Freitag, 19. April 2024

Archiv

Kontrolle von Diesel-Fahrverboten
"So eine Totalüberwachung vorzunehmen, ist Wahnsinn"

Zumindest in einigen Städten lassen sich Fahrverbote wohl kaum noch vermeiden. Um die Einhaltung zu kontrollieren, will die Bundesregierung automatische Video-Kontrollen per Nummernschild-Erfassung erlauben. Datenschützer Thilo Weichert warnte im Dlf vor einer Totalüberwachung.

Georg Ehring im Gespräch mit Thilo Weichert | 20.11.2018
    Schleswig-Holsteins Datenschutzbeauftragter Thilo Weichert
    Schleswig-Holsteins ehemaliger Datenschutzbeauftragter Thilo Weichert (dpa/picture alliance/Markus Scholz)
    Georg Ehring: In immer mehr Städten hat die Deutsche Umwelthilfe Fahrverbote durchgesetzt, um die Konzentration von Stickoxiden unter die gesetzlichen Grenzwerte sinken zu lassen. Jetzt ist in Essen auch ein Abschnitt der Autobahn A40 betroffen. Über Fahrverbote in Darmstadt soll morgen die Entscheidung fallen.
    Wenn solche Verbote wirken sollen, dann müssen sie auch kontrolliert werden, auch wenn die meisten betroffenen Städte hier noch wenig konkrete Vorstellungen haben. Kontrolle bedeutet jedoch auch Überwachung des Verkehrs und es stellt sich die Frage, wie das gehen kann, ohne gegen den Datenschutz zu verstoßen.
    Thilo Weichert kümmert sich im Netzwerk Datenschutzexpertise um solche Themen und ihn habe ich kurz vor dieser Sendung gefragt, ob ihm jetzt vor Überwachungskameras graut, die jede Fahrt in den betreffenden Zonen aufzeichnen.
    Thilo Weichert: Ja und nein. Angesichts des Umstandes, dass von Seiten des Verkehrsministeriums jetzt eine umfassende Infrastruktur zur Kontrolle von Autos vorgesehen ist, graut mir tatsächlich. Meines Erachtens ist es aber gar nicht notwendig, jetzt diese umfassende Infrastruktur aufzubauen, die darauf basiert, dass jetzt hier mit Videokameras eine Kfz-Kennzeichenerfassung und eine Bilderfassung der jeweiligen Fahrer erfolgt und dann ein Abgleich vorgesehen ist beim Kraftfahrtbundesamt. Es wäre definitiv möglich, durch entsprechende gesetzliche Regelungen auch eine erheblich datensparsamere Lösung zu finden, mit der gewährleistet ist, dass nur die Autos erfasst werden, die tatsächlich nicht berechtigt sind, durch ganz bestimmte Straßen durchzufahren. Das große Problem ist aber meines Erachtens, dass hier jetzt in jedem Fall mehr Kontrolle notwendig ist, angesichts des Umstandes, dass die Kfz-Industrie nicht gezwungen wird, jetzt mehr saubere Autos zu produzieren und die entsprechenden Autos auch nachzurüsten.
    "Sämtliche Autos sollen erfasst und kontrolliert werden"
    Ehring: Es ist ein Gesetz zur automatisierten Überwachung von Nummernschildern in Arbeit. Was sind da Ihre Kritikpunkte?
    Weichert: Unser Kritikpunkt als Datenschützer besteht insbesondere darin, dass nicht nur die Autos kontrolliert und erfasst werden, die jetzt die Normen, die für Umweltbelastungen vorgesehen sind, nicht erfüllen, sondern sämtliche Autos. Das heißt, es müsste zunächst einmal jedes Auto erfasst werden, das über eine ganz bestimmte Strecke fährt, und erst im Nachhinein könnte festgestellt werden, durch einen Datenabgleich beim Kraftfahrtbundesamt, ob dieses Auto berechtigt ist oder nicht berechtigt ist, diese Strecke zu befahren. Das hat zur Folge, dass die Bilder, die Gesichtsbilder von den Autofahrern und die Kfz-Kennzeichen von sämtlichen Autos erst mal erfasst werden, nach Flensburg geschickt werden und dort über einen Datenabgleich dann festgestellt wird, ob jemand berechtigt ist oder nicht berechtigt. Das ist ein Wahnsinn, so eine Totalüberwachung vorzunehmen, um jetzt eine relativ eindeutige Regelung durchzusetzen, was die Fahrberechtigung angeht.
    Datenschutzfreundliche Alternativen
    Ehring: Sie schlagen vor eine Regelung mit RFID-Chips. Das sind diese kleinen Chips, die man auch zum Beispiel aus Geschäften kennt, die dann wahrscheinlich eine etwas größere Leistung haben müssten. Wie würde das funktionieren?
    Weichert: Das wäre relativ einfach zu regeln, indem alle Autos, die nicht berechtigt sind, solche Strecken zu befahren, verpflichtet werden, einen entsprechenden RFID-Chip zu implementieren, und der würde dann automatisch detektiert werden, wenn eine geschützte Fahrstrecke erfasst wird, und das hätte dann zur Folge, dass dann die Autos oder die Umweltsünder, wenn Sie so wollen, auch mit Gesichtsbild und mit Kfz-Kennzeichenerfassung noch mal besonders erfasst werden. Aber das beträfe dann wirklich nur diejenigen, die unzulässiger Weise in solche Strecken einfahren, und nicht sämtliche Autofahrer und sämtliche Kfz, die jetzt die Strecke befahren.
    Ehring: Es gab ja auch den Vorschlag einer blauen Plakette. Ginge das datenschutzkonform?
    Weichert: So eine blaue Plakette ist natürlich die allerdatensparsamste Lösung. Die hätte zur Folge, dass aber dann Polizeibeamte das überprüfen müssten. Meines Erachtens ist so eine analoge, durch Polizeibeamte durchgeführte Kontrolle auch möglich und wahrscheinlich auch ausreichend, weil man davon ausgehen muss, dass die meisten sich dann an solche Verbote auch halten. Das Problem besteht natürlich darin, dass dann, wenn kein Polizeibeamter solche Plaketten kontrolliert, unter Umständen der eine oder andere Verkehrssünder oder Umweltsünder unberechtigterweise solche Fahrverbote missachtet.
    Ehring: Das Interview mit Thilo Weichert haben wir kurz vor dieser Sendung aufgezeichnet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.