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Karibikinsel nach Hurrikan
Kein Haus und keinen Job mehr

Urlauber gibt es auf Sint Maarten nach den Verwüstungen durch Hurrikan Irma erst einmal keine mehr. Für die Inselbewohner ist das die Katastrophe nach der Katastrophe: 80 Prozent der Bevölkerung arbeiten im Tourismus.

Von Anne-Katrin Mellman | 13.11.2017
    Das Bild vom 6. September zeigt Zerstörungen auf der Karibikinsel St. Maarten nach dem Hurrikan "Irma".
    Die Karibikinsel Sint Maarten hat unter Hurrikan Irma stark gelitten. Doch auch aus den chaotischen Tagen danach berichten Einwohner von Plünderungen und Gewalt (dpa-news / Dutch Defense Ministry / Gerben Van Es)
    Menschenleer ist der Strand von Philipsburg, dem Hauptort von Sint Maarten. Die von Hurrikan Irma umgeworfenen Yachten rosten. Kaum eine Palme ist übrig geblieben. Vor dem Sturm kippten täglich Kreuzfahrtschiffe ihre Passagiere an den weißen Strand, es gab günstigen Karibik-Massentourismus. Jetzt stehen die zollfreien Geschäfte leer. Keine Flasche Rum ließen die Plünderer übrig. Die Schaufenster sind noch nicht wieder eingesetzt. Das einzige von Sturmschäden verschont gebliebene Restaurant ist das der Peruanerin Carmen. Sie hat wieder geöffnet, aber Kundschaft gibt es keine:
    "Es war so, als wären die Leute dem Krieg entkommen. Zuerst hat der Hurrikan alles zerstört. Dann kamen die zwei Tage, bevor die Armee eintraf: Es gab Plünderungen, Gewalt und auch Vergewaltigungen, von denen keiner spricht. Ich habe von vielen Leuten gehört, die die Insel verlassen haben und sagten: 'Nach Sint Maarten komme ich nie mehr zurück!'"
    Nächtelang herrschte Anarchie
    Die Plünderungen waren der Sturm nach dem Sturm – auch ein Ausdruck der sozialen Probleme und Ungleichheit: Während europäische Besucher Karibik-Luxus genießen, verdienen die gerade mal 34.000 meist schwarzen Einheimischen wenig Geld im Tourismus. Nächtelang herrschte Anarchie in den Straßen des winzigen Inselstaates. Erst als 700 niederländische Soldaten eintrafen, kehrte Ruhe ein.
    Sie brachten Ingenieure mit, die hunderte Dächer vor allem öffentlicher Gebäude und Schulen reparierten. Irma ließ fast nichts unbeschädigt. Die meisten Hotels können deshalb in der bevorstehenden Hauptsaison zu Weihnachten nicht öffnen. Das ist die Katastrophe nach Irma: 80 Prozent der Einwohner von Sint Maarten arbeiten im Tourismus. Viele haben ihre Jobs verloren. Auch die Eltern der beiden Cousinen Josette und Aciliana.
    Hurrikan und Klimawandel im Unterricht
    Die 15-jährigen Schülerinnen verbringen eine Freistunde auf dem Schulhof, weil die Turnhalle zerstört ist. Mittags gab es belegte Brote vom Roten Kreuz. Es versorgt die Schüler für einige Monate mit Essen, damit die Eltern entlastet werden und sich um den Wiederaufbau kümmern können. Josette und Aciliana sagen, im Unterricht seien Hurrikan Irma und der Klimawandel jetzt ein großes Thema. Die Risiken, mit denen die Einwohner von Sint Maarten leben müssten: Tod, Obdachlosigkeit und Hunger…
    Beide sprechen über ihre Angst:
    "Ich habe mein Haus verloren, und ich hatte große Angst. Ich hoffe einfach, dass das nie wieder passiert, denn das war schrecklich."
    "Ich habe die ganze Zeit Angst: dass wir wieder aufbauen und dann aber nächstes Jahr vielleicht ein noch viel schlimmerer Wirbelsturm kommt, der Sint Maarten noch mehr zerstört."
    Ihre Familien können sich nicht leisten, woanders hinzugehen – in Hurrikan-sicheres Gebiet. So wie die meisten, die geblieben sind, können sie nur hoffen, dass die nächsten Stürme Sint Maarten verschonen und dass die Touristen zurückkehren.