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"Kein erhöhtes Risiko für Hirnkrebs"

Laut einer neuen Studie sind Mobiltelefone keine Krebsauslöser. Vieltelefonierern und Kindern rät Thomas Jung vom Bundesamt für Strahlenschutz dennoch zur Vorsicht.

Thomas Jung im Gespräch mit Jule Reimer | 18.05.2010
    Jule Reimer: Über die Auswirkungen von Funkwellen und Strahlen auf den menschlichen Körper lässt sich trefflich streiten, vor allem darüber, ob eine Verbindung zu Krebserkrankungen besteht. Jetzt wurden die Ergebnisse der bisher größten Studie zu dem Thema präsentiert, der multinationalen Interphone-Studie: 13.000 Testpersonen nahmen daran teil und am Telefon in Berlin bin ich jetzt mit Thomas Jung verbunden, Experte beim Bundesamt für Strahlenschutz. Herr Jung, wie war denn bisher der Forschungsstand und hat sich jetzt der Verdacht der krebsauslösenden Handys erhärtet oder abgeschwächt?

    Thomas Jung: Der bisherige Forschungsstand war der, wir haben in Deutschland von 2002 bis 2008 ein großes Mobilfunkforschungsprogramm durchgeführt und kurz zusammengefasst war eigentlich das Ergebnis das, dass unterhalb der Grenzwerte wir keine schädigenden Wirkungen gefunden haben. Allerdings mit folgenden Einschränkungen: Wir wissen zu wenig über Wirkungen auf Kinder und wir wissen zu wenig über die Langzeitwirkungen.

    Reimer: Und das Ergebnis dieser Studie hat jetzt den Verdacht erhärtet oder geschwächt?

    Jung: Das Ergebnis der Studie ist ja erst mal das, dass kein erhöhtes Risiko für Krebse im Gehirn gefunden wurden; es war nur, bei einer Gruppe gab es Hinweise, dass möglicherweise ein erhöhtes Risiko da ist. Die Internationale Agentur für Krebsforschung in Lyon, die ja die Studie geleitet hat, hat daraus den Schluss gezogen, dass es kein erhöhtes Risiko für Hirnkrebs gibt.

    Reimer: Aber bei Vieltelefonierern warnt doch zumindest ein Teil der Wissenschaftler schon, dass eine gewisse Vorsicht geboten ist?

    Jung: Ja, das machen wir vom Bundesamt für Strahlenschutz auch, weil wir über diese Langzeitwirkungen noch zu wenig wissen. Und auch die in der Interphone-Studie gibt uns über die Langzeitwirkungen eigentlich kaum Auskunft. Die Studiendauer ist etwa zehn Jahre, das heißt wir können Aussagen treffen für eine zehnjährige Nutzung von Mobiltelefonen und darüber hinaus wissen wir eigentlich noch nichts.

    Reimer: Das heißt, man braucht sich eigentlich doch nicht vor Handys in acht zu nehmen, zumal Handys ja auch immer strahlenärmer werden?

    Jung: Also wir haben ja das Phänomen, dass die Handynutzung sich in der Studienzeit auch stark verändert hat. Es wird viel häufiger telefoniert, immer jüngere Personen nutzen ein Handy und von daher ist eine gewisse Vorsicht mit Sicherheit angeraten. Auf der anderen Seite, wie Sie richtig gesagt haben: Die Emission, also die Strahlenbelastung durch die Handys selbst, wird geringer durch die technische Entwicklung. Aber wir wissen viel zu wenig, wie das auf die Kinder wirkt, und wir wissen auch noch nicht, wie das auf die lange Zeit wirkt.

    Reimer: Sie haben explizit Kinder angesprochen – was würden Sie denn Eltern empfehlen, das ist ja heute auch gängig, dass Kinder ein Handy besitzen, das tragen die mit sich rum, die sind jederzeit erreichbar, das ist auch sehr praktisch, das kann auch beruhigend wirken.

    Jung: Also das kann man glaube ich heute kaum noch vermeiden, weil es gehört glaube ich für die Kinder in der Schule ab einem gewissen Alter zum Status dazu, auch ein Handy zu besitzen. Beziehungsweise, die keins haben, fühlen sich fast schon ausgegrenzt. Auf der anderen Seite ist es so, man kann an die Kinder appellieren, wirklich nur dringend notwendige Gespräche zu führen, dann gibt es ja immer mehr diese textbasierten SMS zum Beispiel, bei denen hat man das Telefon ja nicht am Ohr, sondern weit vom Körper entfernt, da ist die Strahlenbelastung deutlich geringer. Und wenn ein Festnetztelefon da ist, soll es einfach schick sein, das Festnetztelefon zu benutzen.

    Reimer: Also nicht am Körper tragen, das ist besonders wichtig?

    Jung: Möglichst weit vom Körper weg halten, ja.

    Reimer: Schönen Dank! Das waren Informationen von Thomas Jung, Experte beim Bundesamt für Strahlenschutz über die Ergebnisse der Interphone-Studie, die Langzeitwirkung von Handys ist nach wie vor nicht eindeutig geklärt.