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Kein Mut zum harten Durchgreifen

Das Klimaschutzpaket der Bundesregierung muss nach Ansicht mehrerer Umweltverbände dringend um schärfere Auflagen erweitert werden. Die ohnehin unzureichenden Beschlüsse vom August vergangenen Jahres seien mit den konkreten Gesetzentwürfen weiter verwässert worden, kritisierten Organisationen wie Greenpeace und der Naturschutzbund (NABU). Vor allem die Automobilindustrie und die Energieerzeuger wollen sie stärker in die Pflicht nehmen

Von Dieter Nürnberger | 29.04.2008
    Zuallererst bekräftigen die Umweltverbände, dass die Beschlüsse von Meseberg, das Klimapaket also, weiterhin richtig und notwendig seien, dass die Bundesregierung hier einen richtigen Weg eingeschlagen habe. Allerdings, so könnte man die Hauptkritik zusammenfassen, nur auf dem Papier. Denn es gehe immerhin um eine Einsparungssumme von rund 270 Millionen Tonnen CO2 bis 2020, das sind die berühmten 40 Prozent, die bis zu diesem Zeitpunkt reduziert werden müssten im Vergleich zu 1990. Und die bisher bekannten Maßnahmen zur Erreichung des Ziels würden eben nicht ausreichen, zudem bestehe derzeit die Gefahr, dass manche Maßnahmen zudem noch verwässert würden.

    Man erinnert hier daran, dass im Wirtschaftsministerium beispielsweise andere Vorstellungen eine Rolle spielen würden als etwa im Bundesumweltministerium. Die Schwachpunkte der Maßnahmen zum Klimapaket macht Helmut Röscheisen, der Generalsekretär des Deutschen Naturschutzrings, vor allem in der Verkehrs- und Energiepolitik fest.

    "So haben wir beispielsweise kritisiert, dass die Politik nicht den Mut hatte, ein gesetzliches Tempolimit auf Autobahnen einzuführen und beispielsweise auch keine ordnungsrechtliche Regelung für den Stand-By-Betrieb von Elektrogeräten. Es gibt auch keine Maßnahmen gegen den zunehmenden Einsatz von schweren Geländefahrzeugen. Was wir auch vermissen, ist eine verbindliche Einführung eines Energiemanagements: Hier geht es um den Bereich der Wirtschaft und auch von öffentlichen Einrichtungen - damit endlich einmal systematisch erkannt wird, welchen Energieverbrauch haben wir und wie kann er professionell reduziert werden? Dies alles fehlt."

    Der Vorwurf von Helmut Röscheisen lautet daher wie folgt: Mit den jetzigen Gesetzesvorlagen ließen sich die angestrebten Verringerungen der Treibhausgase um 40 Prozent bis 2020 nie und nimmer erreichen. Und somit verfehle auch ein wesentlicher Baustein des Klimapaketes, nämlich das Gesetz zur Förderung Erneuerbarer Energien im Wärmebereich, seinen Zweck, denn die dortigen Potenziale würden doch nur sehr unzureichend erschlossen, sagt zumindest Carsten Wachholz. Er ist Energiereferent beim Naturschutzbund Deutschland, kurz NABU.

    "Die geplante Nutzungspflicht zum Einsatz von Biomasse, Solar- und Geothermie soll zunächst nur für Neubauten gelten. Damit werden rund 80 Prozent des Klimaschutzpotenzials durch erneuerbare Energien nicht erschlossen, weil die nämlich im Gebäudebestand liegen. Im Neubau kann die Nutzungspflicht zudem relativ einfach umgangen werden. Genügen würden demnach schon Maßnahmen, die den Verbrauch um 15 Prozent verringern. Das heißt, Wärmedämmungs-Maßnahmen würden ausreichen, die Nutzungspflicht für erneuerbare Energien würde dann gar nicht greifen. So sieht es leider bisher aus."

    Immerhin soll mit dem Wärmegesetz der Einsatz von 14 Prozent Erneuerbarer Energien im Wärmebereich bis 2020 erreicht werden, allerdings seien die Maßnahmen nicht so angelegt, dass man dies auch realisieren könne, so der Naturschutzbund. Hier müsse man konsequenter vorgehen und die Altbausubstanz mehr mit einbeziehen. Und ebenso schlecht kommen aus Sicht der Verbände, die Planungen für den Einsatz von Biokraftstoffen weg. Und diese Kritik gelte auch weiterhin, obwohl Umweltminister Sigmar Gabriel ja bekanntlich die erhöhte Beimischungspflicht von Bioethanol wieder zurückgenommen hat. Man bleibt dabei: Ohne strenge Regeln dürfe man hier nicht handeln. Martin Kaiser von Greenpeace Deutschland fordert Folgendes:

    "Erstens die Abschaffung der Beimischungspflicht, zweitens einen aktiven Beitrag Deutschlands, um die Urwaldzerstörung bis 2015 zu stoppen, damit auch die Treibhausgasemissionen, die aus der Entwaldung stammen. Und zum Dritten sollten auf dem Biodiversitätsgipfel in Bonn verbindliche Nachhaltigkeitsstandards für den Anbau von Biomasse vereinbart werden."

    Man fordert in Bereichen der Verkehrs- und Klimapolitik also Nachbesserungen oder Konkretisierungen der Bundesregierung hinsichtlich der damit verbundenen Gesetze. Und eine Sache sei zudem noch sehr wichtig: Man fordert ein gesetzliches Neubauverbot für Kohlekraftwerke. Denn wenn es zum geplanten Neubau von 27 neuen Kohlekraftwerken in Deutschland komme, dann seien die Klimaschutzziele der Bundesregierung nichts mehr wert. Hier müsse die Regierung den Kraftwerksbetreibern die rote Karte zeigen. Es gebe zudem Alternativen: Gaskraftwerke beispielsweise oder auch eine effektivere Nutzung der Kraft-Wärme-Kopplung in Deutschland.