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Kein neues Erfolgsrezept

Der Unternehmer und AWD-Gründer Carsten Maschmeyer ist umstritten, aber erfolgreich. Nun hat er einen Ratgeber geschrieben, für diejenigen, die davon träumen, an Geld und Einfluss zu kommen.

Von Susanne Schrammar | 26.03.2012
    "Entweder Sie verdienen Ihr Geld mühsam allein oder Sie lassen andere für sich arbeiten. Wenn Sie duftende Rosen haben wollen, müssen Sie im Herbst stinkende Jauche drauf kippen. Und das Komische ist: Je stärker das stinkt, umso schöner duftet das hinterher."

    Die Lebensweisheiten des Carsten Maschmeyer. Früher hat der AWD-Gründer solche Sprüche bei Schulungsveranstaltungen für seine Vertreter zum Besten gegeben. Ganz im Stil eines amerikanischen Motivationspredigers wurden sie auf diese Weise in die Spur gesetzt, um möglichst viele Versicherungen, Bausparverträge und Geldanlagen an den Mann zu bringen. "Unabhängiger Finanzoptimierer" untertitelte Maschmeyer sein inzwischen lukrativ verkauftes Unternehmen. Andere sprachen von "Drückerkolonne" und "Schneeballsystem" und viele Kleinanleger fühlten sich durch riskante Finanzprodukte um ihr Geld gebracht. Carsten Maschmeyer jedenfalls besitzt inzwischen mehrere Hundert Millionen Euro. Jetzt verspricht der Mann - laut Klappentext "einer der faszinierendsten Unternehmer Deutschlands" - Otto Normalverbraucher seine "Erfolgsschule des Lebens" zu zeigen:

    "Der Schlüssel zum Erfolg liegt in uns. Wer ihn bei anderen sucht, wird scheitern. Dieses Buch hilft dabei, den Schlüssel und das dazu passende Schloss zu finden …"

    … ist dort zu lesen, oder:


    "Am meisten habe ich nicht in der Hochschule, sondern in der Schule des Lebens gelernt. Ich habe keine Examensarbeit in Theorie und mit Tinte geschrieben. Meine Schreibflüssigkeit in der Praxis war Adrenalin."

    Oder auch:

    "Umfahren Sie die Stoppschilder, die Sie auf der Straße zu ihrem Traumziel ausbremsen können. Schalten Sie die Ampel auf Grün. Behalten Sie Ihren Traum fest im Blick und in Ihrem Herzen."

    Wer wissen will, wie Carsten Maschmeyer bereits mit 24 Jahren die erste Million gemacht hat, muss sehr viele ebenso Metaphern-schwangere wie inhaltsleere Kalendersprüche über sich ergehen lassen – alle klingen verdächtig nach Verkaufstraining und amerikanischer Think-Pink-Mentalität. Der Leser solle erfahren, warum Gewinner gewinnen und Sieger siegen, schreibt der Verlobte von Schauspielerin Veronica Ferres. Was folgt ist ein 380-Seiten-Sammelsurium von Ratschlägen, die in der Business- und Selbsthilfeliteratur schon millionenfach gedruckt und gelesen worden sind: Arbeiten Sie hart! Knüpfen Sie ein Netzwerk! Kümmern Sie sich um ihr Zeitmanagement! Achten Sie auf Ihre Life-Work-Balance! Bilden Sie sich fort! Erhöhen Sie Ihre Einnahmen, senken Sie Ihre Kosten und legen Sie Gewinne an! Der immer etwas linkisch wirkende Unternehmer gibt Tipps zur Körpersprache, rät wichtige Dinge immer zuerst zu erledigen und überrascht als Sparfuchs: "Haben Sie schon einmal überlegt, ob Sie wirklich ein eigenes Auto brauchen?" fragt der Multimillionär seinen Leser und rät zu einer Fahrgemeinschaft oder dem Kauf von Secondhand-Klamotten.

    "Sie kennen doch sicherlich die Situation, wenn Sie beim Metzger etwas kaufen und beim Abwiegen gefragt werden: Darf es ein bisschen mehr sein? Antworten Sie ruhig einmal: Lieber ein bisschen weniger! Das sollte in besonderen Kaufsituationen Ihr Kaufmotto werden: Etwas kleiner, bescheidener, preisgünstiger tut es meist auch."

    Gespickt werden seine Ausführungen immer wieder mit sogenannten Erfolgsstrategien, die sich der Geschäftsmann bei berühmten Bekanntschaften abgeschaut hat: die charismatische Ausstrahlung von Ex-Präsident Bill Clinton, das Durchhaltevermögen von Fußballtrainer Mirko Slomka, die Authentizität von Google-Gründer Larry Page. Das Buch wimmelt nur so von prominenten Namen. Hier will einer zeigen, wen er kennt.

    "Carsten Maschmeyer ist jemand, der sich in besonderer Weise für andere Menschen interessiert – wir sehen es ja gleich, wer da ist – aus Musik, Sport, Kultur, Politik."

    Auch der zurückgetretene Bundespräsident Christian Wulff gehört zum großen Netzwerk, das Carsten Maschmeyer über die Jahre gesponnen hat. Gemeinsam machten beide Urlaub in der Luxusvilla des AWD-Gründers auf Mallorca, Wulff war zu Gast auf Maschmeyers Partys in Hannover. Dem Unternehmer wird nachgesagt, er pflege eine besondere Nähe zu den politisch Wichtigen im Land, um daraus wirtschaftlichen Nutzen zu ziehen. Vor der Bundestagswahl 1998 schaltete Maschmeyer Zeitungsanzeigen: "Der nächste Kanzler muss ein Niedersachse sein". Indirekt half er so, Gerhard Schröder ins Amt zu hieven. Dass dieser später die private Zusatzrente einführte, die dem Finanzdienstleister ein lohnendes neues Geschäftsfeld eröffnete, wurde stets kritisch beäugt. In seinem Buch weist Maschmeyer einen Zusammenhang zurück. Die Freundschaft zu Schröder sei nur eine Freundschaft, heißt es dort. Eine der ganz wenigen Stellen, an denen der 52-Jährige von seinen Tipps für Erfolgshungrige abweicht und auf die Punkte eingeht, die das mühsam gezeichnete Bild des strahlenden Self-Made-Millionärs trüben. Auf den wiederholten Vorwurf, er habe mit umstrittenen Geschäftspraktiken Anleger um ihr Geld gebracht, geht Maschmeyer nur indirekt ein. Unter der Überschrift "Wie man mit Netzwerken nicht umgehen sollte", schreibt er:

    "Was passieren kann, wenn man ein Netzwerk falsch behandelt (…), habe ich 2010 schmerzhaft erlebt. Ich fühlte mich in einer TV-Reportage teilweise unfair behandelt. Die einseitig negative Berichterstattung war auch gegenüber den seriös und qualifiziert arbeitenden Beraterinnen und Beratern meines ehemaligen Unternehmens ungerecht. (…) Aber anstatt das auf sich beruhen zu lassen, wollte ich meine Betrachtungsweise durchsetzen und die – aus meiner Sicht – falschen Vorwürfe entkräften. Heute weiß ich, dass die Darstellung meiner Sichtweise direkt gegenüber dem Intendanten als Eingriff in die Pressefreiheit missverstanden wurde. Ich nahm juristischen Beistand in Anspruch, rief die Gerichte an und geriet so erst recht in die Defensive – frei nach der Devise: Wenn jemand Anwälte braucht, scheint an den Vorwürfen ja was dran zu sein."

    Einen tieferen Einblick in Leben und Karriere von Carsten Maschmeyer gibt sein Buch leider nicht. Dennoch kann der Leser durch einige Passagen erahnen, woher der immerwährende Wunsch nach Erfolg und Anerkennung rührt, das ständige Streben nach Höherem. In bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen beschreibt der Unternehmer in Ansätzen eine Kindheit und Jugend geprägt von Lieblosigkeit, Strenge und Ablehnung durch Gleichaltrige. Mit Geld für einen Urlaub wollte der spätere Unternehmer bereits seine erste Freundin beeindrucken und träumte von einem besseren Leben. Ein Satz, der auftaucht, scheint dabei zentral: "Ich werde bald dazugehören". Wer das Buch liest, entdeckt kein neues Erfolgsrezept, doch es lässt interessante Einblicke zu in das System Carsten Maschmeyer.

    Carsten Maschmeyer: "Selfmade. erfolg reich leben", Ariston Verlag, 384 Seiten, 19,99 Euro, ISBN: 978-3-424-20067-6