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Kartenzahlung in der anglikanischen Kirche
Der bargeldlose Klingelbeutel

Nur Bares ist Wahres? In Großbritannien gilt das nicht mehr. Vor allem junge Briten haben statt Scheinen und Münzen oftmals nur noch eine Kreditkarte im Portemonnaie. Das hat auch die anglikanische Kirche zu spüren bekommen - es landete weniger Cash im Klingelbeutel. Das soll sich jetzt ändern.

Von Ada von der Decken | 05.04.2018
    Die St John's Kirche Hoxton in London beim bargeldlosen Spenden ein Vorreiter. Bald soll das in 18.000 anglikanischen Kirchen und Kathdralen möglich sein.
    Die St John's Kirche Hoxton in London ist beim bargeldlosen Spenden ein Vorreiter. Bald soll das in 18.000 anglikanischen Kirchen und Kathdralen möglich sein (Deutschlandradio/ Ada von der Decken)
    Großbritannien gilt als Vorreiter des bargeldlosen Bezahlens. Zunehmend verbreitet sind Geldkarten, die "kontaktlos" funktionieren. Keine Pin, kein Einstecken in ein Kartenterminal nötig: Für Beträge unter 35 Euro hält der Kunde die Karte nur an das Lesegerät: Ein "Piep" bestätigt die Bezahlung.
    Die Karte hat im vergangenen Jahr das Bargeld als Hauptzahlungsmittel abgelöst, meldet der britische Einzelhandelsverband BRC. Vorbei das umständliche Kramen nach Münzen und Scheinen. Für die Geschäfte ist es ein Segen, weil an den Kassen alles schneller geht. Für die Kirchen wird es zum Problem. Immer weniger Menschen haben überhaupt Bargeld im Portemonnaie. Damit landet auch weniger Cash im Klingelbeutel.
    "Ja, wir haben bemerkt, dass insbesondere junge Leute ziemlich perplex waren, dass sie nicht einfach mit ihrer kontaktlosen Geldkarte bezahlen konnten."
    Mark Arena
    Mark Arena von der "Church of England" sagt, dass der Testlauf erfolgreich war (Deutschlandradio/ Ada von der Decken)
    Mark Arena von der "Church of England". Deren Hauptsitz liegt im Schatten der Krönungskirche Westminster Abbey im Herzen Londons. Busse, drängelnde Taxen, Touristen aus aller Welt - geschäftiger kann es in der Nachbarschaft kaum zugehen.
    Mark Arena: "Junge Leute tragen kein Bargeld mit sich herum, sie stellen keine Schecks aus. Also brauchen auch wir eine neue Bezahlform. Vor allem, wenn es um Taufen, Hochzeiten geht - oder wenn wir unsere Räume vermieten. Wer mit uns zu tun hat, soll Spenden oder Gebühren auf eine zeitgemäße Art entrichten können."
    "Das ist im Grunde ganz praktisch"
    Sechs Monate lang habe man die Kartenzahlung in etwa 60 Kirchen und 30 Kathedralen erprobt. Das Lesegerät für die Kollekte herumzureichen, erwies sich als schwierig: Es verlangsamte das Geldsammeln, die Kirchgänger waren irritiert. Und man stieß auf ein weiteres Problem:
    "Viele unserer Gebäude sind natürlich sehr alt, sie haben ein Steinfundament und Steinwände. Auch wegen der Säulen ist die Funkverbindung innerhalb der Gebäude mal gut, mal schlecht: je nachdem, in welchem Teil des Gebäudes man sich aufhält", sagt Mark Arena.
    Dennoch: Insgesamt habe es positive Rückmeldungen auf den Probelauf gegeben. Künftig sollen alle 16.000 Kirchen und Kathedralen Kartenzahlungen annehmen.
    "Also das ist im Grunde ganz praktisch: Man wählt einfach die Summe aus, die man überweisen will, und dann hält man die Karte einfach ran und zwei Sekunden später hat man halt Geld gespendet für die Kirche", sagt ein Kirchgänger.[*] Das Kartenlesegerät mit Tablet fällt auf. Es steht in der Kirche am Eingang. Der 29-Jährige spendet darüber zehn Prozent seines Gehalts an die Kirche St John's in Hoxton. Er ist in Mannheim aufgewachsen. Seit drei Jahren lebt er in London. Auch Harrison Neenwi spendet jeden Sonntag per Karte:
    "Es ist eine bargeldlose Gesellschaft. Es ist wirklich gut, kein Geld mit sich herumzutragen. Ich gehe einfach zu dem Lesegerät, benutze meine Karte und das war's. Erledigt. "
    Spenden haben sich erhöht
    Graham Hunter, der Pastor dieser Gemeinde, hat die neue Bezahlart bereits vor anderthalb Jahren eingeführt. Die meisten Spenden kommen noch per Dauerauftrag. Aber etwas hat sich verändert.
    "Ich würde sagen, dass eine Verschiebung stattgefunden hat. Etwa 80 Prozent der Gelegenheitsspenden landen nicht mehr bar im Spendenkorb, sondern kommen jetzt über das kontaktlose Bezahlsystem. Also wir müssen nur noch sehr wenig Bargeld am Montagmorgen auszählen."
    Graham Hunter
    Graham Hunter ist Pastor in der Gemeinde St John's Hoxton. Neue Techniken setzt er gerne ein (Deutschlandradio/ Ada von der Decken)
    Es passt zu dieser modernen Kirchengemeinde: Twitter, Facebook, Instagram, St. John's ist in allen großen sozialen Netzwerken vertreten. Die Kirchenbänke sind aus ihrer starren Anordnung gelöst. Sie stehen im Halbkreis um eine von roten Scheinwerfern erleuchtete Bühne: Darauf spielt die Band. Der Pastor begleitet mit der E-Gitarre, die Texte werden auf Leinwände projiziert. Die Termine der Gemeinde werden am Ende des Gottesdienstes als Videobotschaft eingespielt - produziert von Gemeindemitgliedern. Hier werden neue Techniken werden hier ganz selbstverständlich eingebunden. Im Falle der Kartenzahlung lohnt sich das auch finanziell.
    "Wir bekommen mehr Spenden, seit wir auf diese Technik setzen", sagt Hunter. "Leute, die sonst vielleicht etwas Kleingeld gespendet hätten, denken sich jetzt vielleicht, dass sie mit der Karte etwas großzügiger sein können. Und die geben dann vielleicht auch mal fünf, zehn oder zwanzig Pfund."

    [*] Anmerkung der Redaktion: Hier wurde ein Name anonymisiert.