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Katholische Kirche
Neue Kathedrale bei Paris

Die katholische Kirche in Frankreich ist knapp bei Kasse. Dennoch entstehen derzeit in den Randbezirken von Paris neun Kirchengebäude. In Creteil zum Beispiel, zehn Kilometer südöstlich von Paris, wird am 20. September eine Kathedrale eingeweiht. Und das in einem jener Viertel, die sonst eher von Muslimen geprägt sind.

Von Bettina Kaps | 14.09.2015
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    In Creteil entstehehen neue Kirchen - in einem Randbezirk von Paris, der auch von Minaretten geprägt ist (Bettina Kaps)
    Spitz und schlank ragt der Glockenturm in den Himmel. Es scheint, als wetteifere sein Kreuz mit dem 18-stöckigen Hochhaus an seiner Seite. Daneben der Kirchenraum: Die Kathedrale liegt wie ein riesiges Schneckenhaus zwischen monotonen Wohnblöcken aus den 60er Jahren. Die elegante Verkleidung aus braunen Holzstreben fällt schon von Weitem auf. Um das zu erreichen, musste die alte Kathedrale fast komplett abgerissen werden, sagt Marie-Pierre Etienney. Die Architektin arbeitet für das Bistum Créteil und hat den Neubau überwacht. Sie deutet auf die weißen Eingangstüren.
    "Die ursprüngliche Eingangsfassade aus dem Jahr 1978 haben wir bewahrt. Deshalb sind die Türen auch so niedrig. Der Kirchenraum dahinter war gerade mal sechs Meter hoch. Er stammte aus einer Zeit, in der die Kirche diskret sein wollte."
    Ein Blick auf die Straßenkreuzung vor der Kathedrale beweist: Heute sind die Religionen sichtbar. Ein Mann mit Kippa radelt vorbei. Wenig später überqueren zwei Frauen den Vorplatz, die islamisches Kopftuch und ein langes schwarzes Übergewand tragen. In dieser multi-religiösen Umgebung will auch Michel Santier, der Bischof von Creteil, Flagge zeigen, sagt Marie-Pierre Etienney.
    "Weil das alte Gebäude so bescheiden war, hat unser Bischof die Katholiken gleich bei seiner Ankunft gefragt: Hat diese Kirche die richtigen Proportionen, um unseren Glauben lebendig werden zu lassen? Wie sollen wir mit anderen Menschen in Dialog treten, wenn niemand weiß, dass wir da sind?!"
    Die Einweihung einer großen Moschee hat die Diözese noch bestärkt: Die weiße Kuppel und das weiße Minarett sind in Creteil gut sichtbar. Das Gebäude bietet 2.000 Gläubigen Platz. Die Kathedrale kann jetzt 1.200 Menschen aufnehmen, doppelt so viele wie zuvor. Der Bau hat neun Millionen Euro gekostet – eigentlich eine bescheidene Summe für eine Kathedrale.
    Aber Marie-Pierre Etienney räumt ein: Viele Gläubige hielten es trotzdem für Verschwendung, zumal die vorherige Kirche erst 35 Jahre alt war. In Frankreich müssen die Diözesen scharf rechnen: Hier gibt es keine Kirchensteuer. Das Gesetz von 1905 über die Trennung von Kirche und Staat verbietet auch, dass Glaubensgemeinschaften mit öffentlichen Geldern unterstützt werden. Gehälter von Pfarrern, Renovierungen aller Kirchen, die nach 1905 entstanden sind, oder Neubauten – alle Kosten müssen aus eigenen Mitteln bestritten werden.
    Spender und Mäzene wünschen sich offensives Auftreten der Kirche
    Zum neuen Kirchengebäude in Creteil gehört auch ein Kulturzentrum. Genau das hat es der Stadt Créteil und dem Departement nun doch erlaubt, die Kathedrale zu subventionieren, ohne gegen das Gesetz zu verstoßen. Genau wie zuvor schon im Falle der Moschee. Dem sozialistischen Bürgermeister Laurent Cathala war die Kathedrale sogar eine Million Euro wert.
    "Ein schönes Bauwerk – auch wenn es religiös ist – es bereichert das architektonische Erbe der Stadt. Wenn dieses Gebäude darüber hinaus Gläubigen unterschiedlicher Religionen und Nicht-Gläubigen die Möglichkeit eröffnet, sich zu begegnen, zu diskutieren, und bei einem Konzert oder einer Ausstellung Emotionen zu teilen, ist es für die Stadt ein Plus. Gefährlich wird es erst, wenn sich Menschen aufgrund ihrer Religion abkapseln: Das führt zu Parallelgesellschaften."
    Ganz so selbstverständlich, wie es der Bürgermeister darstellt, sei eine solche Subvention aber nicht, sagt Arielle Courty, Finanzchefin des katholischen Vereins "Les Chantiers du cardinal".
    "In den letzten Jahren haben wir die alt bekannte Kluft zwischen Kirche und Staat überwunden, diese Konfrontation wie bei Don Camillo, wo Bürgermeister und Pfarrer eingeschworene Feinde waren. Der Staat hat verstanden, dass die Kirche eine soziale Aufgabe erfüllt und beide Hand in Hand arbeiten müssen."
    "Les Chantiers du cardinal" wurde 1931 gegründet, um, wie der Name schon sagt, "die Baustellen des Kardinals" zu finanzieren. Der Verein arbeitet für alle acht Diözesen im Großraum Paris, unermüdlich sucht er Spender und Mäzene. Denn es gibt viel zu tun. Insgesamt neun kirchliche Neubauten stehen auf der Agenda des Vereins, sagt Arielle Courty.
    "Selbst in der Stadt Paris, die ja oft als Museum bezeichnet wird, entstehen neue Wohnviertel. Die Bischöfe zögern nicht: In jedem neuen Viertel bauen wir eine neue Kirche. Anders als in der Provinz haben wir auch nicht das Problem, dass unsere Kirchen leer bleiben. Im Gegenteil. Die meisten haben auch einen festen Gemeindepfarrer. Wir haben hier echten Bedarf an neuen Gebäuden."
    Und die sollen auch sichtbar sein, wie die Kathedrale von Creteil. Den Spendern gefällt das offensive Auftreten der Kirchenleitung: Sie haben in letzter Zeit deutlich mehr gegeben.