Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Katastrophenschutz
Frühwarnsysteme müssen umfassender werden

Prognosen über Stürme und Unwetter müssen richtig kommuniziert werden und die Menschen direkt vor Ort erreichen, sonst sind sie umsonst - so das Fazit der Weltorganisation für Meteorologie. Doch der Katastrophenschutz steht in Zeiten des Klimawandels noch vor weiteren Herausforderungen, erklärt Dagmar Röhrlich.

Von Dagmar Röhrlich | 15.05.2019
Ein vom World Food Programme aufgenommenes Bild zeigt die vom Zyklon "Idai" überschwemmte Landschaft um Nicoadala in Mosambik. Das braune Wasser reicht bis zum Horizont, es ragen Bäume, Hütten und Gebüsch heraus.
Katastrophenschutz wird schwieriger: Der Meeresspiegel steigt, Stürme werden stärker, Deiche müssen höher gebaut werden (picture alliance / World Food Programme)
Zwischen 1998 und 2017 sind 1,3 Millionen Menschen bei Naturkatastrophen gestorben und fast viereinhalb Milliarden wurden verletzt, verloren ihr zu Hause oder mussten fliehen. Zwar forderten Erdbeben und Tsunamis in diesem 20-Jahres-Zeitraum die meisten Toten, die Ursache der mit Abstand meisten Katastrophen – nämlich 91 Prozent – war jedoch meteorologischer Art: Überflutungen, Stürme oder auch Dürren.
Was fordert die Weltorganisation für Meteorologie?
Heute sind die Prognosen der Meteorologen dank Satelliten und Big Data sehr viel besser – aber wenn sie nicht richtig kommuniziert werden, ist alles umsonst. Die Warnungen müssen, wie es auf der WMO-Konferenz so plakativ hieß, nicht die letzte Meile erreichen, sondern den letzten Meter. Welchen Unterschied das macht, das zeigen die Beispiele aus Mosambik, Indien und Bangladesch. Die Länder sind in den vergangenen Wochen von tropischen Zyklonen getroffen worden. Und die Bilanz fiel ganz unterschiedlich aus.
Mit "Fani" traf Anfang Mai der schwerste Zyklon seit 20 Jahren Indien und Bangladesch. In den 1970er-Jahren jedoch forderten ähnliche Stürme Hunderttausende Todesopfer – diesmal starben 56 Menschen. Der Grund: Indien und Bangladesch haben seit den großen Katastrophen sehr viel dafür getan, die Menschen zu schützen. Einmal durch Aufklärung. So gehen in Bangladesch Behördenmitarbeiter von Tür zu Tür und erklären die richtigen Verhaltensweisen. Außerdem werden die Warnungen verständlich verfasst und frühzeitig über Radio, Fernsehen und Soziale Medien verbreitet. Der Aufwand, der betrieben wird, ist hoch. So wurden in Indien mehr als eine Million Menschen evakuiert. Der Verlust an Menschenleben ist sehr viel geringer - allerdings bleibt der wirtschaftliche Schaden hoch.
Und was lief in Mosambik anders?
Die Prognosen waren auch in Mosambik korrekt – es war klar, dass zum Beispiel der Sturm "Idai" eine bis dahin nicht gekannte Heftigkeit erreichen würde. Doch leider erreichte die Warnung nicht den "letzten Meter", so dass die beiden Zyklone "Idai" und "Kenneth", die das Land im Abstand von wenigen Wochen trafen, mehr als 1.000 Todesopfer forderten.
Im März 2019 warten Einwohner von Gwaragwara in Mosambik auf Reis, der aus einem Hubschrauber der South African Airforce verteilt wird - die Region wurde vom Zyklon Idai verwüstet.
Reis für die Menschen im Katastrophengebiet Mosambik, das von Zyklon Idai verwüstet wurde (picture alliance / Phill Magakoe)
Als "Idai", der erste Sturm, die Küste Mosambiks traf, war es ein Alptraumszenario. Der Strom fiel aus und damit alle Informationskanäle. Die Windgeschwindigkeiten waren so hoch und zerstörerisch, dass sie die Dächer der Häuser wegrissen, in denen die Menschen traditionell Zuflucht suchten. Sturmflut und Regenmassen sorgten für Überschwemmungen – und die führten zu Krankheitsausbrüchen durch verseuchtes Trinkwasser und vernichteten die Ernten. Die Ernährung der Bevölkerung ist nicht mehr gesichert. Und der zweite Sturm "Kenneth" traf eine Region, in der solche heftigen Wirbelstürme unbekannt waren - und die Menschen nahmen die Warnungen nicht ernst, wollten nicht evakuiert werden.
Waren die Vorbereitungen unzureichend?
Zwar sind Indien und Bangladesch weiter als Mosambik. Doch spielt noch ein weiterer Faktor eine Rolle: der Klimawandel. So schwere Stürme waren in Mosambik bislang unbekannt. Es waren auch noch nie zwei schwere Stürme hintereinander aufgetreten. Zudem sorgt der Klimawandel dafür, dass Schutzmaßnahmen sozusagen neu gedacht werden müssen. Obwohl Mosambik viel für den Schutz seiner Küsten getan hat: Es reichte einfach nicht. Die Stürme werden stärker, der Meeresspiegel steigt - und beides verschärft die Auswirkungen. Wenn heute beispielsweise Deiche geplant werden, muss sich die Höhe nach den Simulationen für das Jahr 2080 oder 2100 richten. Nur auf die kommenden 20 Jahre zu schauen, ist zu wenig.
Außerdem, so erklärt die WMO, müssen die Länder der Dritten Welt dabei unterstützt werden, Warnsysteme zu entwickeln, die nicht nur Stürme vorhersagen, sondern auch das Zusammenspiel von zerstörerischen Winden, schwerer See, Überschwemmungen und Starkregen berücksichtigen.
Katastrophenschutz wird also schwieriger?
Ja – und komplexer. Um noch kurz ein Beispiel zu nennen. Die Tsunami-Frühwarnsysteme sind auf Ereignisse ausgelegt, die durch Erdbeben entstehen. Im vergangenen Jahr ist Indonesien beispielsweise von einem tödlichen Tsunami getroffen worden, der durch einen untermeerischen Erdrutsch entstanden ist. Darauf ist das Frühwarnsystem nicht ausgelegt. Hier muss technologisch noch einiges geschehen.