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Katzen sind auch nur Menschen

Natürlich ist der Hund der beste Freund des Menschen. Dafür hat die Katze die höheren Klickzahlen der globalen Youtube-Gemeinde. Katzenvideos sind seit Jahren ein epidemisches Internetereignis und gelten in ernstzunehmenden Wirtschaftskreisen durchaus als Geschäft mit Zukunft, wenn auch nur für einige wenige.

Von Beatrix Novy | 11.01.2013
    Mit einem witzig geschnittenen Youtube-Renner wie "Henri der existenzialistische Kater" kann einer reich und berühmt werden. Leider ist das schon geschehen. Außerdem, die eigene Katze macht ja sowieso bei nichts mit. Gegen die Verwertung in einem Buch würde sie allerdings erst recht protestieren: Nein bitte, nicht noch ein Katzenbuch.

    Da sind wir uns einig. Aber handelt es sich bei "Der unsinkbare Kater" um ein Katzenbuch? Tatsache ist: In diesen neun merkwürdigen, aus aller Welt zusammengesuchten Geschichten spielt immer eine Katze die Hauptrolle. Allerdings: Im Unterschied zu den Katzenverstehern aller Couleur lässt Gerald Sammet die nicht überbrückbare Fremdheit zwischen Mensch und Tier, Bewusstsein und Natur über jeder dieser Geschichten stehen. Was können wir erfahren von Sam, dem unsinkbaren Kater, der im 2. Weltkrieg auf den deutschen Zerstörer Bismarck geriet, eingeschmuggelt möglicherweise als Glücksbringer von einem jungen Matrosen? Der, als die Bismarck versenkt wurde, umstandslos zum Feind wechselte, auf die britische HMS Cossack, die auch versenkt wurde, worauf Sam noch einmal aus dem Wasser gefischt wurde, diesmal von Matrosen der Ark Royal.

    Mehr oder weniger wahr

    Der unsinkbare Kater: Er ist, journalistisch gesprochen, der Aufhänger für ein intensiv erzähltes Stück Militärgeschichte. Was das Tier betrifft: Es entschlief - was so vielen der Matrosen, die es geliebt hatten, nicht vergönnt war - in einem Belfaster Seemannsheim. Sams Ruhm überstieg den eines gewöhnlichen Schiffsmaskottchens, sein Lebenslauf ist eine - sagen wir - mehr oder weniger wahre Geschichte, doch vor allem eine Legende. Er verkörpert die Illusion der Unverwundbarkeit, die auch das vernünftigste menschliche Wesen unbewusst in den Krieg mitnimmt. Aber nur eine Katze hat neun Leben.

    Einem anderen Schiffskater, von dem Sammet erzählt, hat die Stadt Sydney sogar ein Denkmal gesetzt; Trim, so hieß er, war dem Entdeckungsreisenden Matthew Flinders, der um 1800 die Südsee bereiste, jahrelang Begleiter und Trost. Auch diese Geschichte handelt nicht einfach von einer Katze, sondern vom Leben auf einem Schiff, auf dem eine besonders lernfähige Katze eine soziale Rolle spielt. Ihr spurloses Verschwinden auf Mauritius war ein Unglück für Matthew Flinders, dem Reisenden fern der Heimat, der Trims Geschichte aufschrieb. Denn das Tier hatte ihm etwas bedeutet. Und vielleicht galt das ja auch vice versa.

    Kleine und große Katzen

    So wenig sentimental wie die Geschichten ist Gerald Sammets Sprache: nüchtern und einfallsreich zugleich, immer auf distanzierende Zusätze bedacht, immer mit einer Zusatzinformation, einem Nebengedanken ein wenig zurücktretend von der Sache, und sei sie noch so anrührend: Ein Kätzchen, gefunden in der Bücherklappe einer öffentlichen Bibliothek im US-Bundesstaat Iowa – aus dieser Steilvorlage machten die amerikanischen Medien einen gewaltigen PR-Coup und Dewey, die Büchereikatze, berühmt. Für Sammet ein Anlass, über die besondere Beziehung der Amerikaner zu ihren Stadtbüchereien aufzuklären.

    Schon gar nichts fürs Gemüt sind die Geschichten von größeren Katzen: vom sibirischen Tiger, der einen Waldläufer wie einen persönlichen Feind jagte, mit schrecklichen Folgen. Und vom Löwenpaar, das in British Ostafrika um 1900 ein Jahr lang spektakulär den Eisenbahnbau behinderte und ausgestopft im Chikagoer Naturhistorischen Museum endete. Ihnen widmet Sammet einen Satz von Maeterlinck: "Mutter Nacht, die Zeiten sind schlecht, und wir beide sind fast die einzigen, die den Kampf gegen den Menschen noch fortführen."

    Denn manchmal kann man nicht anders, als dem Tier menschlich verständliche Motive unterzuschieben. Und durchaus nimmt Sammet immer wieder, vorsichtig und versuchsweise, die Perspektive der Katze ein, was ganz richtig ist, denn ohne ein Minimum an Anthropomorphismus könnten wir den Tieren, die unsere Verwandten sind, nicht näherkommen. Aber bilden wir uns, vor allem, was Katzen betrifft, dabei nicht zuviel ein. Wir wissen, wie wir sie sehen. Wie sie uns sehen, darüber wissen wir fast nichts.

    Gerald Sammet: Der unsinkbare Kater. Neun Katzenleben
    Transit Buchverlag, Berlin 2012, ISBN 978-3 88747-281-8, 127 S., € 16,80