Mittwoch, 24. April 2024

Archiv

Karl Liebknecht
Kritik an europäischer Rüstungsindustrie

Als Vertreter des linksrevolutionären SPD-Flügels kritisierte Karl Liebknecht 1914 nur wenige Monate vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs die europäische Rüstungsindustrie im Deutschen Reichstag. Bereits ein Jahr zuvor hatte er die Aufstockung der Armee angeprangert und den Korruptionsskandal "Kornwalzer" bei der Firma Krupp publik gemacht.

Von Wolfgang Stenke | 11.05.2014
    Kohlezeichnung von Karl Liebknecht
    Der Jurist und Politiker Karl Liebknecht nach einer Kohlezeichnung von Gerhard Augst. (picture-alliance / dpa)
    Volkslied, historische Aufnahme
    Auf, auf zum Kampf zum Kampf
    Zum Kampf sind wir geboren
    Auf, auf zum Kampf zum Kampf, zum Kampf sind wir bereit
    Dem Karl Liebknecht, haben wir's geschworen
    Der Rosa Luxemburg reichen wir die Hand.
    Karl Liebknecht, Märtyrer des linken Flügels der deutschen Arbeiterbewegung; 1919 während des Berliner Januaraufstandes gemeinsam mit Rosa Luxemburg ermordet von gegenrevolutionären Truppen. Am 11. Mai 1914, knapp drei Monate vor Beginn des Ersten Weltkrieges, stand dieser sozialdemokratische Politiker, Sohn des SPD-Gründers Wilhelm Liebknecht, am Rednerpult des Reichstags und attackierte die europäische Rüstungsindustrie als Hauptgegner des friedlichen Proletariats:
    "Dieser Kampf wird von der internationalen Sozialdemokratie in allen Ländern zugleich geführt, in England, in Frankreich, überall wo wir Einfluß haben, mit der gleichen Energie. Wir wissen, daß das Übel nicht in Deutschland allein sitzt, sondern überall. Wir bekämpfen deshalb den internationalen Kriegstrust, und wir wissen genau, daß es uns gelingen wird, mit dieser Korruption fertig zu werden."
    Der promovierte Jurist Karl Liebknecht, Rechtsanwalt von Beruf, vertrat seit 1912 den Wahlkreis Potsdam im Reichstag. Zuvor hatte der Sozialdemokrat sich als Kritiker des preußisch-deutschen Militarismus einen Namen gemacht. Seine Schrift "Militarismus und Antimilitarismus" trug ihm 1907 anderthalb Jahre Festungshaft ein – wegen Hochverrats. Auch im Parlament, wo die Sozialdemokraten noch vor dem katholischen Zentrum und den Nationalliberalen die stärkste Fraktion stellten, geißelte er das Militär: Misshandlung von Soldaten, übertriebener Drill, Ausschluss von Juden und Sozialdemokraten aus dem Offizierskorps. Dazu die Hochrüstungspolitik der Reichsregierung, die Frankreich, England und Russland zu einem gefährlichen Wettlauf trieb.
    Der Korruptionsskandal "Kornwalzer"
    Schon 1913 hatte Liebknecht in der Debatte über den Milliardenetat des Kriegsministeriums – die Präsenz der Armee wurde um 235.000 Mann erhöht - einen Korruptionsskandal publik gemacht: den Fall "Kornwalzer". Unter diesem Decknamen liefen bei der Firma Krupp die Aktivitäten eines Büros in Berlin, das Verbindung zu den Beschaffungsstellen von Armee und Marine hielt. – Karl Liebknecht im Reichstag:
    "Die berühmte Firma nutzt ihre Geldmacht systematisch dazu aus, um höhere und niedere preußische Beamte zum Verrat militärischer Geheimnisse zu verleiten."
    Es folgten Gerichtsverfahren, bei denen einige Beamte verurteilt wurden. Liebknecht aber kam es darauf an, die europäische Rüstungsindustrie insgesamt anzuprangern: Krupp, Schneider-Le Ceusot, Vickers-Armstrong:
    "Meine Herren (...): Das sind dieselben Kreise, die die Zwietracht der Völker zu Gold münzen. Ob sie in Deutschland oder in Frankreich sind, sie haben die gleichen Interessen."
    Die Etatdebatte vom Mai 1914 nutzte Karl Liebknecht erneut, um die internationalen Verflechtungen des militärisch-industriellen Komplexes aufzuzeigen. Nicht die von den Herrschenden als "vaterlandslos" diskreditierte Sozialdemokratie war unpatriotisch, sondern das in den Großbanken, Kartellen und Rüstungsfirmen konzentrierte Kapital. – Karl Liebknecht in den Notizen zu seiner Rede:
    "Man darf von der Krähe keinen Nachtigallenschlag erwarten; sie sind eben nichts als gewöhnliche Landsknechte, Condottieri des Profits."
    Liebknecht präsentierte im Reichstag ein reiches Detailwissen über die Verflechtung von Werften, Waffen- und Munitionsfabriken, von optischer und chemischer Industrie. Die Reichsregierung und das bürgerliche Lager kanzelten den sozialdemokratischen Warner vor Aufrüstung und Kriegsfahr als Handlanger fremder Mächte ab. – Der Zentrumsabgeordnete Matthias Erzberger am 11. Mai 1914:
    "Deutsche angesehene Parteiblätter (...) sprechen es offen aus: den ganzen Gewinn von der liebknechtschen Attacke wird die französische Rüstungsindustrie haben."
    Keine drei Monate später begann im hochgerüsteten Europa der Erste Weltkrieg. Die von Liebknecht beschworene Solidarität der friedlichen Arbeiterparteien des Kontinents ging unter im Taumel der Mobilmachungen. Selbst Liebknecht beugte sich zunächst der Parteidisziplin und billigte mit der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion die Kriegskredite. Im Dezember 1914, als über die nächste Tranche abgestimmt wurde, sagte er: Nein. Es war der Beginn der Spaltung der deutschen Arbeiterbewegung.