Dienstag, 19. März 2024

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Katholische Bischöfe
"Da tobt ein Machtkampf"

Sieben Bischöfe akzeptieren das Mehrheitsvotum ihrer Amtsbrüder zur Eucharistie für Protestanten nicht und wenden sich an den Vatikan. Es handele sich um ein Aufbegehren gegen den Vorsitzenden der Bischofskonferenz, eine Anti-Marx-Liga, "angeführt vom Kölner Kardinal Woelki", sagte der Journalist Joachim Frank im Dlf.

Joachim Frank im Gespräch mit Gerald Beyrodt | 16.04.2018
    Die Hostie bei einem Abendmahl
    Die Hostie bei einer Messefeier. (CTK / Jan Halady)
    Gerald Beyrodt: Wir bleiben beim Thema. Bei mir im Studio ist Joachim Frank, Chefkorrespondent des Kölner Stadtanzeigers und Theologe. Guten Morgen, Herr Frank.
    Joachim Frank: Guten Morgen, Herr Beyrodt.
    Beyrodt: Herr Frank, wir haben es gehört. In Rom nimmt man das Thema offenbar nicht ganz so wichtig, das Thema, dass protestantische Ehepartner in Deutschland mit zur Eucharistie dürfen mit ihren katholischen Ehepartnern. Warum nehmen es eigentlich die konservativen Briefeschreiber so wichtig?
    Frank: Sie nehmen es deswegen wichtig, weil die Situation in Deutschland eine ganz andere ist als in Italien, das hat Ihr Kollege gesagt, da gibt es nur ganz wenige. Hier in Deutschland sind viele Ehen von dieser Frage betroffen. Und die Frage, ob katholische und evangelische Partner gemeinsam zur Kommunion gehen dürfen ist eine, die seit 30, wenn nicht 40 Jahren die deutsche Kirche umtreibt. Der Papst hat jetzt den Vorschlag gemacht, nach vorne zu gehen, Vorschläge zu machen, weiter zu gehen. Das hat die Mehrheit der Bischöfe aufgegriffen. Jetzt gibt es eine Spannung zwischen der Minderheit und der Mehrheit, wo es einerseits um Machtfragen geht, andererseits aber natürlich um Normen, und natürlich auch um katholische Lehre, etwa der Eucharistie.
    "Keine Antwort ist auch eine Antwort"
    Beyrodt: Aber genau damit, dass da eine Regionalkirche Vorschläge macht, und auch mehr als Vorschläge, sondern da etwas entscheidet, sind die Briefeschreiber nicht so richtig zufrieden.
    Frank: Ja, das ist ja genau das, was der Papst vielleicht nicht an revolutionärem, aber doch an evolutionärem einbringt in der Kirche: dass in den Regionen entschieden werden soll. Das bedeutet aber, dass nicht mehr alles von vorneherein klar ist und nicht mehr alles von oben entschieden wird. Letztlich ist dieser Rekurs an Rom, dieser Brief an Rom ja nichts anderes, als der Aufruf, 'entscheidet ihr, wir wollen nicht selber entscheiden'. Der Dogmatiker Michael Seewald hat gesagt, damit haben die Bischöfe eigentlich schon selber verloren, weil sie es nicht schaffen, Dinge selbst in die Hand zu nehmen und selber zu entscheiden.
    Der Kölner Journalist Joachim Frank liest und redet am 07.06.2017 in Köln auf der 5. phil.COLOGNE, das internationale Festival der Philosophie
    Der Kölner Journalist Joachim Frank (picture alliance / Horst Galuschka / dpa)
    Beyrodt: Das heißt, die Bischöfe müssen mit ihrem Brief nach Rom mit wenig Gegenliebe rechnen?
    Frank: Also, es wird ja schon darüber spekuliert, ob überhaupt eine Antwort kommt. Es haben ja schon mehrere Kardinäle ihre Zweifel direkt in Briefen an den Papst formuliert und haben nie eine Antwort darauf bekommen. Also keine Antwort ist auch eine Antwort, und es wäre doch sehr seltsam, wenn der Papst auf der einen Seite die Ortskirchen ermutigt und dann beim ersten Mal, wenn es zum Schwur kommt, also die Bischöfe sagen: "Jetzt Papst, jetzt entscheide du doch mal." Und wenn der Papst dann das Heft wieder an sich ziehen würde: "So, dann sage ich euch mal, wie es geht."
    Also es ist eher wahrscheinlich, dass der Papst sagt: Schaut euch die Situation vor Ort an und die Mehrheit der Bischöfe soll eine weite, pastorale Richtlinie geben. Dann hat er ja immer Wert drauf gelegt, dass die Gläubigen selber aus ihrem Gewissen und in Abstimmung mit ihren geistlichen Begleitern, also konkret den Pfarrern, das entscheiden. Das ist ja auch längst die Praxis. Das Problem ist ja eher, dass damit die Pfarrer alleine gelassen werden. Wenn die Gläubigen alleine gelassen werden, weil man sagt: "Eigentlich ist es verboten, und wenn ihr das macht, dann seid ihr so im Zwielicht". Also letztlich ist das eine doppelte Verweigerung von Entscheidungen der Bischöfe.
    Die Bischofskonferenz - ein Ketzerverein?
    Beyrodt: Es fallen ja auch ziemlich harte Worte. Da ist von dem Glauben und der Einheit der Kirche die Rede, und mit denen sei das nicht so ganz vereinbar. Herr Frank, heißt das eigentlich implizit, die Briefeschreiber meinen, dass die deutsche Bischofskonferenz ein Ketzerverein ist?
    Frank: Das könnte man fast annehmen. Der jetzige Erfurter Bischof Neymeyr hat auch gesagt, er findet das ganze befremdlich, wenn in der Bischofskonferenz lang und breit darüber diskutiert wird, und mit theologisch guten Argumenten eigentlich gesagt wird, dass das ein gangbarer Weg ist. Und dann sagen sieben, ja, nein, das ist erstens nicht erlaubt, und zweitens überschreitet es die Kompetenz der Bischofskonferenz, und drittens nimmt es die katholische Lehre nicht ernst. Das sind schon relativ heftige Anwürfe, und die Bischöfe treffen sich in zwei Wochen, zumindest die Ortsbischöfe zu ihrem ständigen Rat. Und einer der Bischöfe hat mir gesagt, da wird es nicht sehr freundlich zugehen, weil natürlich die Mehrheit den anderen sagen wird: Glaubt ihr denn alle, wir sind Idioten?
    Beyrodt: Wenn man nach so einer getroffenen Entscheidung sich sozusagen an die Firmenzentrale in Rom wendet, ist das schon eine Intrige, ist das noch ein produktiver Streit?
    Frank: Also ich würde sagen ja, da tobt ein Machtkampf, und das ist nicht zuletzt daran ersichtlich, dass die Sieben ja nicht Bescheid gesagt haben. Die haben das angedeutet, aber haben den Vorsitzenden der Bischofskonferenz erst einen Tag schriftlich darüber informiert, nachdem der Brief nach Rom schon rausgegangen war. Das, würde ich sagen, ist eigentlich kein mitbrüderlicher Stil, das ist noch nicht mal, außerhalb von mitbrüderlich wäre das kein kollegialer Stil. Da finde ich, kann man schon sehr klar erkennen, dass sich da auch verschiedene Kräfte in der Bischofskonferenz gegenüber stehen. Wenn man bedenkt, dass der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Reinhard Marx, zugleich auch Vorsitzender der bayerischen Bischofskonferenz ist, also der sogenannten Freisinger Bischofskonferenz, und sämtliche bayerische Bischöfe bis auf den Würzburger - der zur Zeit noch nicht im Amt ist - gegen ihn sich gestellt haben, dann ist auch daran ersichtlich, dass da doch sehr stark im Moment um Führungsanspruch und um Macht gerungen wird.
    Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx und der Kölner Erzbischof Kardinal Rainer Maria Woelki verfolgen am 06.03.2017 in Köln den Eröffnungsgottesdienst zur Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz.
    Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx und der Kölner Erzbischof Kardinal Rainer Maria Woelki (picture alliance / Oliver Berg / dpa)
    Beyrodt: Das heißt, da formiert sich so eine Art Anti-Marx Liga?
    Frank: Das könnte man so sagen, ja. Und die wird eben angeführt, nicht von ungefähr, von dem Kölner Kardinal Rainer Maria Wölki, der erst vor ein paar Wochen, als eine ähnliche Entscheidung zum Schwangerschafts-Konfliktberatungsverein Donum Vitae getroffen wurde, wo auch eine vorsichtige Annäherung von Marx formuliert wurde, war er der erste, der das schriftlich gewissermaßen alles wieder hat zurücknehmen lassen. Also man könnte fast sagen, tut Marx dies, macht Wölki jenes.
    "Werde katholisch, dann ist alles in Ordnung"
    Beyrodt: Jetzt nochmal inhaltlich. Natürlich, Protestanten und Katholiken haben in der Tat unterschiedliche Abendmahlverständnisse, - Protestanten untereinander auch nochmal, aber das steht auf einem anderen Blatt -, das jedenfalls kritisieren die Briefeschreiber, dass es wegen des Abendmahlsverständnisses nicht gehen würde dieses gemeinsame Abendmahl. Aber geht es den Briefeschreibern wirklich in erster Linie ums Abendmahlsverständnis?
    Frank: Also der Passauer Bischof Stefan Oster hat gesagt, die Eucharistie sei das Allerheiligste in der Kirche, also müsse man das auch am allerwichtigsten nehmen. Da finde ich, da ist was dran, da muss man drüber reden. Die katholische Kirche hat aber nie festgelegt, was es bedeutet, ganz konkret bedeutet, dass Christus in den Gestalten von Brot und Wein leibhaftig gegenwärtig ist, da gibt es verschiedene Auslegungsmodelle. Aber wenn ein gläubiger Christ das bekennt, was die katholische Kirche bekennt und damit übereinstimmt in dieser zentralen Lehre, Christus ist leibhaftig, gegenwärtig, dann wäre nach der Lesart der Mehrheit eine Teilnahme an der Kommunion möglich. Die Minderheit geht eher davon aus, dann müsste man ja, wenn man die katholische Lehre hier teilt, alles andere ablehnen, also müsste womöglich protestantische Lehre aus der Kirche, aus der man kommt, ablehnen. Und eigentlich sagen die, wenn man es ganz genau nimmt, werdet katholisch, dann ist alles in Ordnung, dann haben wir diesen ganzen Kladderadatsch nicht.
    Beyrodt: Ja aber geht es denen nur um das Abendmahlverständnis oder sind das eher Machterwägungen, die dahinter stehen?
    Frank: Nein, also jenseits des Abendmahlsverständnisses geht es natürlich auch um die Frage der Kirchengemeinschaft, weil normalerweise bedeutet es Eucharistiegemeinschaft, also Gemeinschaft beim Abendmahl, bedeutet Kirchengemeinschaft. Und da fragen die sich, ob das der Einzelne sozusagen schon vorwegnehmen kann oder ob es da nicht eine gesamtkirchliche Entscheidung braucht. Also letztlich auch wieder eine Erlaubnis von oben. Da geht es um Autorität, letztlich geht es um Autorität in der Kirche und um Macht in der Kirche und wer bestimmt, was Eucharistiegemeinschaft bedeutet.
    "Bayern ist der Hort des Widerstands"
    Beyrodt: Sie haben es ja auch angesprochen, das ist eine ziemlich harte Sache in der deutschen Bischofskonferenz so vorzugehen. Heißt das, die deutsche Bischofskonferenz bricht auseinander?
    Frank: Soweit würde ich jetzt noch nicht gehen, aber die Risse und die Konflikte sind ganz offensichtlich. Und da laufen tatsächlich so die Kampflinien, um es mal so zu formulieren, zwischen Köln und München. Das sind die beiden Kardinalsitze im Moment, Berlin hat keinen Kardinal, und damit sind das die beiden ranghöchsten. Und da kann man an verschiedenen Punkten kirchenpolitischer Art eben schauen, wo da so die Konfliktlinien entlanglaufen. Die Mehrheit geht mit Kardinal Marx, die Mehrheit ist für eine Öffnung. Und die Minderheit, - insbesondere eben Regensburg, Passau, also der Bischof Voderholzer, der Bischof Oster -, eigentlich kann man sagen, so Bayern ist hier der Hort oder das Zentrum des Widerstandes.
    Beyrodt: Ich meine, Deutschland wird ja zunehmend säkularer und man kann immer weniger voraussetzen, dass sich ein Deutscher, eine Deutsche überhaupt für die Kirche interessiert, egal ob für die evangelische oder die katholische. Denken die sieben Bischöfe denn gar nicht an die Außenwirkung?
    Frank: Ich glaube nicht, nein. Weil sie sich sagen, Eucharistie und das Allerheiligste, wie es Bischof Oster formuliert hat, da kommt es nicht auf Performance und nicht auf PR und auf gute Schlagzeilen an, sondern denen geht es da wirklich so um die Wahrheit, um das aus deren Perspektive mal zu sehen.
    Beyrodt: Viel Streit um wenig Brot. Joachim Frank war das, Chefkorrespondent des Kölner Stadtanzeigers, über die Kontroverse zu protestantischen Ehepartnern bei der Eucharistie. Herr Frank, vielen Dank.
    Frank: Sehr gerne.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.