Donnerstag, 28. März 2024

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Karriereplanung für Promovierende
"Es ist immer gut, zu netzwerken"

Spätestens nach dem ersten Jahr sollten Promovierende sich fragen, ob sie später in der Wissenschaft oder außerhalb der Universität arbeiten wollten, sagte die Karriereberaterin Antje Schultheis im DLF. Denn für beides müsse frühzeitig der Grundstein gelegt werden.

Antje Schultheis im Gespräch mit Benedikt Schulz | 06.05.2015
    Ein Doktorhut
    Eine Vielzahl an Anforderungen stürmt auf die Promovierenden ein (dpa/picture alliance/Uni Jena)
    Benedikt Schulz: Gerade eben haben wir es noch gehört: Promovieren und an der eigenen Karriere arbeiten, das ist ziemlich schwierig, denn es fehlt die Zeit, es fehlt das Geld. Aber dennoch, damit man nicht nach der Promotion mit leeren Händen dasteht, muss man sich ja irgendwie mit dem leidigen Thema beschäftigen. Wie kann man das also hinbekommen? Darüber habe ich gesprochen mit Antje Schultheis. Sie ist Karrierecoach und meine erste Frage war: Wo liegen denn bei jungen Wissenschaftlern die größten Karrierebaustellen?
    Antje Schultheis: Die Probleme sind vielfältig. Wenn die Promovierenden den Weg in die Wissenschaft einschlagen wollen, dann müssen sie sich recht frühzeitig darum bemühen, dass sie auf verschiedenen Wegen ihr Karriereportfolio anreichern, mit zahlreichen Publikationen in einschlägigen Journals, dass sie parallel Konferenzen besuchen, dass sie selber dort Vorträge halten und nicht nur an den Konferenzen teilnehmen, dass sie netzwerken, dass sie natürlich Lehre machen, was schwierig für diejenigen ist, die mit einem Stipendium und nicht in einem universitären Kontext promovieren. Dann müssen sei auch möglichst parallel am Ende ihrer Promotion oder in einer Postdoc-Phase Gremienarbeit machen. Und das alles sind sehr vielfältige Anforderungen, die dann natürlich noch verschärft werden, wenn sie in der Postdoc-Phase sind und dann sich eigene Finanzierungsmöglichkeiten für ein Habilitationsprojekt suchen müssen.
    Schulz: Das klingt nach ziemlich viel, wie soll man das schaffen?
    Schultheis: Na ja, man muss sich einfach gut strukturieren und immer wieder fragen, wofür macht man das? Wenn man eine hohe Motivation hat, dann lässt sich das irgendwie einrichten, aber man lässt auf jeden Fall Federn. Ich sage oft, eine Promotion ist eine selbst verschuldete Lebenskrise, aus der man aber gestärkt hervorgeht, wenn man sie dann überlebt hat. Und dann kann man sie sehr, sehr gut verwerten, sowohl in der Wissenschaft als auch außerhalb der Wissenschaft. Und daher muss man sich immer wieder - und dazu sind Beratungen und Coachings gut - sich nach seiner Motivation und seinen Zielen fragen. Die Frage ist nur, wie Sie richtig sagen: Wann?
    Schulz: Wo kann man sich denn noch an den Hochschulen Hilfe holen, um die Karriere in Gang zu bringen?
    Schultheis: Das Gute ist, dass in letzter Zeit die Career Centers der Universität nachlegen, dass die Promotionskolloquien, die es verstärkt gibt, schon ab dem ersten Jahr parallel kollegiale oder individuelle Beratungsangebote schaffen, Seminare, um Schlüsselqualifikationen weiter zu erhalten, jenseits der Promotion. So was wie Moderation, Akquise, Rhetorik und natürlich auch die individuelle Beratung. Und die gibt es teilweise innerhalb dieser Promotionsprogramme. Aber wenn man ganz freischwebend promoviert, ist das natürlich schwieriger, sich diese Beratungsangebote zu holen.
    Schulz: Sie haben gerade gesagt, man muss sich frühzeitig darum kümmern. Ist das Ihre Erfahrung, machen das die meisten Doktoranden?
    Schultheis: Ja, so wie Sie vorher auch beschrieben haben, es ist ja einfach eine Vielzahl an Anforderungen, die auf die Promovierenden einstürmt. Und es ist auch gut, am Anfang diese Freiheit zu nutzen, und diese Lust, intellektuell zu arbeiten. Und da sollte man sich auch nicht gleich gängeln mit einem Karriereplan. Aber wenn das erste Jahr rum ist, wäre es gut sich zu fragen, in welche Richtung soll das Ganze gehen: Soll das eine wissenschaftliche Karriere werden oder will man sich außerhalb der Universität orientieren. Und gerade für das außerhalb der Universität ist es ganz wichtig, dass man eben auch außerhalb der Universität berufliche Erfahrung sammelt, Praktika macht und dass man weitere Schlüsselqualifikationen erwirbt. Wenn man aber den wissenschaftlichen Weg einschlagen will, da muss man ganz frühzeitig schauen, dass man eben publiziert, dass man auf diese Konferenzen geht, dass man fachliche Netzwerke sich sucht, wo man sich über seine theoretisch-konzeptionellen Ansätze austauscht und auch schaut, welche Trends gibt es in der Wissenschaftslandschaft.
    Schulz: Wie baue ich mir am besten ein Netzwerk auf, wenn man das so pauschal überhaupt beantworten kann?
    Schultheis: Viele denken bei Netzwerken ja mittlerweile an Social Media und virtuelle Netzwerke. Das kann ein Pfeiler sein. Und da gibt es auch ganz einschlägige in der Wissenschaft, das ist zum Beispiel Research Gate oder Academia, wo geschaut wird, wie oft derjenige in einschlägigen Journals publiziert hat und wie oft er auch selber zitiert wurde. Da schon gleich eine sehr wettbewerbsorientierte Darstellung, aber auch ein sehr schöner fachlicher Austausch. Dann sind die fachlichen Live-Netzwerke sehr wichtig, wo man sich innerhalb seiner Disziplin, seines Faches austauscht, thematisch zu seinem Promotionsthema, aber auch zu dem, was man langfristig beforschen möchte. Das findet in Arbeitsgruppen statt, die man selber gründet, oder auf Tagungen, auf Fachkonferenzen, wo man sich möglichst dann auch mit Vorträgen darstellt, dass man dann daraus natürlich gut ins Gespräch kommt. Es ist immer gut, zu netzwerken mit etwas in der Hand. Denn netzwerken heißt erst mal geben und investieren und nicht mit der Hand aufhaltend zu erwarten, dass einem da jemand etwas schenkt.
    Schulz: Antje Schultheis, Karriereberaterin aus Bonn. Ganz herzlichen Dank für das Gespräch!
    Schultheis: Danke auch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.