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Kasachstan
In der Umarmung des russischen Bären

Zusammen mit Russland und Weißrussland begründet Kasachstan die Eurasische Währungsunion mit einer Wirtschaftsleistung von zwei Billionen US-Dollar. Doch das Vorgehen Russlands in der Ukraine-Krise wird dort argwöhnisch verfolgt - viele sehen nämlich die Union als ein Instrument des neuen russischen Imperialismus'.

Von Edda Schlager und Vanja Budde | 05.10.2014
    Das Wahrzeichen von Astana, der kasachischen Hauptstadt: der Bajterek-Turm
    Das Wahrzeichen von Astana, der kasachischen Hauptstadt: der Bajterek-Turm (picture-alliance / dpa / Marius Becker)
    Ende August, rund 400 Kilometer nordwestlich von Moskau. Der russische Präsident Wladimir Putin ist wieder einmal auf Charmeoffensive unterwegs in seinem Riesenreich. Diesmal am Seligersee, wo die Putin-treue Jugendbewegung "Naschi" – zu Deutsch "die Unsrigen" – wie jedes Jahr ein Forum abhält. Zwei Stunden lang stellt sich Putin den Fragen von Studenten aus ganz Russland, leger in Strickjacke und wie immer breitbeinig vor dem Publikum sitzend. Eine junge Frau fragt nach Putins Plänen für Kasachstan: Sie sei beunruhigt über antirussische Tendenzen beim südlichen Nachbarn.
    - "Können wir ein ukrainisches Szenarios erwarten in dem Fall, dass Herr Nasarbajew seinen Posten als Präsident räumt? Gibt es dafür eine Strategie? Wir würden gerne den Anschluss vorschlagen, wenn das möglich ist. Und welche Perspektiven sehen Sie für die eurasische Integration?"
    Putins - in Komplimente an den kasachischen Amtskollegen verpackte Antwort - schlug hohe Wellen in Kasachstan:
    "Kasachstan, das ist der uns am nächsten stehende strategische Verbündete und Partner. Sie wissen, dass Nasarbajew ein sehr kompetenter Führer ist. Ich denke, im postsowjetischen Raum der kompetenteste. Er hat einen Staat aufgebaut, wo es vorher nie einen Staat gab. Die Kasachen hatten nie eine Staatlichkeit. Er hat sie geschaffen. Und da ist diese Idee eines eurasischen Raumes. Die Kasachen haben verstanden, dass dieser für sie von Vorteil ist, für die Entwicklung der Wirtschaft und um in der sogenannten großen russischen Welt zu bleiben, als Teil der Weltzivilisation."
    Angst vor Machtanspruch Russlands an Kasachstan
    Die Kasachen ohne eigene Staatlichkeit? Kasachstan als Teil der großen russischen Welt? Viele Kasachen empfanden Putins Antwort nicht nur als herablassend gegenüber dem modernen Kasachstan, sie verstanden die Äußerungen als deutlichen Machtanspruch Russlands.
    Dabei hatte das freundschaftliche Bündnis zwischen Kasachstan und Russland erst kurz zuvor eine neue Qualitätsstufe erreicht. Am 29. Mai unterzeichneten die Präsidenten von Kasachstan, Weißrussland und Russland in der kasachischen Hauptstadt Astana den Vertrag zur Gründung der Eurasischen Wirtschaftsunion. Eine – Zitat - "Sensation mit globaler Bedeutung", jubelten russische Staatsmedien.
    Tausend Seiten ist der Gründungsvertrag dick. Am 1. Januar 2015 soll die Eurasische Wirtschaftsunion in Kraft treten. Sie repräsentiert dann 170 Millionen Einwohner und eine gemeinsame Wirtschaftsleistung von rund zwei Billionen US-Dollar. Und ein riesiges Territorium: Kasachstan ist das neuntgrößten Land der Erde, erstreckt sich im Zentrum des eurasischen Kontinents fast 3.000 Kilometer weit östlich des Ural.
    Kasachstan ist der wichtigste Verbündete Russlands. Schon 2010 hatten die beiden Länder gemeinsam mit Weißrussland die Zollunion gegründet. In den vergangenen Jahren waren dadurch Handelsschranken zwischen den drei Ländern kontinuierlich abgebaut, die Binnenmärkte nach außen abgeschottet worden. Dieser enge Schulterschluss mit Russland stieß bei vielen in Kasachstan auf große Zustimmung. Denn Wladimir Putin hat glühende Anhänger in Kasachstan. Auf der Baracholka, am Stadtrand von Almaty, mit knapp zwei Millionen Einwohnern die größte Stadt des Steppenlandes, handelt die Mittvierzigerin Rosa mit Lederjacken und Pelzmänteln. Sie hat zwar einen kasachischen Pass, doch sie fühlt sich als Russin.
    Weißrusslands Präsident Lukaschenko, Kasachstans Präsident Nasarbajew und der russische Präsident Putin legen ihre Hände übereinander.
    Von links nach rechts: Weißrusslands Präsident Lukaschenko, Kasachstans Präsident Nasarbajew und der russische Präsident Putin. (Mikhail Klimentyev / Ria Novosti, dpa picture-alliance)
    "Wir unterstützen Putin sehr! Weil wir darauf hoffen, dass wir irgendwann wieder in die Sowjetunion zurückkehren. Unsere Koalition, diese Allianz zwischen Belarussen, Kasachen und Russen – wir hoffen, dass wir wieder aufgenommen werden, dass unsere Kinder nach Moskau gehen können, dort ohne Umstände Arbeit finden, dass ihre Universitätsdiplome dort gültig sind. Davon träumen wir nachts."
    In einem Seitengang des Basars bietet Malik Mobiltelefone und Zubehör aus China feil. Malik ist Dungane, Angehöriger einer chinesischen Minderheit. Anders als Rosa sieht Malik die Eurasische Wirtschaftsunion skeptisch:
    "Denen, die hier große Firmen oder Läden haben, die mit großen Lkw hin- und herfahren, denen wird es vielleicht besser gehen. Aber für uns wird sich nichts ändern. Vielleicht wird es dem Staat besser gehen, den Betrieben, aber uns Kleinen hier sicher nicht."
    100 Ethnien in Kasachstan
    Die Dunganen sind nur eine der mehr als 100 Ethnien, die in Kasachstan zusammen leben. Der Vielvölkerstaat ist eine Folge der Politik Stalins, der einst Hunderttausende von missliebigen Deutschen, Ukrainern, Koreanern oder Tataren in Gulags in den weiten Steppen deportieren ließ. Zu Sowjetzeiten gaben die Russen, damals noch zwei Drittel der Bevölkerung, den Ton an. Doch nach der Unabhängigkeit Kasachstans im Jahr 1991 sind viele Russen ausgewandert. Heute machen ethnische Kasachen zwei Drittel der Bevölkerung aus, Russen sind mit im Landesdurchschnitt 21,5 Prozent Bevölkerungsanteil die größte Minderheit.
    Doch in den Nordprovinzen Kasachstans, entlang der Grenze zu Russland, stellen sie immer noch die Mehrheit der Bevölkerung. Vor allem hier fürchtet man deshalb Übergriffe Putins, ähnlich wie auf der Krim und in der Ost-Ukraine. In Uralsk im Nordwesten Kasachstans: Hier gibt die ethnische Kasachin Tamara Jeslyamova eine regierungskritische Zeitung heraus.
    "Kasachstan ist ein kleines Land mit einer unterentwickelten Wirtschaft, mit einer unterentwickelten Zivilgesellschaft. Das riesige Russland mit seiner Energie kann uns einfach ausnutzen, kann seine Waren hier abwerfen, das Geld abpumpen, das dann der russischen Wirtschaft zugute kommt. Es ist eine ungleiche Union."
    Tamara Jeslyamova fürchtet nicht erst seit dem Bürgerkrieg in der Ukraine die von Präsident Putin forcierte eurasische Integration als ein Instrument des neuen russischen Imperialismus. Russlands Vorgehen in der Ukraine habe die Diskussion über die Eurasische Wirtschaftsunion massiv angeheizt, erklärt Tamaras Chefredakteur Lukpan Akhmedyarov:
    "Putin wird in Kasachstan von ungefähr 60 Prozent der Bevölkerung unterstützt. Zunächst sind das ungefähr 90 Prozent der russischsprachigen Bevölkerung. Unter der kasachisch-sprachigen Bevölkerung wird Putin hauptsächlich von den älteren Generationen unterstützt, die noch in der Sowjetunion aufgewachsen sind. Der Grund dafür ist, dass wir im Einflussbereich der russischen Medien sind. Der Informationskrieg um den russisch-ukrainischen Konflikt wurde auch bei uns ausgetragen."
    Union macht Handel für deutsche Unternehmen schwieriger
    In der Steppe rund um die boomende Erdölstadt Atyrau am Kaspischen Meer zeigt sich, warum Kasachstan für Russland ein interessanter Partner ist: Nicht nur ist es derzeit das wirtschaftlich und politisch stabilste Land in Zentralasien, sondern es lagern hier auch große Vorkommen an Öl und Erdgas. Hunderte Bohrtürme und quietschende Pumpen bringen das schwarze Gold an die Oberfläche. Die meisten Pipelines gehören Gazprom und führen zum großen Nachbarn Russland.
    Das Kashagan-Ölfeld in der Nähe von Atyrau in Kasachstan.
    Das Kashagan-Ölfeld in der Nähe von Atyrau in Kasachstan. (AFP / Pool / Leon Neal)
    Der deutsche Honorarkonsul Peter Krieger fährt durch die staubige Steppe, das Geschäft ruft. Peter Krieger stammt ursprünglich aus Mecklenburg-Vorpommern, doch seit 20 Jahren arbeitet er für Firmen, die der kasachischen Ölindustrie Ersatzteile liefern. Moskau hat durchgesetzt, dass die Eurasische Wirtschaftsunion ab 2025 einen gemeinsamen Markt für Öl und Gas etabliert. Ob die Geschäfte für westliche Unternehmer dann einfacher werden? Peter Kriegers Erfahrungen mit der Zollunion lassen es bezweifeln:
    "Wir leiden hier als Ausländer darunter, dass die Zollunion es schwieriger gemacht hat, Armaturen, die es im Land noch nicht gibt, zu importieren. Das ist komplizierter geworden, aufwändiger. Und im Ölfeld oder im Ölbusiness ist Zeit der allerwichtigste Faktor. Denn jeder Tag, an dem nicht gefördert werden kann, der kostet Geld."
    Dutzende Reglements sind mit der Zollunion inkraft getreten. Sie hätten aber nicht dazu geführt, dass hier internationale Import-Standards gelten, klagt Krieger.
    "Ich habe einige Freunde, die namhafte deutsche und weltweit tätige Transportunternehmen zum Beispiel vertreten. Aber auch für die ist es schwieriger geworden. Früher konnten die per Handschlag besiegeln, dass die Sachen von Europa oder von wo immer in der Welt nach einem Monat hier sind – im Feld, wo sie gebraucht werden. So. Jetzt schaffen sie es nach einem Monat im besten Falle in den Zoll und dann geht die Bürokratie los, weil der Papierberg, den es zu besorgen gilt, stetig anwächst."
    Wirtschaftsunion beschert Kasachstan Nachteile
    Russland ist neben China der wichtigste Wirtschaftspartner Kasachstans. Das Binnenland ist vor allem von russischen Importen abhängig, 2013 im Wert von knapp 18 Milliarden US-Dollar. Und die russischen Direktinvestitionen in Kasachstan sind in den letzten drei Jahren kontinuierlich gestiegen, von rund einer Milliarde Dollar im Jahr 2011 auf 1,3 Milliarden im Jahr 2013.
    Doch tatsächlich hat der Wirtschaftsverbund mit Russland Kasachstan bisher zahlreiche Probleme beschert: Kleidung, Lebensmittel und Autos sind teurer geworden, weil die kasachischen Einfuhrzölle an die höheren, russischen angeglichen wurden. Und die Sanktionsspirale zwischen Russland und dem Westen könnte auch für Kasachstan Konsequenzen haben. Galia Shunusalieva von der deutschen Auslandshandelskammer in Almaty:
    "Natürlich gibt es auch auf der kasachischen Seite Befürchtungen, zum Beispiel wird immer über die Sanktionen von der europäischen Seite geredet, von der USA-Seite und so weiter. Und von den kasachischen Unternehmen habe ich gehört: Wenn wir jetzt hier in der Zollunion sind oder in der Eurasischen Wirtschaftsunion, werden diese Sanktionen auch uns betreffen, oder nicht betreffen?"
    Hoffnungen Kasachstans, von den russischen Importstopps für westliche Produkte gar zu profitieren und die Lücke durch eigene Exporte nach Russland zu schließen, sind unrealistisch. Kasachstan hat kaum Exportkapazitäten bei Lebensmitteln. Außerdem ist der Handel Kasachstans mit Russland und Weißrussland bis Juli dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um ein Fünftel eingebrochen. Der Grund, laut dem kasachischen Statistikamt: Produkte aus Kasachstan werden in Russland nicht nachgefragt.
    Die größte Angst Kasachstans in Bezug auf die Eurasische Wirtschaftsunion besteht aber darin, von Russland auch politisch über den Tisch gezogen zu werden:
    "Experten, Politiker, Bürger und Aktivisten - wir alle glauben, dass dieses Abkommen der erste Schritt ist Richtung Verlust der Unabhängigkeit ist."
    Ukraine ein Präzedenzfall auch für Kasachstan?
    Zhanna Beytelova arbeitet für die NGO "Adil Soz", "Freies Wort", eine Organisation, die sich für Meinungsfreiheit einsetzt. Die Politikwissenschaftlerin drückt aus, was viele Kasachen fürchten: Dass Russlands Vorgehen in der Ukraine sich als Präzedenzfall auch für ihr Land entpuppen wird.
    "Seit der Annexion der Krim fordert zum Beispiel dieser russische Rechtsextremist Schirinowski, dass Kasachstan ein zentralasiatisches Verwaltungsgebiet werden soll, das zu Russland gehört!"
    Der kasachische Präsident Nasarbajew betont immer wieder, dass die Eurasische Wirtschaftsunion ausschließlich der ökonomischen Zusammenarbeit im postsowjetischen Raum diene, keinesfalls aber politischen Zwecken. Doch auch er hegt angesichts des aggressiven Vorgehens Russlands in der Ukraine offensichtlich Misstrauen gegenüber dem großen Bruder.
    Nachdem die Ukraine-Krise im Sommer eskalierte, richtete Nasarbajew in einem Interview mit dem staatlichen kasachischen Fernsehsender Khabar eine unerwartete, aber deutliche Warnung an Russland. Die Eurasische Wirtschaftsunion sei für Kasachstan keine Verpflichtung für alle Zeiten:
    "Falls die vertraglich vereinbarten Regeln nicht eingehalten werden, behält sich Kasachstan das Recht vor, auf die Mitgliedschaft in der Eurasischen Union zu verzichten. Astana wird sich nie an einer Organisation beteiligen, die für die Unabhängigkeit Kasachstans gefährlich ist."
    Russlands Präsident Putin will mit der Eurasischen Wirtschaftsunion nicht nur eine einheitliche Freihandelszone schaffen, mit gemeinsamem Außenzoll und freiem Verkehr von Waren, Kapital, Arbeit und Dienstleistungen. Nach dem Willen Moskaus sollen sich Armenien und Kirgistan der Union schnell anschließen. Danach könnte Tadschikistan an der Reihe sein.
    Putin habe ganz klar politische Ziele im Auge, sagt Dossym Satpayev. Der renommierte Politologe ist Direktor der NGO "Risk Assesment Group" in Almaty.
    "Putin versucht jetzt, das Herzstück für einen Staatenbund zu schaffen, in dem Russland die Hauptrolle spielen soll. Das ist keine neue Sowjetunion, sondern eine regionale Allianz, in der Russland die anderen Beteiligten in ihrer Möglichkeit beschneiden wird, ihre Beziehungen zu weiteren Konkurrenten Russlands im postsowjetischen Raum zu pflegen."
    Bisher kann sich Kasachstan der Umarmung durch den russischen Bären noch ganz gut erwehren. So wurde der Gründungsvertrag für die Eurasische Wirtschaftsunion viel schneller unterzeichnet als ursprünglich geplant. Offensichtlich wollte sich Putin den Verbündeten Kasachstan sichern, als die Ukraine als potenzieller Mitstreiter ausfiel. Astana hatte so eine strategisch günstige Verhandlungsposition und setzte durch, dass der Gründungsvertrag stark eingedampft wurde, meint Peer Teschendorf. Er leitet das Büro der Friedrich Ebert-Stiftung am Stadtrand von Almaty.
    "Der Vertrag, der unterzeichnet wurde, sah vor zwei Monaten deutlich anders aus. Man hat die gemeinsame Staatsbürgerschaft rausgenommen. Man hat Migrationsfragen rausgenommen und so weiter. Das hat man noch mal sehr resolut nachverhandelt, um das rauszubekommen. Man hat da schon verstanden, dass man Russland durchaus sagen muss: Man ist ein eigener Staat und will das auch auf alle Fälle bleiben."
    Der kasachische Präsident Nursultan Nasarbajew während einer Sitzung des Eurasischen Wirtschaftsrates in Astana am 29. Mai 2014.
    Kasachstans Präsident Nursultan Nasarbajew (picture alliance / dpa / Sergey Guneev / RIA Novosti)
    Auch von einer gemeinsamen Währung in der Eurasischen Wirtschaftsunion ist zurzeit keine Rede mehr. Und Kasachstan betont, dass es keineswegs allein auf Russland setzt. Es sei auch an guten Beziehungen zum Westen und zu China interessiert. Tatsächlich gelingt Kasachstan ganz offensichtlich bislang der Balanceakt, akzeptierter, sogar notwendiger Partner Russlands zu sein, aber seine eigenen Interessen zu wahren. Ein Szenario wie in der Ukraine, in der ein Referendum der russischen Bevölkerung das Einschreiten Russlands auslöste, scheint derzeit unwahrscheinlich, so Peer Teschendorf von der Friedrich- Ebert-Stiftung:
    "Also ich sehe nicht, dass es irgendwelche separatistischen Tendenzen gibt. Ich glaube, es ist eine natürliche Absicherung, dass man sich einen Zweitpass besorgt. Man weiß tatsächlich nie, was passiert. Aber sie verstehen sehr wohl, dass es ihnen in einem unabhängigen Kasachstan besser geht, als wenn sie zu Russland, zu einem Teil von Russland dazugehören, also zu einem großen Staat."
    Der kasachische Politologe Dossym Satpayev aber warnt davor, dass sich die Situation jederzeit ändern kann.
    "Derzeit ist Kasachstan, in Bezug auf ethnische Konflikte, mehr oder weniger stabil. Selbst die Eurasische Union hat daran nichts geändert, das ist ein großes Plus. Aber falls man die politische Karte zu spielen beginnt, dann könnte das gleiche wie in der Ukraine passieren. Wenn der Staat von innen heraus geschwächt wird, schalten sich äußere Mitspieler ein. Und an der Zerteilung Kasachstans könnten dann außer Russland noch ganz andere Länder beteiligt sein."
    Nachfolge Nasarbajews ist nicht geregelt
    Die größte Schwachstelle sehen Experten in der Frage nach Nasarbajews Nachfolge. Bisher ist völlig unklar, wer den 74-Jährigen beerben soll. Eine Opposition gibt es in Kasachstan nicht, sie wird seit Jahren unterdrückt. Doch auch ein politischer Zögling des Präsidenten ist nicht in Sicht.
    "Von daher zeigt sich die richtige Weisheit Nasarbajews jetzt darin, wie er den Übergang organisiert und ob er einen Übergang organisiert, hin zu einem stärker demokratisch geprägten Modell. Er sagt ja immer, Demokratie ist das Ende des Entwicklungsweges, nicht der Anfang. Wir würden das aus westlicher Sicht natürlich negieren, das ist klar. Denn aus der Position der Macht heraus Macht abzugeben, fällt niemandem leicht. Selbst in einem demokratischen System ist das für viele nicht immer ganz einfach. Von daher wird das jetzt eigentlich die spannende Frage: Schafft er es, sein Erbe zu retten und in eine neue Form zu übertragen, die das Land für die Zukunft fit macht?"
    Wenn es Kasachstan gelingt, die innenpolitischen Unsicherheiten möglichst bald konstruktiv zu lösen und gleichzeitig nach außen einen eigenen, von Russland unabhängigen Weg des politischen Ausgleichs zu entwickeln, könnte Kasachstan vielleicht sogar zu einem Stabilitätsfaktor innerhalb des postsowjetischen Raums werden.