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Kein Anschluss unter diesem Windrad

Der Aufbau leistungsfähiger Offshore-Windparks kommt nur langsam voran, trotz gestiegener Vergütungssätze im Erneuerbare-Energien-Gesetz, trotz milliardenschwerer Anschubhilfen durch die KfW. Der Netzanschluss verzögere sich, lautet eine Klage. Doch es gibt auch noch andere Bremsklötze.

Von Axel Schröder | 15.02.2012
    Einigkeit herrscht nur in einem einzigen Punkt unter den Beteiligten: Die Zeitpläne für die deutschen Offshore-Windpläne sind nicht einzuhalten. Leidenschaftlich gestritten wird darüber, wer denn Schuld sein könnte an dieser Entwicklung. Für die Strombranche - RWE und Eon äußern sich in dieser Causa besonders laut - steht fest: Die anderen sind Schuld. Der Netzbetreiber Tennet, die Bundesnetzagentur und die Zulieferfirmen.

    Nun müsse die Politik für höhere Vergütungssätze sorgen und der aufkeimenden Industrie auf die Beine helfen, so die Forderung der Konzerne. Matthias Kurth, Präsident der Bundesnetzagentur, kontert die Kritik:

    "Es ist kein Verschulden der Netzagentur, es ist auch kein Verschulden der Netzbetreiber. Denn was soll ein Netzbetreiber machen, der ordnungsgemäß ausschreibt, wenn er einfach keine Lieferanten bekommt, die schneller liefern?"

    Das Problem, so Kurth, seien vor allem die Lieferschwierigkeiten der Kabelhersteller: Die kämen mit der Produktion nicht nach und deshalb kann Netzbetreiber Tennet auch nicht sofort liefern. Das allerdings, so heißt es bei Tennet, sei schon immer bekannt gewesen und rechtfertige kaum die aktuelle Aufregung. Matthias Kurth bestätigt das:

    "Ich finde es etwas merkwürdig, wenn man seit Ende 2010 und das ganze Jahr 2011 schon weiß, dass es 45 Monate dauert - dass man dann plötzlich im Februar 2012 kommt und überrascht tut, dass sich alles verzögert. Da hätte man ja schon vor anderthalb Jahren kommen müssen und hätte gesagt: Dann bauen wir halt nicht! Aber warum erst jetzt?"

    Und immerhin, so Kurth, würde intensiv an einer Lösung der Probleme gearbeitet. In gemeinsamen Arbeitsgruppen, in denen die Wirtschaftsvertreter zusammensitzen mit Behördenchefs, Ministern und Juristen. Eingebunden sind das Wirtschafts- und das Umweltressort, die Netzbetreiber und die Generalunternehmer. Seit Ende letzten Jahres kommen die acht Arbeitsgruppen regelmäßig zusammen und liefern ihre Vorschläge an die sogenannte "Plattform für Zukunftsfähige Netze", angesiedelt im Bundeswirtschaftsministerium.

    Erste Resultate: Die Finanzierungsmöglichkeiten für Netzanschlüsse sind verbessert worden, die Haftungsregeln für Lieferverzögerungen und Havarien der Anlagen werden gerade angepasst, denn sonst - so die Befürchtung - könnten Netzbetreiber wie Tennet schnell an den Rand der Leistungsfähigkeit kommen.

    Auf der Suche nach den Bremsklötzen für die Offshore-Pläne geraten auch Generalunternehmer wie Siemens in den Blickpunkt. Noch vor Jahren wehrte sich die Firma gegen allzu enge Vorgaben für Umspann- und Konverterplattformen. Später, bei der Abnahme ihrer Anlagen, wurden dann zum Teil aufwendige Nachrüstungen und Änderungen verlangt, und nun wünschen sich die Planer genau die konkreten Vorgaben, die sie vorher so verdammt haben.

    Christian Dahlke, beim Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrografie zuständig für alle Offshore-Genehmigungen in deutschen Gewässern, ist denn auch irritiert über die Kopflosigkeit, mit der die Industrie das Thema angepackt hat:

    "Das hatten wir auch schon gelegentlich moniert: Dass die entsprechenden Genehmigungsverfahren jedenfalls nicht so zügig beantragt worden sind, wie bereits Verträge unterschrieben worden sind für die Fertigung der jeweiligen Plattform."

    Anders ausgedrückt: Ohne zu wissen, wie das Produkt am Ende aussehen soll, wurden Verträge über die Lieferung geschlossen. Der Änderungsbedarf war vorprogrammiert. Christian Dahlke vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrografie sitzt in der neu geschaffenen Arbeitsgruppe "Beschleunigung" des Netzausbaus. Seine Abteilung wird in Zukunft jährliche Netzausbaupläne erstellen. Die Kritik der Stromkonzerne kann Dahlke nicht nachvollziehen. Denn die Rahmenbedingungen für den Offshore-Ausbau seien besser denn je:

    "Wenn das alles nicht reicht, dann müssten jetzt die Vorschläge aus der Industrie kommen, was jetzt verbessert werden müsste, dass es dann weitergeht. Insofern arbeitet jetzt eine größere Arbeitsgruppe daran, zu identifizieren, wo jetzt eigentlich der Flaschenhals steckt. Als Genehmigungsbehörde kann ich nur wiederholen und sagen: Am Genehmigungsverfahren liegt es nicht."

    Vielleicht haben die deutschen Großkonzerne von Siemens über Eon bis RWE die Komplexität des Offshore-Wind-Projekts unterschätzt. Nun reicht man den Schwarzen Peter von einem zum anderen und schweigt über die hausgemachten Probleme. Bis der Plan der Bundesregierung, zehn Gigawatt Offshore-Leistung bis 2020, umgesetzt ist, ist noch viel zu tun.