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Kein Ende der Schlammschlacht

Geologie. - Der Ausbruch des Schlammvulkans Lusi auf der indonesischen Insel Java vor zwei Jahren war ein schwarzer Tag für die dicht besiedelte Region. Seitdem hat der Schlamm zwölf Dörfer verschlungen, 15.000 Menschen vertrieben, Fabriken, Straßen, eine Eisenbahnlinie und eine wichtige Stromversorgungslinie zerstört. Über die Ursache der Katastrophe wird bis heute gestritten. Ein Forscherteam aus Oslo beschreibt in einer neuen Studie, was ihrer Meinung nach passiert ist.

Von Dagmar Röhrlich | 07.05.2008
    Metertief versinkt das Land unter grauem Schlamm, der penetrant nach faulen Eiern stinkt: Seit auf Java im Wunut-Erdgasfeld der Schlammvulkan Lusi ausbrach, hat die zähe Masse Tausende von Häusern verschlungen, von denen nur noch ein paar Dachgiebel aus dem Schlamm emporragen. Und Lusi spuckt weiter: Zu seinen besten Zeiten ist es so viel Schlamm, dass man pro Stunde 48.000 Badewannen damit füllen könnte, erklärt Adriano Mazzini von der Universität Oslo. Von Anfang an hat sich der Schlammvulkanspezialist mit der Situation auf der indonesischen Insel beschäftigt. Inzwischen war er dreimal mit Forschungsteam vor Ort:

    " Der Ausbruch begann am 29. Mai 2006, fast zwei Tage nach einem Beben der Stärke 6,3 in etwa 200 Kilometern Entfernung. Außerdem wurde rund 200 Meter von der Ausbruchstelle entfernt eine Erdgas-Erkundungsbohrung niedergebracht. Deshalb wird darüber gestritten, was den Ausbruch ausgelöst hat, das Erdbeben oder die Bohrung. Meiner Meinung nach ist es bei diesem Streit wichtig, zwischen der Ursache und dem Auslöser zu unterscheiden. "

    Die indonesische Ölfirma Lapindo Brantas hatte die Erkundungsbohrung nicht mit Rohren gesichert. War das der Auslöser, weil die Bohrung unterhalb der unter Überdruck stehenden Schlammschicht einen Grundwasserleiter "anpiekste", die eine Verbindung zwischen beiden Horizonten schaffte? Oder war es das Beben, wie Adriano Mazzini von der Universität Oslo vermutet?

    " Die geologische Struktur dort ist geradezu ideal für die Entstehung von Schlammvulkanen, und es gibt dort mehrere, nicht nur Lusi. Im Untergrund sind große Mengen an tonreichen Sedimenten, die unter Überdruck stehen, und dazu viel Wasser und Kohlenwasserstoffe. So entsteht ein Ton-Wasser-Gasgemisch, das aufsteigen will. Lusi brach an einer Störung aus, einer Schwächezone im Gestein also. Meiner Meinung nach hat ein Beben diese Schwächezone aktiviert und die Spannungsverhältnisse so verändert, dass der Schlammvulkan ausbrach. "

    Mazzini und sein Team haben etliche Argumente für ihre Sicht zusammengetragen: So erkennt man beispielsweise in seismischen Profilen aus den 80er Jahren genau dort, wo heute Lusi ausbricht, im Untergrund eine Struktur, in der sich der Schlamm bereits aufwölbt:

    " Außerdem begann die Eruption von Lusi an acht Stellen gleichzeitig, die sich wie Perlen an dieser Störung entlang aufreihten. "

    Das System sei vor dem Ausbruch in einem unberechenbar kritischen Zustand gewesen. Von Anfang an hätten Erdbeben diktiert, was passiert, so Mazzini:

    " Während unserer Geländearbeiten konnten wir nachweisen, dass der Schlammflusses stärker wird, wenn irgendwo im Umkreis von 100 oder 150 Kilometern die Erde bebt. Danach klingt die Aktivität langsam etwas ab, um beim nächsten Beben erneut anzusteigen. "

    Der Schlammvorrat in der Erde könnte so groß sein, dass der Ausbruch noch Jahre andauert. Die graue Flut mit Zementkugel zu verlangsamen, gelang nicht. Deshalb überlegt man derzeit, Lusi mit Dynamit in die Luft zu jagen.

    " Ich persönlich würde das nicht versuchen, denn das Areal ist ohnehin verloren und wir wissen jetzt, was passiert. Wenn wir den Schlammvulkan einfach verschließen, bleibt der Überdruck bestehen, und irgendwann bricht der nächste ein paar hundert oder tausend Meter entfernt aus. Wir würden das Problem nur verlagern. "

    Um die Lage zu entspannen, verfolgen die Behörden eine weitere Strategie. Ein Teil des 80 bis 100 Grad heißen Schlamms wird in einen Fluss gepumpt, der alles ins Meer schaffen soll. Weil die Pumpen mit Lusi nicht Schritt halten, möchte man den Schlamm über einen Kanal direkt in den Fluss leiten. Ein riskanter Plan. Denn de klebrigen Massen könnten den Fluss verstopfen und die Millionenstadt Surabaya überschwemmen. Außerdem fürchtet die Umweltorganisation der Vereinten Nationen, dass der giftige Schlamm Fluss und Meer verseucht. Das wäre dann auch das Ende für die Krabbenfarmer an der Küste.