Dienstag, 16. April 2024

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Katja Doubek: Lexikon der Attentate. Berühmte Verschwörungen, Komplotte und Anschläge

"Tötet bin Laden", stand unlängst in fetten Lettern auf diversen Boulevard-Zeitungen, einen angeblichen Befehl des US-amerikanischen Präsidenten zitierend. Ist das ein Aufruf zu einem Mordanschlag, einer Widerstandshandlung oder einem politischen Attentat? Vielleicht findet Osama bin Laden sich als aktuelles Kapitel demnächst in einer Neuauflage des "Lexikons der Attentate" wieder. Dieses neue Lexikon verspricht Aufklärung über die Geschichte der Attentate und ihre Kontexte. Ob das Buch bei der Definition politischer Gewalttaten tatsächlich hilfreich ist, weiß Horst Meier, der in diesem Lexikon für uns nachgeschlagen hat.

Horst Meier | 29.10.2001
    Katja Doubek präsentiert in ihrem Lexikon Attentate aus aller Welt - alphabetisch geordnet: von A - wie Alexander I., König von Jugoslawien - bis Z - wie Helmut Zilk, Bürgermeister von Wien. So finden sich Beiträge zu Martin Luther King, Leo Trotzkij, Otto von Bismarck und Rudi Dutschke. Aber auch zu Oskar Lafontaine, Walther Rathenau und Reinhard Heydrich. Und beim Blättern macht man erstaunliche Entdeckungen.

    Da ist zunächst das recht zerstreut wirkende Vorwort. Es bietet weder Hinweis auf Auswahl noch auf das Erkenntnisinteresse. Dafür hebt es die angeblich "auffallenden Parallelen" zweier Anschläge hervor: Abraham Lincoln und John F. Kennedy wurden beide an einem Freitag erschossen. Ihre Attentäter trugen dreiteilige Namen, die jeweils aus 15 Buchstaben bestehen. Warum aber diese und andere Zufälligkeiten "zu beweisen scheinen", so die Autorin, "dass Geschichte sich tatsächlich wiederholt", bleibt rätselhaft.

    Da sind die Attentate, bei denen man sich fragt, ob sie überhaupt der Erwähnung wert sind: Jedenfalls lesen wir nicht nur, dass John Lennon erschossen und die österreichische Kaiserin "Sissy" erstochen wurde, sondern auch, dass am 6. Januar 1994 eine "Eisprinzessin" namens Nancy Kerrigan mit einer Eisenstange aufs rechte Knie geschlagen wurde. Den persischen Eunuchen Bagoas nicht zu vergessen, der im Jahre 336 vor unserer Zeitrechnung vergiftet wurde.

    Ferner sind da die zahlreichen Anekdoten, die im Stil des Infotainment zum Besten gegeben werden. Zum Beispiel, dass Attentäter aus der RAF nach dem Mord an Generalbundesanwalt Siegfried Buback "in einer konspirativen Wohnung bei einem ordentlichen Schluck Wein" darauf warteten, "dass sich der Fahndungsdruck wieder legte", wie die Autorin formuliert. Ebenso wenig politisch erhellend ist, dass die Militärsender nach der Ermordung des chilenischen Präsidenten Salvador Allende den Schlager "Je t'aime" spielten.

    Kommen wir zu den Attentaten, über die man nichts erfährt. Konrad Adenauer soll "den verheerenden Folgen einer Brandbombe" nur knapp entgangen sein, heißt es im Vorwort. Das weckt Neugier, hat man doch bisher davon nichts gehört, doch das Nachblättern klärt den Leser auch nicht auf. Der deutsch-jüdische Schriftsteller Theodor Lessing, von Nazis im Exil ermordet, findet überhaupt keine Erwähnung, um nur zwei besonders augenfällige Lücken zu erwähnen.

    Das vorliegende Buch versucht, "Ursache, Vollzug und Auswirkung der ... international wesentlichen Attentate zu beschreiben", versichert die Autorin. Doch abgesehen davon, dass die Auswahl willkürlich wirkt: Analyse und Einordnung kommen regelmäßig zu kurz. Das Buch ist bestenfalls wacker zusammengeschustert. Und wenn die Materiallage ganz verzweifelt ist, scheut sich die Autorin auch nicht, neben dem merkwürdig oft zitierten "Stern" ihre Informationen bei der BILD-Zeitung oder der Hamburger Morgenpost zusammenzuklauben.

    Ein Lexikon muss dem Anspruch gerecht werden, in prägnanter Form ein Thema zusammenzufassen und das Nähere durch Hinweise auf Standardliteratur zu erschließen. Statt dessen wartet das Lexikon der Attentate allzu oft mit Kolportage auf. Mit der Fülle des Stoffes, von Caesar bis Gandhi, von Kaspar Hauser bis Adolf Hitler, hat sich die Autorin offenkundig übernommen. Mag sein, dass sie ein brauchbares Lexikon über "Liebe und Sex berühmter Männer und Frauen" und auch ein solches über "merkwürdige Todesarten" geschrieben hat, wie der Eichborn-Verlag mitteilt, von dem man im übrigen Solideres gewöhnt ist. Dieses jedenfalls ist eher unbrauchbar.

    "Das Lexikon der Attentate" von Katja Doubek aus dem Eichborn Verlag hat 376 Seiten und kostet 44 DM.