunden haben. Ihr Stoffwechsel war gestört."