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Katalanische Kampfansage

Die Autonomiebestrebungen der spanischen Region Katalonien gehen in die nächste Runde: Ministerpräsident Artur Mas hat Neuwahlen ausgerufen, auch weil er Spaniens Umgang mit katalanischen Steuergeldern missbilligt. Wahlen kommen dem Katalanen gerade recht - um von eigenen Defiziten abzulenken.

Von Hans-Günter Kellner | 23.11.2012
    Nur 13.000 Menschen leben hier, aber neben der großen romanischen Kathedrale gibt es auch ein modernes Sportzentrum. La Seu d'Urgell ist ein kleines Städtchen in den katalanischen Pyrenäen. Selbst beim Basketballturnier geht es nur noch um eines: die katalanische Unabhängigkeit. Dieser Mann sagt, dafür gebe es gute Gründe:

    "Wir sind es leid, ausgeraubt zu werden. Jetzt machen diese Spanier den Leuten Angst. Sie verschaukeln uns."

    Über die Politik der Regionalregierung in Barcelona, etwa über die harten Kürzungen der Sozialausgaben, werde in diesen Tagen kaum mehr geredet, kritisiert hingegen dieser junge Basketballspieler:

    "Die Politiker nutzen diese Euphorie der Leute aus, die über die Unabhängigkeit abstimmen wollen. Das Selbstbestimmungsrecht ist wichtig. Aber die Politiker haben damit eine Nebelkerze geworfen. So können sie über Unabhängigkeit sprechen statt über die Kürzungen."

    Unter dem Jubel seiner Anhänger, umgeben von wehenden Fahnen und begleitet von stürmischen Rufen nach "independència" - Unabhängigkeit - zieht später der Regierungschef der katalanischen Regionalregierung, Artur Mas, in die neue Mehrzweckhalle von La Seu d'Urgell ein. Den anderen Verantwortlichen seiner "Partei der Demokratischen Konvergenz", scheint das ein bisschen peinlich zu sein, schnell wird die Musik im Saal noch ein wenig lauter gedreht. Mas verwendet den Begriff "Unabhängigkeit" kein einziges Mal, trotzdem lässt er an seiner Haltung keinen Zweifel:

    "Wir wollen uns in den Dienst dieses Volkes stellen. Hier ist ein Volk in Bewegung, ein Volk, das nach vielen Jahrzehnten gebrochener Versprechen müde ist, das jetzt frei über seine Zukunft entscheiden will. Weil es weiß, dass es ihm dann besser gehen wird."

    Er wolle die Katalanen nichts ins gelobte Land führen, sagt Mas und distanziert sich damit von der eigenen Wahlkampfstrategie. Auf den Plakaten seiner Partei steht er mit ausgebreiteten Armen in einem Fahnenmeer - wie Charlton Heston als Moses, der in dem Monumentalfilm "Die zehn Gebote" das Rote Meer teilt, spotten seine Gegner. Sie sprechen von Personenkult. Doch Artur Mas ist sich seines Sieges sicher:

    "Dieser Moment ist außergewöhnlich. Wenn der Moment und die notwendigen Entscheidungen außergewöhnlich sind, brauchen wir auch außergewöhnliche Mehrheiten. Wir brauchen eine außergewöhnliche Mehrheit, damit in der Wahlnacht Madrid, Brüssel und der Rest der Welt wissen: Hier ist ein Präsident, den die breite Mehrheit seines Volkes unterstützt, um diesen schweren Weg zu gehen."

    Während es für Mas den Umfragen zufolge nur noch um die Höhe seines Wahlsieges geht, kämpft sein sozialistischer Gegner Pere Navarro einige Kilometer weiter in der Provinzhauptstadt Lleida um das politische Überleben seiner Partei:

    "Welche Probleme haben wir denn heute? Die Wirtschaft muss wiederbelebt werden. Wir brauchen eine gerechte Steuerpolitik. Das einzige Wahlversprechen, das Artur Mas gehalten hat, war, die Steuern für die Reichen zu senken. Und auf der anderen Seite kürzt er die Sozialleistungen. Die Arbeiter dieses Landes haben die Last der Krise zu tragen. Wir fordern: Wer mehr hat, soll auch einen größeren Beitrag leisten."

    Doch nach einigen Umfragen werden die Sozialisten nur noch viertstärkste Partei werden. Dabei hatten sie Katalonien bis 2010 regiert. Es ist schwer, in diesem Wahlkampf mit anderen Themen zu punkten als mit der Unabhängigkeit, sagt Angel Ros, Bürgermeister von Lleida und Spitzenkandidat in der Provinz bei diesen Wahlen:

    "Regierungschef Mas hat sich taktisch sehr geschickt verhalten. Er bestimmt die politische Agenda und hat die Wirtschaftsthemen durch Fragen zur nationalen Identität und Unabhängigkeit ersetzt. Es ist sehr schwer geworden, soziale und wirtschaftliche Themen anzusprechen. Dabei kann man die nationale Entwicklung eigentlich nicht von den wirtschaftlichen Themen trennen."

    Zumal sich die katalanischen Sozialisten in der Frage der Unabhängigkeit nicht einig sind. Offiziell ist die Partei dagegen. Doch an der Basis sind auch andere Meinungen zu hören. So meinte am Ende der Wahlkampfveranstaltung dieser Mann:

    "Es sieht schlecht aus. Jetzt geht es erst mal darum, nicht unterzugehen. Ich bin grundsätzlich für die Unabhängigkeit. Nur ist das jetzt kein guter Moment. Dafür haben wir kein Geld."