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Kaufprämie für Elektroautos
"Dass die öffentliche Hand ihren Beitrag leistet, ist richtig"

Eine Kaufprämie von 4000 Euro pro Wagen soll den Verkauf von Elektroautos in Deutschland vorantreiben. Kay Lindemann, Chef des Autoherstellerverbands VDA, hält das für ein richtiges Signal. "Deutschland sollte nicht nur Leitanbieter, sondern auch Leitmarkt sein", sagte der Lobbyist im Deutschlandfunk.

Kay Lindemann im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 28.04.2016
    Kay Lindemann, Geschäftsfüher des Verbands der Automobilindustrie, in Berlin.
    Kay Lindemann, Geschäftsfüher des Verbands der Automobilindustrie, in Berlin. (dpa / picture alliance / Paul Zinken)
    "Das Paket wird Schwung in die Elektromobilität mitbringen", sagte Lindemann über den Beschluss. 2020 sollen nach dem Willen der Politik eine Million Elektroautos auf Deutschlands Straßen fahren, Anreiz für die Anschaffung eines solchen Autos soll eine Kaufprämie von 4.000 Euro bringen. Die Hälfte davon trägt der Steuerzahler.
    Lindemann nennt das einen "fairen Deal", denn die Industrie habe Milliarden in die Forschung und Entwicklung der Autos gesteckt und so ihren Teil geleistet. Die Elektromobilität sei maßgeblich von der Autoindustrie vorangetrieben worden, sagte er. Bereits 2010 hätten sich Wirtschaft, Wissenschaft und Politik in die Hand versprochen, dass alle ihren Beitrag leisten würden.

    Das Interview in voller Länge:
    Tobias Armbrüster: Kriegt die Bundesregierung das hin mit ihrem Ziel? Im Jahr 2020 will sie eine Million Elektroautos auf deutschen Straßen sehen. Das ist das Ziel. Bislang ist die Nachfrage nach dieser Art von Auto allerdings eher gering. Deshalb soll jetzt nachgeholfen werden. Seit gestern wissen wir, jeder Käufer eines Elektroautos soll eine Prämie von 4.000 Euro erhalten. 2.000 Euro davon, also die Hälfte, übernimmt die Bundesregierung, wir können auch sagen der deutsche Steuerzahler. Viele sagen jetzt, das ist ganz klar ein Fall von Subventionierung.
    Am Telefon Kay Lindemann, Geschäftsführer beim Verband der Deutschen Automobilindustrie, einer der Cheflobbyisten der deutschen Autohersteller also. Schönen guten Morgen, Herr Lindemann.
    Kay Lindemann: Guten Morgen, Herr Armbrüster.
    Armbrüster: Herr Lindemann, das war ja eine Meisterleistung in Sachen Lobbyarbeit. Wie lange haben Sie gestern gefeiert?
    Lindemann: Ich würde sagen, das Feiern und das Jubeln, das heben wir uns für die Fußball-Europameisterschaft auf. Nichts desto trotz ist das gestern ein richtiges und auch ein überfälliges Signal gewesen. Bereits 2010 hat sich die nationale Plattform Elektromobilität das Ziel gesetzt, Deutschland nicht nur zum Leitanbieter von Elektrofahrzeugen zu machen, sondern auch zum Leitmarkt, und dazu gehören eine Reihe von Maßnahmen. Es war von Anfang an klar, dass das kein Selbstläufer werden würde. Wir sind am Beginn einer Reise, das ist kein Sprint, sondern ein Marathon, und das Paket von gestern wird Schwung in die Elektromobilität bringen.
    Armbrüster: Aber wie hilfsbedürftig ist die Autoindustrie in Deutschland denn, dass sie auf so eine Prämie von 2.000 Euro angewiesen ist, 2.000 beziehungsweise 4.000 Euro?
    Lindemann: Die Elektromobilität ist maßgeblich von der deutschen Automobilindustrie vorangetrieben worden. Wenn Sie sich die Zahlen der Forschungs- und Entwicklungsleistungen ansehen, dann haben wir allein in der Vergangenheit 14 Milliarden Euro in diese neue Antriebsform investiert, 14 Milliarden Euro.
    Am Beginn einer Mobilitätswende
    Armbrüster: Kann es sein, dass diese Investitionen in die falsche Richtung gehen, denn anders lässt es sich eigentlich nicht erklären, dass die Nachfrage nach diesen Autos nach wie vor gerade bei deutschen Herstellern so schleppend verläuft?
    Lindemann: Wie gesagt, wir befinden uns am Beginn einer Mobilitätswende, und Politik, Gesellschaft und Industrie haben sich im Prinzip versprochen und haben auch vereinbart, dass wir hier auf eine Reise gehen und jetzt einsteigen in diese Mobilitätswende. Dazu werden wir noch eine ganze Zeit lang auf einen immer besseren Verbrennungsmotor setzen, aber dazu gehört auch die Elektromobilität. Alle Hersteller, nicht nur die deutschen setzen auf diese Technologie.
    Armbrüster: Herr Lindemann, entschulden Sie bitte, wenn ich Sie kurz unterbreche. Herr Lindemann, ganz kurz nur, weil Sie von der beginnenden Wende sprechen. Andere sagen, diese Wende hat längst stattgefunden, nur die deutschen Hersteller, die haben die verschlafen.
    Lindemann: Ja, aber das hat ja nichts zu tun mit den Zahlen. Wenn Sie sich den Index von McKinsey anschauen, sehen Sie, dass die deutsche Automobilindustrie bei der Elektromobilität führend ist. Wir haben allein jetzt schon 30 Modelle im Angebot. Das kann keine Industrie der Welt bieten. Das heißt, die Industrie hat ihrerseits das Ziel des Leitanbieters schon eingelöst. In den nächsten Jahren werden weitere Angebote dazukommen. Wir werden das massiv ausbauen. Nur Deutschland muss sich die Frage stellen, will es nur Leitanbieter sein, oder haben wir als Land der Mobilität auch den Anspruch, Leitmarkt zu sein, und wollen auch auf unseren Straßen Elektrofahrzeuge haben. Alle anderen Länder sind hier schon vorangegangen, die USA, Großbritannien, Norwegen, Niederlande, China, und jetzt zieht Deutschland nach und das ist richtig.
    Armbrüster: Das mit dem Leitanbieter habe ich noch nicht so ganz verstanden. Wenn Deutschland tatsächlich so ein Leitanbieter von Elektroautos ist, warum schafft es dann ausgerechnet ein amerikanisches Unternehmen wie Tesla, das bis vor ein paar Jahren noch niemand kannte, 400.000 Vorbestellungen für sein Modell III einzusammeln, und zwar ohne Kaufprämie und zwar ohne, dass es auch nur einen Prototyp von diesem Wagen gibt?
    Lindemann: Das ist ein respektables und von uns geschätztes Unternehmen. Das gehört zum Wettbewerb dazu. Wir werden uns diesem Wettbewerb stellen. Im Übrigen gehört zur Gesamtschau auch dazu, dass dieses Unternehmen mit Milliarden subventioniert worden ist. Die deutsche Industrie hat wie gesagt alleine aus eigener Kraft 14 Milliarden Euro in die Elektromobilität investiert. Wir nehmen diesen Wettbewerber ernst, aber wir sind sehr selbstbewusst, dass wir aus diesem Wettbewerb auch als Sieger hervorgehen werden.
    Armbrüster: Aber 14 Milliarden, wie Sie sagen, investiert und bislang gerade mal 50.000 E-Autos auf deutschen Straßen, da muss ja bei Ihnen auch irgendwo die Spurensuche losgehen. Was genau läuft da falsch? Warum sind das nicht mehr Autos?
    Lindemann: Es gibt nicht die eine Schraube, an der wir drehen können. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir unter den Bedingungen eines sehr niedrigen Ölpreises im Moment agieren. Das ist natürlich aus Sicht der Elektromobilität eine Hypothek. Dazu gehört auch noch, dass wir über Infrastruktur reden. Wir brauchen das Synchronisieren des Aufbaus der Infrastruktur mit dem Angebot von guten Elektrofahrzeugen. All das muss Hand in Hand gehen und dafür ist dieses Paket gestern ein gutes Signal gewesen. Es besteht ja gerade aus verschiedenen Maßnahmen: Einer Prämie, die sich an die Konsumenten richtet, es nimmt aber die öffentliche Hand auch in die Pflicht, weil es eine Beschaffungsinitiative auf den Weg bringt, es bringt einige Veränderungen im Steuerrecht mit sich. Noch mal: Es gibt nicht die eine Schraube. Wir müssen das gesamte Bild im Blick haben.
    Elektromobilität noch kein Gewinnthema
    Armbrüster: Herr Lindemann, das hätte man, genau so hätten wir beide das schon in einem Gespräch vor, ich sage mal, drei, vier, vielleicht sogar fünf Jahren festhalten können, auch dass es schwierig ist, eine Stellschraube zu finden, schwierig ist mit der Infrastruktur, schwierig wahrscheinlich auch mit der Akkuleistung und damit mit der Reichweite. Kann es vielleicht sein, dass die deutsche Autoindustrie sich da nicht so richtig reinhängt, damit sie möglichst lange noch Geld mit Benzin oder Diesel verdienen kann?
    Lindemann: Im Gegenteil. Wir bereiten uns auf die Zukunft vor und ich verrate kein betriebswirtschaftliches Geheimnis eines unserer Hersteller. Das Thema Elektromobilität ist im Moment aus betriebswirtschaftlicher Sicht kein Gewinnerthema, aber wir packen das mit Selbstbewusstsein und auch mit Engagement an, weil es mittel- und langfristig doch keine Alternative gibt. Wir produzieren im Moment weltweit, alle, nicht nur die Deutschen, 77 Millionen PKW. Diese Zahl wird wachsen. In den Schwellen- und Entwicklungsländern verlangt man nach individueller Mobilität. Und die Gesellschaft, die Politik und die Wirtschaft, alle müssen sich doch die Frage stellen, gelingt das langfristig auf eine nachhaltige Art und Weise ausschließlich mit dem Verbrennungsmotor. Und hier kann die Antwort nur sein: Nein, wir brauchen auch den Einstieg in die Elektromobilität, und dazu müssen alle ihren Beitrag leisten.
    Armbrüster: Herr Lindemann, viele fragen sich nur auch an diesem Donnerstagmorgen natürlich, warum müssen dafür jetzt auch deutsche Steuerzahler in die Bresche springen? Hätten diese 4.000 Euro nicht auch komplett von der Autoindustrie kommen können?
    Lindemann: Die Automobilindustrie beteiligt sich an diesem Paket …
    Armbrüster: Mit der Hälfte, ja. Warum nicht zu 100 Prozent bei einer milliardenschweren Branche, einer Branche, die sich immer gerne als das Rückgrat der deutschen Industrie bezeichnet?
    Lindemann: Weil diese Industrie wie gesagt schon mit Milliarden-Investitionen in diesen Bereich investiert hat. Das ist eine Gemeinschaftsaufgabe, nicht nur der Wirtschaft allein. Die Politik muss sich auch um die Infrastruktur kümmern und hier hat man sich jetzt in die Hand versprochen, übrigens in einem überschaubaren Umfang, gemeinsam dieses Thema jetzt anzugehen mit den jeweiligen Beiträgen. Die Industrie wird ihrerseits das Angebot ja massiv ausweiten. Das heißt, wir sind ja noch längst nicht am Ende unserer Investitionen. Das sollte man, finde ich, in der Öffentlichkeit und auch in den Medien beachten und respektieren, was die Industrie für dieses Segment tut.
    Armbrüster: Das heißt, diese eine Milliarde, die wäre für die deutschen Autohersteller zu viel gewesen?
    Lindemann: Die deutsche Automobilindustrie hat ihre Hausaufgaben zu machen, und dazu gehören gute Produkte.
    Armbrüster: Ich weiß! Sie haben es schon gesagt. Es geht hier um diesen einen Betrag, über den gestern entschieden wurde. Das wäre zu viel gewesen? Das hätten die Hersteller nicht aufbringen können?
    Lindemann: Im Jahre 2010 - das ist jetzt sechs Jahre her - haben sich Wissenschaft, Wirtschaft und Politik am Beginn der nationalen Plattform Elektromobilität in die Hand versprochen, dass alle ihren Beitrag leisten dazu, dass man Deutschland auch zum Leitmarkt macht. Und dazu gehören auch Anreize aufseiten der Käufer. Und wichtig ist ja: Dieses Geld geht nicht in die Taschen der Automobilindustrie, sondern es ist ein Anreiz für die Konsumenten.
    Armbrüster: Herr Lindemann, ganz kurz nur. Wir haben nicht mehr so viel Zeit, Herr Lindemann. Ich frage nur: Diese eine Milliarde Euro, das wäre zu viel gewesen?
    Lindemann: Es geht darum, dass dieses Geld nicht für die Automobilindustrie ist, sondern das ist ein Anreiz für die Konsumenten. Die deutsche Automobilindustrie, Herr Armbrüster, bringt Geld mit für die Elektromobilität. Das hat sie in der Vergangenheit getan, das wird sie auch noch auf mittlere Sicht tun müssen. Und dass dann auch die öffentliche Hand ihren Beitrag leistet zu einer Mobilitätswende, die uns noch für Jahre und Jahrzehnte begleiten wird, ist richtig.
    Und wir reden - das ist ein wichtiger Punkt, Herr Armbrüster - von einer Prämie, die für einen kurzen Übergangszeitraum gezahlt wird. Die öffentliche Hand leistet 600 Millionen. Das heißt, wir reden über eine Stückzahl von 300.000 bis 400.000 PKW. Das würde dann im Ergebnis noch nicht mal zu einem Prozent unseres PKW-Bestandes reichen. Ich glaube, das ist ein fairer Deal.
    Armbrüster: Herr Lindemann, das ist ja nun wirklich eine Frage, die man mit Ja oder Nein beantworten kann. Diese 1,2 Milliarden, das wäre zu viel gewesen?
    Lindemann: Es geht darum, dass die Automobilindustrie ihren Anteil bringt und die öffentliche Hand ihren auch, und das ist aus unserer Sicht fair und angemessen.
    Armbrüster: Kay Lindemann war das, Geschäftsführer des Verbandes der Deutschen Automobilindustrie. Vielen Dank, Herr Lindemann, für Ihre Zeit heute Morgen.
    Lindemann: Vielen Dank, Herr Armbrüster.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.