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Kein Erdogan-Auftritt in Deutschland
Verärgerung in der Türkei

Die Bundesregierung will dem türkischen Präsidenten Erdogan einen Auftritt vor Anhängern in Deutschland am Rande des G20-Gipfels verwehren. Außenminister Gabriel verwies auf ein höchstrichterliches Urteil. Die Türkei reagiert verärgert.

29.06.2017
    Auftritt des türkischen Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan im Tempodrom in Berlin. Der Premier sprach 2014 vor tausenden Anhängern auf der von den European Turkish Democrats (UETD) organisierten Veranstaltung.
    Auftritt des türkischen Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan im Tempodrom in Berlin 2014. (imago - Christian Mang)
    Das Bundesverfassungsgericht hatte im März klargestellt, dass ausländische Regierungsmitglieder weder nach dem Grundgesetz noch nach dem Völkerrecht Anspruch auf einen Auftritt haben. Außenminister Gabriel sagte während eines Besuchs in Russland, angesichts der Konflikte mit der Türkei passe ein öffentlicher Auftritt Erdogans derzeit nicht in die politische Landschaft. Zudem gebe es während des G20-Gipfels in Hamburg nicht genügend Polizeikräfte, um eine solche Veranstaltung zu sichern. Man werde der Türkei mitteilen, dass ein Auftritt Erdogans in Deutschland nicht möglich sei.
    Zuvor hatte bereits ein Regierungssprecher in Berlin erklärt, es sei eine abgestimmte Haltung, dass es drei Monate vor der Bundestagswahl keine Auftritte von Nicht-EU-Politikern in Deutschland geben solle.
    Im Frühjahr hatte Erdogan noch auf Auftritte verzichtet
    Gestern war eine offizielle Anfrage seitens der Türkei in Berlin eingegangen. Bislang hat die Bundesregierung auf Auftrittsverbote für ausländische Politiker verzichtet. Zuletzt war die Frage im Frühjahr aufgekommen, als türkische Politiker im Vorfeld des Verfassungsreferendums in der Türkei hierzulande sprechen wollten. Damals hatte Erdogan auf einen Auftritt in Deutschland verzichtet.
    Innenminister de Maizière (CDU) sagte der "Bild"-Zeitung, es wäre "nicht akzeptabel, wenn im beginnenden Wahlkampf der Versuch von außen unternommen würde, Einfluss zu nehmen". Zudem betonte er: "Die Türkei ist und bleibt ein wichtiger Partner für uns ebenso wie wir es für die Türkei sind." Leider seien die Beziehungen derzeit nicht einfach, Grund seien eine Vielzahl von innenpolitischen Entscheidungen der Türkei.
    Der CDU-Politiker Wellmann nannte es im Deutschlandfunk eine Provokation, dass der türkische Präsident überhaupt einen Auftritt in Deutschland beantragt habe. Er warf Erdogan vor, für ein undemokratisches System werben zu wollen. Die Sicherheitslage während des G20-Gipfels in Hamburg sei ohnehin angespannt, betonte Wellmann. "Hier noch Öl ins Feuer zu gießen und seine Landsleute aufzuwiegeln, ist ganz und gar unmöglich und schlichtweg unerwünscht aus unserer Sicht."
    Deutsche Politiker geschlossen gegen Erdogan-Auftritt
    CSU-Generalsekretär Scheuer schrieb auf Twitter, die Forderung nach der Todesstrafe sei in der Türkei schlimm genug. Erdogan dürfe diese in Deutschland nicht wiederholen.
    Auch der SPD-Vorsitzende und Kanzlerkandidat Schulz hatte sich angesichts der Inhaftierung Oppositioneller in der Türkei gegen einen Auftritt Erdogans ausgesprochen.
    Der gleichen Argumentationslinie folgten die Linken-Fraktionsvorsitzende Wagenknecht und Grünen-Chef Özdemir. Die Opposition hatte die Regierung zu einer klaren Haltung aufgefordert. Die Verantwortung für eine Absage an Erdogan dürfe nicht wieder auf die Kommunen und die Feuerwehren abgeschoben werden, erklärte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, Hänsel.
    Türkei reagiert erbost
    Die türkische Regierung reagierte verärgert. Ein Sprecher des Außenministeriums nannte es bedauerlich, dass einige Politiker in Deutschland inakzeptable Kommentare vor dem Hintergrund innenpolitischen Kalküls abgäben. Dem SPD-Kanzlerkandidaten Schulz warf er "Doppelmoral" vor. Schulz hatte Erdogans Verhalten vor einigen Tagen als das eines "autokratischen Herrschers" bezeichnet.
    Eine Mahnwache von Erdogan-Unterstützern während des G20-Gipfels wurde vom Verwaltungsgericht Hamburg verboten. In einer Erklärung hieß es, die Mahnwache blockiere trotz ihres friedlichen Charakters die Rettungs- und Evakuierungswege zu einem Hotel, in dem "Schutzpersonen der Gefährdungsstufe 1 und 2 untergebracht" seien. Medienberichten zufolge will Erdogan dort übernachten.
    (vic/am)