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Kein gutes Geschäft

Obwohl acht Millionen Mädchen und Frauen in den USA Fußball spielen und die Nationalmannschaft zu den besten der Welt gehört, kränkelt auch die zweite Auflage einer Profiliga.

Von Jürgen Kalwa | 15.05.2011
    Man kann in einer kargen New Yorker Sporthalle am Ufer des Hudson durchaus ein bisschen Flair der großen weiten Welt erzeugen. Zum Beispiel mit einer Broadway-Sängerin, die die Nationalhymne schmettert. Und mit dem Spielmannszug einer Mädchenschule in vollem Ornat.

    Und mit einem Stargast – wie Steffi Jones, Chefin des Organisationskomitees der Frauenfußball-Weltmeisterschaft, die an diesem Nachmittag auf ihrer Welttournee in New York Station macht und in perfektem Englisch für das Ereignis wirbt.

    "You will see a great World Cup, great teams, great stadiums. And if not you will see it here on televison. ESPN is going to show all the games, as far as I know."

    Der nützliche Hinweis, dass das amerikanische Fernsehen alle Spiele von der Frauen-WM live übertragen wird – selbst Japan gegen Mexiko und Nordkorea gegen Kolumbien – dürfte in dem Trubel der Harlem Soccer Clinic der jungen Fußballerinnen untergegangen sein. Bemerkenswert war die Information dennoch. Denn sie unterstrich – ganz beiläufig – den Stellenwert, den der Frauen-Fußball in den USA hat.

    Man denke nur an das Finale der Frauen-WM 1999, sagt Christine Buchbinder, Pressesprecherin von ESPN beim Gespräch am Hauptsitz des Senders in Bristol:

    ""Die Amerikaner mögen Erfolge und sie mögen große Events. Ein Beispiel ist das Spiel zwischen den USA und China. Es erzielte die höchste Einschaltquote mit durchschnittlich 17,89 Millionen Zuschauern.”"

    Das Reservoir im Land des zweifachen Weltmeisters und dreifachen Olympiasiegers ist imposant. Rund 8 Millionen weibliche Aktive vor allem im Schulalter betreiben "The Beautiful Game”. Aber solche Zahlen schlagen sich kurioserweise nicht im Profibereich nieder.

    Als 2001 zum ersten Mal eine Liga den Betrieb aufnahm, war das Startkapital von 50 Millionen Dollar nach nur drei Jahren verbraucht. Der zweite Versuch, der seit 2009 unter dem Namen Women’s Professional Soccer läuft, hat es nicht leichter. Mehrere Teams aus der Gründungsphase sind bereits von der Landkarte verschwunden. Noch am besten hält sich der Sky Blue FC vor den Toren von New York, den der aus Deutschland stammende Thomas Hofstetter auf die Beine gestellt hat und finanziert.

    ""Insgesamt geht’s bergauf. Sponsoren haben wir mehr. Ticketverkauf ist mehr. Aber insgesamt ist es hart. Das möchte ich wirklich nicht schönfärben. Wir haben die Kostenstruktur wirklich hart zusammengeschnitten.”"

    Die Zuschauerzahlen liegen bei etwas über 2000 pro Spiel. Aber die Medienresonanz ist mager.

    ""Fernsehen kostet uns Geld. Das heißt, wir tragen die Hälfte der Kosten vom Fox Soccer Channel. Aber darüber sind wir sehr froh, dass wir überhaupt im Fernsehen sind. Ohne Fernsehen wäre es mit den Sponsoren noch schwieriger.”"

    Der Verband ist keine Hilfe.

    ""Letztlich sind wir auf uns selber gestellt. Wir haben momentan genau die Diskussion mit dem Verband, wo wir sagen: ‘Hört mal zu, ihr müsst euch fragen, wie wichtig es für euch ist, dass ihr einen professionelle Frauenliga habt. Wenn die Antwort ist, es ist wichtig, dann würden wir schlagen, dass ich euch ein bisschen mehr engagiert.’”"

    Sicher. Mangelnde Präsenz im Fernsehen, zu niedrige Marketing-Budgets, zu wenige prominente Spielerinnen sind erhebliche Hürden. Aber es gibt da noch etwas anderes. Etwas, was die ehemalige deutsche Nationalspielerin Maren Meinert ermittelte, die nach ihrem Abstecher in die erste US-Profiliga an der Sporthochschule Köln eine Diplomarbeit zum Thema "Amerikanisches Sportpublikum – Eine empirische Untersuchung der Frauenfussball-Zuschauer in Boston” schrieb.

    ""Das war in Amerika eher so, dass da die ganze Familie hinging, also Vater, Mutter, Kinder. In Boston zm Beispiel waren 24 Prozent der Besucher männlich und 76 Prozent weiblich. In Deutschland da waren klar mehr Männer da.”"

    Ist der Frauenfußball in den USA auf der Suche nach seinem Zielpublikum womöglich in einer Nische gelandet, wohin ihm die markt- und renditebewussten Fernsehsender und Sponsoren nicht folgen? Das ist nur ein Teil der Crux, sagt Thomas Hofstetter, dessen älteste Tochter in New Jersey zu den besten Nachwuchstalenten gehört. Er hat festgestellt, dass sin den Köpfen der jungen Fußballerinnen ein Funke so gut wie nie überspringt.

    ""Meine Meinung ist, dass Fußball mehr als Exercise-Sport gemacht wird. Weil da nicht die Passion da ist, die Leidenschaft wie in den Fußballnationen. Die Mädchenfußballer, die kennen die Namen der große Stars nicht mal und die schauen keinen Fußball im Fernsehen.”"

    Kathryn Olson, die Geschäftsführerin der Women’s Sports Foundation, einer sehr erfolgreichen und meinungsfreudigen Organisation zur Förderung der Gleichbehandlung von Frauen im amerikanischen Sport, sieht trotzdem eine Chance für den professionellen Frauensport, ein weibliches Publikum heranzuziehen und auf dem Weg die Gesellschaft gleich mitzuverändern:

    ""Man kann Fortschritte erkennen, aber es gibt noch einiges zu tun. Das muss in den Familien beginnen, wo Jungen und Mädchen, Männer und Frauen zusammen Sport anschauen. Solche Gewohnheiten werden Menschen in der Jugend vermittelt.”"

    Dazu braucht es vermutlich Jahre, wenn nicht Jahrzehnte. Dass die Liga so viel Zeit hat, mag man nicht glauben. Die wirtschaftliche Uhr tickt unerbittlich. Weshalb Steffi Jones vor ihrer Abreise nach Frankfurt den Vergleich zu Deutschland ins Gespräch brachte, wo die Verantwortlichen beim Aufbau des Frauen-Profi-Fußballs keinesfalls leichtere Voraussetzungen vorfinden. Sie hält es für klüger:

    ""Dass man nicht etwas ganz oben ansetzt, sondern dass man erstmal das Fundament schafft und darauf aufbaut. Das ist etwas, was vielleicht auch hier wirken könnte und sich halten könnte. Deswegen wünsche ich mir einfach, dass sie jetzt stabil wird und dass man vielleicht die Maßstäbe anders setzt und herunter setzt, dass es auch langfristig Wert hat und nicht jedes Jahr kämpfen muss, dass ein Verein ausfällt oder wegfällt.”"

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