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Tolle Idee! Was wurde daraus?
Katwarn - die Sirene fürs Smartphone

Die Fraunhofer-Gesellschaft stellte 2011 ein System vor, das Bürger übers Handy oder Smartphone vor Unwetter und Katastrophen warnt: Katwarn. Inzwischen haben Katwarn als App anderthalb Millionen Menschen in Deutschland installiert. Mehrere hundert Warnungen werden pro Jahr darüber verbreitet. Doch wird es nicht überall von den Behörden genutzt.

Von Frank Grotelüschen | 14.02.2017
    Ein Mann hält am 21.01.2015 im Innenministerium in Mainz (Rheinland-Pfalz) ein Smartphone mit einem Beispielbild der Katastrophen-Warn-App "Katwarn" (Beispiel Großbrand in Berlin) in der Hand.
    Katwarn - App warnt vor Katastrophen (picture alliance / dpa - Fredrik von Erichsen)
    (Warnton erklingt)
    Wenn das Smartphone diesen Warnton von sich gibt, ist Wachsamkeit angesagt: In der Nähe könnte ein Unwetter heraufziehen, eine Fabrik explodiert sein oder ein Großbrand wüten. Es ist der Alarmton des Warn- und Informationssystems Katwarn. Entwickelt wurde es am Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme in Berlin.
    "Die ersten Ansätze von Katwarn reichen zehn Jahre zurück, wo wir gemeinsam mit den öffentlichen Versicherern in Deutschland begonnen haben, uns Gedanken zu machen, wie man Warnungen auf Mobiltelefone bringen kann", sagt Fraunhofer-Fachmann Niklas Reinhardt.
    Pilotphase in Ostfriesland
    2009 startete eine Pilotphase in Ostfriesland, zwei Jahre später folgte der bundesweite Routinebetrieb. Zunächst sollte das System vor allem vor Unwettern warnen, und zwar per SMS.
    "Als wir mit Katwarn begonnen haben, war SMS das gängige Kommunikationsmittel. Wir haben aber später gesehen, dass sich die Apps immer mehr durchsetzen. 2012 haben wir Katwarn auch als Smartphone-App angeboten und seitdem immer weiterentwickelt."
    Um zu zeigen, wie das System funktioniert, greift Reinhardt zu seinem Smartphone und öffnet die App. Zu sehen: Eine Landkarte mit einem blauen Punkt umringt von einem hellblauen Kreis, so wie bei Google Maps.
    "Das ist der Punkt, wo ich mich gerade aufhalte. Eine der wichtigsten Funktionen ist der Schutzengel, wie wir ihn nennen. Wenn ich den aktiviere, kann das System meinen Standort erfassen und mir im Falle einer Gefahr eine Warnung zukommen lassen."
    Katwarn gibt Warnungen weiter
    Gleiches gilt für feste Adressen, die der Nutzer individuell eingeben kann – der Arbeitsplatz, die Wohnung, die Schule der Kinder, das Haus der Eltern. Katwarn selbst nutzt kein eigenes Sensornetzwerk, sondern dient der Weitergabe von Warnungen, die zum Beispiel von der Feuerwehr kommen oder vom Deutschen Wetterdienst. Wie dieses Zusammenspiel in der Praxis funktioniert, demonstriert Niklas Reinhardt im Testlabor des Fraunhofer-Instituts: Vor einem Fenster ist eine Leinwand heruntergelassen. Das Bild, das ein Beamer darauf projiziert, sieht aus wie die echte Fensteraussicht.
    "Was man sieht, ist aber nicht der echte Straßenzug, sondern das ist ein Film, den wir ablaufen lassen. Wir blicken in Richtung Mierendorffplatz. Sie sehen: Dunkle Wolken kommen auf uns zu. Und sofort fängt das Katwarnsystem an, erst mal nur zu klingeln."
    Reinhardt blickt auf das Display seines Smartphones.
    "Da steht: Katwarn-Warnung schweres Gewitter."
    Und schon gehen die ersten Blitze nieder.
    "Bitte suchen Sie Gebäude auf!"
    "Das Unwetter ist jetzt voll im Gang. Wir gehen jetzt hier in den Bereich des Krisenstabs. Das ist da, wo die Verantwortungsträger alle Informationen brauchen."
    Nur Personen, die sich in einem bestimmten Gebiet befinden, bekommen Warnung
    Niklas Reinhardt steuert einen Leitstand mit mehreren Telefonen und Bildschirmen an, den die Forscher in ihrem Testlabor nachgebaut haben. Einer der Monitore zeigt, wo das Unwetter in Berlin gerade wütet. Auf dem Bildschirm daneben können die Verantwortlichen das Gebiet markieren, für das Katwarn Alarm geben soll.
    "Sie können auf dieser Karte eine Gemeinde oder ein Postleitzahlen-Gebiet auswählen. Die Menschen, die sich innerhalb dieses Gebiets befinden, bekommen eine Warnung. Die sich außerhalb dieses Gebiets befinden, aber nicht. Das geht so genau, dass es sich sogar auf Straßenzüge beziehen kann."
    Ganz in der Nähe schlägt der Blitz ein, Rauch steigt empor.
    "Ich kann diese Meldung öffnen, bekomme den Ort auf einer Karte angezeigt: Das Gebiet rund um den U-Bahnhof ist rot markiert, dort ist eine Gefahr."
    Anderthalb Millionen Menschen haben Katwarn mittlerweile installiert. Pro Jahr gehen hunderte Warnungen heraus, meistens wegen Unwetter. Der Deutsche Wetterdienst gibt seine Meldungen für das ganze Bundesgebiet über Katwarn weiter. Doch von den 400 Landkreisen und kreisfreien Städten machen noch längst nicht alle mit, bislang sind es nur etwa 100. Über die Gründe der Zurückhaltung kann Reinhardt nur spekulieren.
    "Ein Grund ist vielleicht, dass Warnungen auf dem Mobiltelefon nach wie vor eine relativ neue Sache ist. Da gibt es sicherlich Interesse, erst mal anzugucken: Wie sind die Erfahrungen? Lohnt es sich, das einzuführen? Aber wir führen viele Gespräche und sind guter Dinge, dass sich so ein Smartphone-App-System deutschlandweit durchsetzen wird."
    Pläne für weiteren Ausbau des Systems
    Auch bei einem Großalarm scheint, das System zuverlässig zu funktionieren. Das jedenfalls ergab ein Test vor einigen Monaten, als eine Probewarnung an 100.000 Nutzer gleichzeitig gesendet wurde. Und: Die Forscher schmieden schon Pläne, wie sich das Warnsystem weiter ausbauen ließe.
    "Warum sollte man nicht auch Warnungen an Haustechnologie anschließen? Es ist denkbar, dass man bei einem Großbrand zum Beispiel in Kitas oder in öffentlichen Gebäuden Fenster und Türen automatisch schließt, um die Menschen besser schützen zu können."