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"Kein Ding der Unmöglichkeit"

Weitere Schritte seien notwendig, mahnt Manfred Weber, geschäftsführender Vorstand des Bundesverbandes deutscher Banken, mit Blick auf Griechenland an. Das bisherige Sparprogramm trägt den Umständen noch nicht hinreichend Rechnung.

02.03.2010
    Bettina Klein: Der griechische Ministerpräsident Papandreou hat für morgen ein Krisentreffen der Regierung angekündigt. Bei der Kabinettssitzung müssten Entscheidungen zur Wirtschaft getroffen werden, so das Büro von Papandreou gestern Abend, nur wenige Stunden nach einem Besuch von EU-Kommissar Olli Rehn, der betont hatte, es reicht nicht aus, was Griechenland bisher tut, um die Wirtschafts- und Finanzkrise zu bewältigen. Mitte März muss das Land der Europäischen Union einen ersten Zwischenbericht zum Abbau des Staatsdefizits vorlegen. Wegen düsterer Wirtschaftsdaten droht sich die Schuldenkrise Griechenlands allerdings weiter zu verschärfen.

    Wie können andere europäische Staaten oder europäische oder gar internationale Institutionen helfen, nicht zuletzt im Interesse der Gemeinschaftswährung Euro? Darüber wird nicht nur in Brüssel diskutiert und über sinnvolle Maßnahmen möchte ich jetzt sprechen mit Manfred Weber, geschäftsführender Vorstand des Bundesverbandes deutscher Banken. Guten Morgen, Herr Weber.

    Manfred Weber: Guten Morgen, Frau Klein.

    Klein: Ich möchte beginnen mit einem Zitat, mit dem Transparency International heute in der Zeitung "Die Welt" zu Worte kommt. Dort wird noch einmal geklagt über die nach wie vor bestehende Korruption in Griechenland als eine Ursache für die desolate Wirtschafts- und Finanzsituation. Müssen die europäischen Staaten für die griechische Fehlwirtschaft einstehen?

    Weber: Nein, das würde ich nicht so sagen. In diese Situation hat sich die griechische Politik selbst gebracht, indem sie Missstände wie Korruption, aber auch Misswirtschaft in den öffentlichen Finanzen zu lange geduldet hat, toleriert hat, selbst betrieben hat. Von daher ist es auch in erster Linie griechische Aufgabe, hier nun für Abhilfe zu sorgen.

    Klein: Dennoch können die europäischen Staaten natürlich nicht zuschauen, wie es mit der Gemeinschaftswährung Euro bergab geht. Also die Hände in den Schoß legen, wird auch nicht ausreichen?

    Weber: Nein, das ist richtig. Wir sind in einer Währungsunion, die Währungsunion ist eine Art Schicksalsgemeinschaft. Den Griechen steht ökonomisch ausgedrückt auch nicht mehr das manchmal zu einfache Instrument zur Verfügung, die eigene Währung, früher also die Drachmen, nun einfach abzuwerten und sich von daher zumindest zeitweise etwas Luft zu verschaffen, sondern eine solche Geschichte kann durchaus Auswirkung in der Währungsunion haben. Ich neige aber nicht dazu, hier zu dramatisieren. Dafür ist das Gewicht Griechenlands nicht zu groß. Aber noch einmal: Hier muss Abhilfe geschaffen werden und es sollte insbesondere auch eine Lehre sein für alle anderen Länder. Wir haben im Gefolge der Finanz- und Wirtschaftskrise in praktisch allen Euro-Ländern überzogene Defizite hinnehmen müssen, um die Krise zu bekämpfen, in einigen mehr, in anderen weniger, aber hier gibt es deutliche Unterschiede. In Südeuropa ist der Handlungsbedarf eindeutig größer als im nördlichen Teil.

    Klein: Sie sprechen es an: Griechenland hat ein nicht so sehr starkes Gewicht, was die Wirtschaftskraft angeht. Etwas anders sieht es schon aus bei Spanien und Italien zum Beispiel, und da besteht ja die Sorge, dass die Finanzkrise auf diese beiden Länder überschwappen könnte. Wenn Sie von Abhilfe sprechen, die man bedenken müsse, woran denken Sie?

    Weber: Griechenland hat ja ein Sparprogramm vorgelegt. Aktuell, im vergangenen Jahr, hat Griechenland ein Defizit in den öffentlichen Haushalten ausgewiesen von fast 13 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Das muss nun Schritt für Schritt, aber mit nachhaltigen und großen Schritten zurückgeführt werden. Ich bin der Auffassung der Bundesregierung und der EU-Kommission: Das Sparprogramm, wie es bis jetzt vorliegt, trägt den Umständen noch nicht hinreichend Rechnung. Hier sind weitere Schritte notwendig. Das ist nicht einfach, das ist nicht leicht, aber es ist auch kein Ding der Unmöglichkeit.

    Klein: Der Chef der Euro-Gruppe, Jean-Claude Juncker, der luxemburgische Regierungschef, hat verbal zumindest mit Folterwerkzeugen gedroht, die man im Keller habe. Welche Folterwerkzeuge hat die Euro-Gruppe denn, oder war das eigentlich mehr Wortgetöse?

    Weber: Das müssen Sie Herrn Juncker selbst fragen, da will ich nicht über seine Äußerungen spekulieren. Klar ist doch: Es ist wirtschaftlich sowie politisch kaum vorstellbar, dass ein Land aus der Euro-Zone wieder ausscheidet. Es würde diesem Land selbst wirtschaftlich nicht helfen, sondern schaden, und natürlich wäre es auch für den Euro nicht gut. Aber die Verantwortlichkeiten müssen klar bleiben. Die anderen Länder haben nicht zu vertreten die Situation, in der sich Griechenland nun befindet. Was die Stabilität des Euro angeht im Übrigen – und das ist ja das, was viele Menschen umtreibt -, habe ich hier großes Zutrauen in die Europäische Zentralbank, dass sie ihre bisherige Stabilitätspolitik auch unter diesen schwierigen Umständen fortsetzen wird.

    Klein: Mir ist noch nicht ganz klar geworden, Herr Weber, was Sie sozusagen als Abhilfemaßnahmen auf europäischer Seite vorschlagen würden.

    Weber: Da sollte man nicht vorschnell sein. Manch einer denkt ja daran, dass die Gemeinschaft Schulden der Griechen übernehmen könnte, oder Ähnliches. Das ist schon durch die Europäischen Verträge ausgeschlossen, die berühmte No Bail Ou"-Klausel. Deshalb sage ich immer wieder, hier ist Griechenland selbst gefordert. So etwas kann man abdecken. Man wird sehen müssen, dass die Griechen diesen Weg konsequent verfolgen. Für mich gehören Maßnahmen dazu wie eine sehr strenge Überwachung des griechischen Sparprogramms. Eine erste Untersuchung ist ja für März jetzt wieder angekündigt. Da müssen Kommission und Europäische Zentralbank ganz nahe dran bleiben. Im Übrigen müssen die Griechen ein Weilchen damit leben, dass sie nun auch höhere Risikoprämien für ihre Staatstitel an den Märkten bezahlen müssen.

    Klein: In Rede steht nun auch der Internationale Währungsfonds, der möglicherweise einspringen könnte. Wäre das eine gute Idee?

    Weber: Das ist eine andere Überlegung. Der Internationale Währungsfonds hat ja diesbezüglich große Erfahrung über viele Jahre sammeln können. Er kann finanzielle Unterstützung geben, die dann aber auch mit Auflagen, wieder auf den richtigen Weg zu kommen sozusagen, verbunden sind. Umgekehrt kann man allerdings sagen, ob wir nicht in einer Währungsunion selbst sozusagen verpflichtet sind, die Dinge hier in Europa in die Hand zu nehmen.

    Klein: Ein weiterer Punkt ist die Überlegung, die Finanzpolitik wird in der Europäischen Union gemeinsam gesteuert über die EZB. Bei der Abstimmung der Wirtschafts- und Finanzpolitik sieht es etwas anders aus. Sehen Sie da größeren Abstimmungsbedarf in Zukunft?

    Weber: Wir haben eine gemeinsame Geldpolitik – Sie sagten Finanzpolitik - in der Europäischen Zentralbank.

    Klein: Ich meinte Geldpolitik. Entschuldigung!

    Weber: Wir haben keine gemeinsame Wirtschaftspolitik. Ich glaube, das ist auch nicht erforderlich. Wir brauchen aber eine bessere Koordination in der Vergangenheit. Insofern muss sich auch die Kommission und müssen alle wir in Europa uns an die eigene Brust klopfen, denn dass in Griechenland Fehlentwicklungen im Gange sind, ist keine Erkenntnis der letzten Wochen. Manches konnte man hier schon vorher sehen. Und wir müssen dafür sorgen, dass dann auch stärker eingegriffen werden kann und nicht erst das Geschrei groß ist, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist. Ich warne allerdings vor einer gemeinsamen Wirtschaftsregierung. Dies sind Vorstellungen, die in Frankreich immer wieder hoch werden. Koordination ja, damit die Leitplanken für alle gleich sind, aber eine gemeinsame Wirtschaftsregierung ist nicht das, was wir in der Währungsunion brauchen.

    Klein: Der Wert des Euro sinkt, wir sind bei 1,35 im Vergleich zum Dollar, wenn ich es richtig sehe, heute Morgen ungefähr. Daran ist nicht nur Griechenland beteiligt, sondern auch Spekulanten, wie man hört, Hedgefonds, die dafür sorgen, dass die Gemeinschaftswährung weiter fällt im Kurs. Was ist dagegen zu unternehmen?

    Weber: Ich sehe hier an den Märkten noch keine dramatischen Entwicklungen. Es ist eigentlich etwas Normales, dass ein Marktteilnehmer sich überlegen kann, wie wirkt sich das auf den Euro aus, wie wirkt sich das auch auf die Zinsen aus, die Griechenland künftig zu zahlen hat, wenn es neue Staatsanleihen an den Märkten begeben will. Wir haben an den Märkten, meine ich, nicht ein Problem der Stabilität des Euros, wenn wir im Moment auch eine Abschwächung beobachten. Ich glaube nicht, dass sich das dauerhaft fortsetzen wird. Wir haben vielmehr das Problem, dass es einige Instrumente gibt in den Finanzmärkten, wo noch nicht die nötige Transparenz geschaffen worden ist. Hier wird dran gearbeitet. Ich spreche zum Beispiel über Kreditausfallversicherungen, die an sich ein sehr sinnvolles Instrument darstellen, um sich absichern zu können. Aber wir brauchen hier Transparenz. Das erreicht man zum Beispiel dadurch, indem der Großteil solcher Produkte künftig über Börsen gehandelt wird.

    Klein: Kurz noch ein Wort zum britischen Pfund, das weiter auch an Wert verliert. Ist die Gefahr groß?

    Weber: Die Briten sind auch in einer schwierigen Situation nach der Finanz- und Wirtschaftskrise, oder durch die Finanz- und Wirtschaftskrise genauer gesagt. Sie werden sehen müssen, was für sie der zielführende Weg ist. Sie haben eine große Abhängigkeit vom Finanzmarkt, viel stärker als andere Länder, und haben sozusagen kaum ein adäquates zweites Standbein, das bei uns in Deutschland beispielsweise ganz, ganz anders aussieht. Der Finanzmarkt ist hier relativ gesehen nicht so bedeutend und wir haben eine international äußerst wettbewerbsfähige Industrie und einen wettbewerbsfähigen Mittelstand. Großbritannien ist aber auch ein gutes Beispiel dafür, wie im Übrigen auch die USA, dass nicht nur einige Länder auf dem Kontinent Europas jetzt Probleme haben. Auch in Amerika ist ja die Verschuldung drastisch angestiegen.

    Klein: Wir müssen hier leider zum Ende kommen. – Manfred Weber war das, herzlichen Dank. Er ist geschäftsführender Vorstand des Bundesverbandes deutscher Banken.