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Kaum gebremst
Deutsche Waffen für Nahost

Auf der Rüstungsmesse IDEX in Abu Dhabi stellen Waffenproduzenten aus aller Welt aus. Auch viele deutsche Rüstungsunternehmen sind auf der Messe vertreten. Für sie sind Waffenexporte in den Nahen Osten ein lukratives Geschäft. Die deutsche Politik hingegen schwankt zwischen Moral und Wirtschaftsinteressen.

Von Wolf-Dieter Vogel | 16.03.2017
    Ein deutscher Leopard-Panzer auf einer Rüstungsmesse in Abu Dhabi
    Deutscher Leopard-Panzer auf der Waffenmesse IDEX in Abu Dhabi (dpa-picture-alliance/Jon Gambrell)
    In der Arena tobt der Krieg: Soldaten schießen auf Milizen, Panzer kreuzen, Häuser brennen. Dann greifen Kampfjets ein, die feindlichen Truppen flüchten. Die Zuschauer sind begeistert.
    Mit diesem ungewöhnlichen Schauspiel beginnt Mitte Februar die Waffenmesse IDEX in Abu Dhabi. Auf einem inszenierten Schlachtfeld demonstrieren die Streitkräfte der Vereinigten Arabischen Emirate ihre Kampfkraft. Nebenan stellen Firmen aus aller Welt fünf Tage lang Rüstungsgüter zur Schau. Auch viele deutsche Unternehmen sind dabei. Andreas von Büren vom Bundesverband der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, dem BDSV, ist zufrieden:
    "Also, wir liegen bei über 4.000 Quadratmetern dieses Jahr, 49 Unternehmen. Damit sind wir der zweitgrößte Aussteller, also außerhalb der einheimischen Industrie, nach den USA."
    "Eine sehr wichtige Gegend"
    Rheinmetall, Krauss-Maffei-Wegmann, Diehl Defence – die größte Waffenmesse des arabischen Raums zieht alle großen Konzerne an. Der Brite Jeff Rodwell vertritt das deutsche Unternehmen Renk der MAN-Gruppe.
    "Für unsere Zukunft ist das eine sehr wichtige Gegend. Wir unterliegen zwar den restriktiven deutschen Exportgesetzen, das gehört ja zum Geschäft. Aber hier handelt es sich um sehr anständige und korrekte Staaten, mit denen wir auch künftig arbeiten wollen."
    Anständige Staaten. Saudi-Arabien führt mit den Emiraten im Jemen einen Krieg, dem bereits 4.000 Zivilisten zum Opfer gefallen sind. Amnesty International spricht von Kriegsverbrechen, der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel verweigerte einige Exportgenehmigungen. Eine Entscheidung, die die Grünen-Bundestagsabgeordnete Claudia Roth unterstützt.
    "Wenn man die Rüstungsexportrichtlinien, die ja eigentlich bindend sein müssten, für Rüstungs-, Waffenlieferungen ernst nimmt und sich daran orientiert, darf man nach Saudi-Arabien keine Waffen liefern. Aus mehreren Gründen: Erstens werden die Menschenrechte dort verletzt, zweitens ist es eine Krisenregion. Und man darf in Krisen- und Konfliktregionen keine deutsche Rüstungslieferungen durchführen."
    Die Konkurrenz ist groß
    Waffenbauer dagegen befürchten, dass Gabriels Vorgehen potenzielle Käufer verschreckt. Auch im deutschen Pavillon der Waffenmesse ist das Thema virulent. Renk-Vertreter Rodwell:
    "Die deutsche Industrie ist bemüht, in dieser Frage eine offene und unvoreingenommene Position einzunehmen, damit unsere Kunden wissen, ob sie deutsche Güter kaufen können oder nicht. Die Politik der Kundschaft ist einfach: Können sie nicht in Deutschland kaufen, kaufen sie eben in einem anderen Land ein."
    Die Konkurrenz ist groß. China und Russland drängen auf den arabischen Markt. Auch deshalb betont der CDU-Bundestagsabgeordnete Joachim Pfeiffer die geopolitische Rolle der Exporte. Er kritisiert die Zurückhaltung seiner Regierung.
    "Ich halte dieses für falsch, weil wir damit unseren Interessen außen- und sicherheitspolitisch nicht genüge tun. Sondern ich glaube, es ist gut, wenn man Partner hat, dass man dann auch entsprechend Einfluss ausüben kann, und wenn wir uns an geschlossene Verträge nicht mehr halten, dann sind wir auch kein verlässlicher Partner, und zwar nicht nur für Saudi-Arabien, sondern auch für unsere anderen Partner."
    Die Armee zufriedenstellen
    Was aber hat Gabriel tatsächlich getan? Er gab kein grünes Licht für die Lieferung von Leopard-II-Kampfpanzern nach Saudi-Arabien. Und er sorgte dafür, dass Riad keine Ersatzteile für G-36-Sturmgewehre erhält. Die saudische Firma MIC baut die Waffe mit einer deutschen Lizenz. Das wollte der Sozialdemokrat stoppen. Davon könne jedoch keine Rede sein, sagt der MIC-Verkaufsleiter General Abudallatif al Shehri:
    "Einige dieser Teile stellen wir einfach in einer eigenen Werkzeugfirma her. Wir produzieren eine limitierte Menge, um einige Verträge zu erfüllen und die Armee zufriedenzustellen."
    Und der Leopard II? Der Hauptgeschäftsführer des Lobbyverbands BDSV Georg Adamowitsch hält die Aufregung um Gabriels Exportstopp für ein reines Medienereignis.
    "Das Stichwort Leopard - in welcher Form auch immer - für Saudi-Arabien ist seit über 40 Jahren eine never ending story. Es hat nie einen Leopard für Saudi-Arabien gegeben, und es wird auch in Zukunft mit Sicherheit keinen geben."
    "Es gibt eine direkte Zulieferung in den Krieg im Jemen"
    Weitere Einschränkungen gab es nicht. Im Gegenteil. Allein im letzten Jahr genehmigten die Behörden Exporte nach Saudi-Arabien im Wert von mehr als einer halben Milliarde Euro: Patrouillenboote, Hubschrauber, Ersatzteile für Kampfjets. Der Bundestagsabgeordnete der Linken Jan van Aken verweist auf weitere Lieferungen:
    "Wir wissen, dass eine Rheinmetall-Tochter in Italien, dass die Bomben geliefert hat an Saudi-Arabien, und Teile dieser Bomben, die nicht explodiert sind bei Abwurf auf Sanaa im Jemen sind dort gefunden, identifiziert worden. Das heißt, Rheinmetall hat auf jeden Fall direkt in den Krieg geliefert. Und wir wissen auch, dass die Bundesregierung Teile genehmigt hat für den Eurofighter für Saudi-Arabien, und die fliegen gerade auch über dem Jemen. Das heißt, da gibt es eine direkte Zulieferung in den Krieg im Jemen."
    Bislang jedenfalls müssen die Firmen im deutschen Pavillon in Abu Dhabi nicht fürchten, dass ihnen die umstrittene Kundschaft abhandenkommt.