Leverkusener Autobahnbrücke

Chaos rund um die Uhr

Ein Lkw fährt am 26.11.2014 in Leverkusen (Nordrhein-Westfalen) über die Autobahnbrücke der A1
Die Leverkusener Autobahnbrücke ist für Lkw gesperrt. Viele Fahrer halten sich jedoch nicht an das Verbot. © picture alliance / dpa / Oliver Berg
Von Vivien Leue · 06.12.2017
Das Rheinland ist Deutschlands Logistikstandort Nummer 1. Für die Straßen in NRW führt das zu einer Dauerbelastung mit teils fatalen Folgen: Weil die Leverkusener Autobahnbrücke einsturzgefährdet ist, müssen Pendler und Lastwagen noch viele Jahre Staus und Umwege erdulden.
Mittwochmorgen, kurz vor acht, auf dem Mitarbeiterparkplatz von Ford in Köln. Mehr als 18.000 Menschen arbeiten hier – ein Großteil von ihnen pendelt mit dem Auto zur Arbeit, und steht fast jeden Morgen im Stau.
"Es ist eigentlich rund um die Uhr komplettes Chaos."
Das Ford-Werk liegt direkt an der A1, hinter der Leverkusener Brücke. Gut angebunden, möchte man meinen. Doch was einmal ein Vorteil war, ist seit einigen Jahren zum Nachteil geworden. Denn die Brücke ist marode. Wegen großer Risse im Beton dürfen Lastwagen schon seit 2012 nicht mehr darüber fahren – und dennoch haben es einige weiter versucht, und regelmäßig für Chaos gesorgt.
"Vorsicht auf der A1, Köln Dortmund, fährt auf der Leverkusener Brücke ein Lkw rückwärts … Achtung, auf der A1, Köln Dortmund, fährt auf der Leverkusener Brücke ein Lkw rückwärts… Achtung bitte, auf der A1, Dortmund Köln, da fahren auf der Leverkusener Brücke gleich mehrere Lkw rückwärts."
Seit gut einem Jahr sorgen nun Schranken auf der Zufahrt zur Brücke dafür, dass auch wirklich kein Lkw mehr auf das einsturzgefährdete Bauwerk fährt. Allerdings verlangsamen diese Schranken den Verkehr und so hat sich die Situation für die Pendler nur noch verschlimmert.
"Seit die Sperrung stattgefunden hat, hat sich die Verkehrssituation definitiv verschlechtert."
"Ich fahre über die Brücke hier und das dauert sicherlich jeden Tag 20 Minuten länger als normal."

Für Unternehmer geschäftsschädigend

Was für die Pendler ein Ärgernis ist, ist für Logistik-Unternehmen in Nordrhein-Westfalen geschäftsschädigend, kritisieren Verbände und Spediteure wie Helmut Schmitz. Schmitz‘ Unternehmen Husch-Transporte sitzt in Puhlheim, einem Vorort von Köln, nicht weit von der A1 entfernt.
Grundsätzlich, erzählt der Spediteur, sei die Region mit ihren vielen Autobahnkreuzen hervorragend angebunden.
"Aber, ich denke, unsere Verkehrsplaner haben nachdem Europa immer mehr zusammenwächst, den Verkehrsbedarf, der dadurch entstanden ist, mit den Verkehrsmöglichkeiten nicht überein gebracht."
Zu lange sind zu viele Fahrzeuge über die Straßen und Brücken gerollt – ohne dass das Verkehrsnetz entsprechend angepasst wurde. Allein über die Leverkusener Brücke sind vor ihrer Teilsperrung tagtäglich 20.000 Lkw gefahren. Jetzt sind es immerhin noch rund 100.000 Pkw, die jeden Tag an dieser Stelle den Rhein überqueren. Geplant war die knapp 50 Jahre alte Brücke mal für ein Drittel der Fahrzeuge.

"Dass eine Brücke irgendwann mal verschlissen ist und neu gebaut werden muss, ja das weiß man doch lang vorher, und dann kann man vorher für Absorge treffen und nicht dann, wenn es schon zu spät ist. Und wenn man nicht mehr fahren kann, dann ist es zu spät", … sagt der Spediteur Helmut Schmitz und zeigt sich auch etwas verärgert:
"Der Staat erwartet von uns, dass wir regelmäßig und jedes Jahr unsere Fahrzeuge überprüfen lassen und Verkehrssicherheit mit diesen Fahrzeugen gewährleisten, und das müsste der Staat auch mit seiner Infrastruktur."
Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Blick auf die 1961-1965 erbaute Rheinbrücke bei Leverkusen.© picture alliance / dpa / Horst Ossinger

Jahrzehntelang ist nichts passiert

Das hat der Staat aber offensichtlich versäumt – erklärt auch der stellvertretende Geschäftsführer des Verbands Verkehrswirtschaft und Logistik in NRW, Marcus Hover:
"Es ist jahrzehntelang zu wenig passiert, und zwar auf allen Verkehrsträgern. Wir haben 2000 Schienenbrücken in NRW, die dringend sanierungsbedürftig sind. Also es ist nicht so, dass wir einen Verkehrsträger hätten, der toll ausgebaut ist. Nehmen Sie das Kanalnetz, da haben wir hier und dort Schleusen aus der Kaiserzeit."
Im Fall der Leverkusener Brücke, die nach Ansicht von Hover schon bei ihrem Bau vor knapp 50 Jahren völlig unterdimensioniert war, haben Verkehrsplaner außerdem einen bösen Fehler gemacht:
"Man hat irgendwann gesagt: Wir eröffnen jetzt mal die Standstreifen, um den Verkehr schneller fließen zu lassen und dadurch kam natürlich noch mehr Gewicht auf die Brücke und dann ist noch eins passiert. Unsere Messmethoden und unser Sicherheitsdenken hat sich verschärft und plötzlich stellte man fest: dass die völlig kaputt ist."
Aber warum haben die Straßenverkehrsbehörden in NRW überhaupt erst so spät damit begonnen, eine neue Brücke zu planen? Immerhin muss schon etwa seit der Jahrtausendwende klar gewesen sein, dass die Leverkusener Rheinbrücke den Verkehr nicht mehr allzu lange tragen kann.
"Es war das generelle Verhältnis zur Infrastruktur, was das Problem war und das war ein parteiübergreifendes Versagen", erklärt Hover.

In fünf Jahren soll die neue Brücke fertig sein

Bildung, statt Beton – so lautete lange Jahre die Devise. Das Thema Straßen-Neubau ließ sich politisch schlecht verkaufen.
Zwar steuert die Politik mittlerweile um. Es ist wieder Geld da für den Straßenbau – und auch entsprechende Pläne liegen vor. Aber: Die Umsetzung dauert Jahre. Jahre, in denen es wegen der Baustellen erst einmal noch mehr Stau und Engpässe gibt. Und selbst wenn Neubauten, wie die der Leverkusener Brücke dann in fünf Jahren – oder später – fertig sind, es wird nicht reichen, prophezeit Verbandssprecher Hover. Zurzeit gehen die Straßen schneller kaputt, als sie repariert werden können.
"Es gibt viele Stimmen, die mittlerweile unser Verkehrsnetz als den künftigen Flaschenhals unseres Wachstums ansehen. Da kann es durchaus sein, dass wir an einen Punkt kommen, wo wir nicht mehr das transportiert bekommen, was wir produzieren, oder was wir verbrauchen müssen."
Für Unternehmer wie Helmut Schmitz wäre das ein wirtschaftliches Fiasko. Der Spediteur und seine Mitarbeiter leiden schon jetzt allein unter Sperrung der Leverkusener Brücke:
"Wenn Sie von hier nach Leverkusen, von Puhlheim nach Leverkusen fahren würden, haben Sie rund eine Stunde mehr Zeit aufzubringen. Weil ja die Infrastruktur, die noch zur Verfügung steht, durch diese Fahrzeuge ja mehr noch belastet wird. Hin und zurück sind es schon zwei Stunden."
Zwei Stunden, die Schmitz‘ Fahrer an anderer Stelle fehlen. Außerdem verbrauchen die Lastwagen durch die Ausweich-Routen mehr Sprit.

Teure Umwege

"Diesen Diesel müssen wir ja auch bezahlen. Und nicht nur diesen Diesel, sondern wir fahren dann einen Umweg und dürfen zusätzlich noch die Maut bezahlen. Das darf man alles nicht vergessen. Der Staat verdient also jeden Tag an Mineralölsteuer und Stau immens – weil die Brücke gesperrt ist."
Während der Staat nach Schmitz‘ Rechnung durch die maroden Straßen also noch hinzu verdient, muss der Spediteur enorme Zusatzkosten schultern:
"Ich habe mal ausgerechnet, für unseren Fuhrpark, das sind 20 Lastzüge, haben wir im Monat pro Fahrzeug eine Mehrkostenbelastung von 600 Euro. Das gibt uns niemand wieder."
Eine schnelle Lösung ist nicht in Sicht. Der Neubau der Leverkusener Brücke soll im kommenden Frühjahr beginnen und 2023 fertiggestellt sein. Bis dahin werden Schmitz‘ Fahrer nicht umhin kommen, die Ausweichrouten zu fahren.
Und auch bei Ford in Köln haben sich die Mitarbeiter mittlerweile an das allmorgendliche Verkehrschaos gewöhnt.
"Früher aufstehen ist eigentlich das einzige, was man machen kann. Ansonsten gibt es wenig Möglichkeiten."
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