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Kein Paradies für Flüchtlinge

Seit dem frühen 19. Jahrhundert ist Frankreich Einwanderungsland. Heute kommen die Flüchtlinge vor allem aus Afrika. Sie hoffen auf ein besseres Leben und träumen vom Paradies in Europa. Doch die Realität sieht oftmals anders aus.

Von Ursula Welter | 08.10.2013
    "Ich habe es sieben Mal gemacht, beim ersten mal war ich nur 14."

    Heute ist Karim 36 Jahre alt, lebt ohne Aufenthaltspapiere in Frankreich, muss sich verstecken, spricht nur im Beisein eines Anwalts mit den Kollegen von Radio France, seine Heimat ist Tunesien, auch er ist via Italien nach Frankreich gekommen.

    "Sterben, oder ankommen."

    Die Verhältnisse in seinem Land haben Karim immer wieder zur Flucht über das Mittelmeer gezwungen. Die Schlepper nehmen das Geld, sagt er, verschweigen die Gefahren und bleiben selbst zurück.

    "Wer einen Platz im Boot hat, ist zufrieden, träumt vom Paradies Europa."

    Frankreich ist Einwanderungsland seit dem frühen 19. Jahrhundert. Männliche Wirtschaftsflüchtlinge aus Algerien, Spanien, Italien, Marokko, Portugal kamen zuerst. Heute sind es die Einwanderer aus den Nicht-EU-Staaten, aus Afrika vor allem, der Anteil der Frauen ist gewachsen, auch der der besser ausgebildeten Flüchtlinge. Der Ausländeranteil der Bevölkerung liegt bei rund sechs Prozent. Die Zahl derer, die die französische Staatsbürgerschaft erhielten, ist kontinuierlich zurückgegangen.

    Einwanderung und die Flüchtlingsströme via Italien sind ein Thema, auch jetzt wieder im beginnenden Kommunalwahlkampf. Politiker der konservativen Partei UMP fordern erneut, den Vertrag von Schengen zu verändern, wünschen sich für Frankreich das "Recht auf Grenzschließung". Der rechtsextreme Front National stößt in dasselbe Horn, im Süden Frankreichs schneidet die Partei Marine Le Pens auch deshalb traditionell stark ab. Viele der Flüchtlinge, die an Italiens Küsten landen, zieht es weiter nach Frankreich, häufig über den Grenzort Ventimiglia an der ligurischen Küste.

    "Wenn der Motor eines Flüchtlingsbootes tuckert, glauben wir, wir werden in Italien ankommen und es in Europa gut haben", erzählt Karim. Auch er geriet in Seenot, bei einem seiner Fluchtversuche aus Tunesien.

    "Als ich die Körper in Lampedusa gesehen habe, dachte ich, das hätte auch ich sein können."

    Das Schockierende ist, sagt Karim, der Staat sieht sie alle zum Strand gehen, lässt sie in die Boote steigen und tut nichts. Da fließt Geld, mutmaßt er, und appelliert an die jungen Afrikaner, Maghrebiner, alle, die an Flucht nach Europa denken:

    "Ganz ehrlich, Frankreich ist nicht das Paradies. Schlagt Euch diesen Traum aus dem Kopf, wir sind viele Flüchtlinge hier, aber niemand hat uns gesagt, welches Leben uns erwartet."