Freitag, 19. April 2024

Archiv

Europäische Union
Mitbestimmung erwünscht, aber nur nach eigenen Regeln

Bis Mitte August können EU-Bürger online über die Abschaffung der Zeitumstellung abstimmen. Aber Mitbestimmung auf europäischer Ebene läuft nicht immer so reibungslos ab. Die offizielle "Europäische Bürgerinitiative" etwa hat bis heute mit vielen Hürden zu kämpfen.

Von Nele Rößler | 15.08.2018
    Menschen spiegeln sich in einem Fenster, das mit einer Europa-Flagge behangen ist.
    Eine Millionen Unterschriften in sieben verschiedenen Mitgliedsstaaten müssen die Organisatoren einer "Europäischen Bürgerinitiative" innerhalb eines Jahres sammeln. (picture alliance / dpa / EPA / Oliver Hoslet)
    Es beginnt schon bei der Zulassung. Die EU-Kommission muss eine Europäische Bürgerinitiative, kurz EBI, erst einmal bewilligen. Rund ein Drittel der bisher 64 eingereichten Initiativen hat die Kommission bis jetzt abgelehnt.
    Auch "Stop TTIP", eine Initiative gegen das Freihandelsabkommen, wurde beim ersten Mal nicht zugelassen. "Weil gesagt wurde, dass die Formulierung nicht zulässig ist. Das war eine Entscheidung der Kommission."
    Sagt Fabian Flues von der Nichtregierungsorganisation Friends of the Earth Europe. Das Argument der Kommission: Es sei zu früh, um eine EBI zu starten. Man befinde sich noch in der Vorbereitungsphase. Der Europäische Gerichtshof wies die Begründung der Kommission ab. Sie habe den Begriff Rechtsakt zu eng definiert. Deshalb ist die Initiative mittlerweile doch zugelassen. Da die TTIP-Verhandlungen jetzt pausieren, hat aber auch "Stop TTIP" an Relevanz verloren.
    Viele Initiativen scheitern an den Unterschriften
    Fabian Flues hat den Eindruck, dass die Kommission vor allem Initiativen berücksichtigt, deren Themen sowieso schon auf ihrer Agenda stehen.
    Wenn eine Initiative zugelassen ist, kommt es zur zweiten Hürde: Die Organisatoren müssen eine Millionen Unterschriften in sieben verschiedenen Mitgliedsstaaten innerhalb eines Jahres sammeln. Fabian Flues von Friends of the Earth findet das sinnvoll.
    "Weil es die Möglichkeit gibt, in der Fußgängerzone wo auch immer man das machen möchte, eine Unterhaltung über etwas anzufangen. Weil es eine Unterschriftensammlung gibt und Leute neugierig werden und fragen nach."
    Aber auch daran scheitern viele Initiativen.
    Nicht so die Organisatoren der Initiative "Stop Extremism!". Sie fordert ein EU-Gesetz, um Extremismus bestrafen zu können. Da für "Stop Extremism!" genügend EU-Bürger in über sieben Mitgliedsstaaten unterschrieben haben, muss die Kommission innerhalb von drei Monaten auf den Gesetzesvorschlag reagieren. Reagieren heißt aber nicht, dass sie den Vorschlag berücksichtigen muss. Das kritisiert Sebastian Reimer, einer der Mitorganisatoren von "Stop Extremism".
    "Ich wäre dafür, wenn man zugelassen wird als Bürgerinitiative und die eine Millionen Unterschriften gesammelt hat, dass die Kommission nicht mehr nein sagen kann. Ich verstehe aber, dass, wenn man aus demokratiepolitischen Gründen sagt, die eine Million ist dafür zu wenig."
    Europäische Bürgerinitiative ist ein mächtiges Instrument
    Deshalb schlägt er vor, dass mehr Unterschriften gesammelt werden müssen, dafür aber die Einjahresfrist wegfällt. Aber alles in allem findet Reimer, dass die EBI ein mächtiges Instrument ist.
    Emily O´Reilly hatte sich dagegen von der EBI mehr erhofft. Als Europäische Bürgerbeauftragte beschäftigt sie sich mit Beschwerden und Missständen in der EU.
    "Zum Start der Europäischen Bürgerinitiative bezeichnete ich es oft als Spielzeug, mit dem man erst spielen muss, um zu sehen, was es kann. Aber ich glaube viele Menschen sind enttäuscht, weil sich so wenige Initiativen registriert haben und andererseits so wenig aus den Initiativen herausgekommen ist, von Seiten der Kommission."
    EU-Kommission hat auch Vorschläge angenommen
    Trotzdem gab es auch positive Beispiele, sagt Emily O'Reilly. Zum Beispiel die Initiative Right2Water. Einige der Vorschläge zur Überarbeitung der Trinkwasserrichtlinien hat die Kommission angenommen. Dennoch ist auch O'Reilly der Meinung, dass der Prozess vereinfacht werden muss.
    "Es muss viel einfacher werden, die Barrieren zur Teilnahme müssen herunter gesetzt werden. Die Kommission schlägt außerdem vor, die Altersbegrenzung zur Teilnahme herunter zu setzen, auf 16. Dann könnten Millionen mehr Menschen teilnehmen. Außerdem denke ich, dass die Kommission wirklich daran arbeiten muss, die Initiativen, die eingereicht werden, zu prüfen und sie nicht zu schnell abzulehnen."
    Nur dann könnten mehr Ideen von Bürgern auch tatsächlich umgesetzt werden, hofft die Bürgerbeauftragte der EU.