Donnerstag, 28. März 2024

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Kein Recht auf Breitband

IT.- Dieter Kempf, Präsident des IT-Branchenverbands BITKOM, freut sich darüber, dass es vorerst keinen rechtlichen Anspruch auf einen Breitbandanschluss geben wird. Der jetzige Status sei bereits eine gute Kombination aus verschiedenen Anschlussarten.

Dieter Kempf im Gespräch mit Manfed Kloiber | 10.12.2011
    Manfred Kloiber: Peter Welchering über den IT-Gipfel der Bundesregierung. Und was dieser Gipfel aus der Sicht des Branchenverbandes BITKOM brachte und wie der Verband die Situation bei der Breitbandversorgung Deutschlands einschätzt, darüber konnte ich in München mit dem Präsidenten des BITKOM, Professor Dr. Dieter Kempf sprechen.

    Dieter Kempf: Sachlich-inhaltlich ist das wichtigste Thema, denke ich, der Ausbau intelligenter Netze. Das Nutzen der Breitband-Infrastruktur – da sind wir noch nicht ganz fertig – aber das Nutzen dieser Breitband-Infrastruktur für intelligente Netzsteuerung bei Verkehr, bei Gesundheit, bei Bildung, bei Behörden, bei vielem anderen mehr.

    Kloiber: Was sind denn für Sie Leuchtturmprojekte, die man jetzt initiieren sollte?

    Kempf: Ein Leuchtturmprojekt, das man jetzt initiieren kann, ist für mich das Thema Gesundheitskarte. Ich weiß, dass der Begriff für viele ganz unterschiedliche Reaktionen auslöst. Aber es ist für mich ein Beispiel dafür, wo wir vielleicht auch aus unserer Branche heraus anfangs zu viel wollten - und bei dem zu viel Wollen vergessen haben, dass wir alle beteiligten auch gleichmäßig mitnehmen müssen, dort abholen, wo sie stehen. Und der jetzt erreichte Stand hat gezeigt, dass, wenn wir uns ein klein wenig reduzieren, doch viel mehr erreichen können als es vor zwei, drei Jahren schien. Und ich glaube, wir haben jetzt einen neuen Startpunkt für die Gesundheitskarte gefunden.

    Kloiber: Aber was hat das mit intelligenten Netzen zu tun?

    Kempf: Nun ja sehr wohl. Also die Gesundheitskarte selbst ist ja nur ein Trägermedium. Man könnte ja banal sagen, ein Ersatz der bisherigen Krankenkassenkarte. Aber dahinter steckt natürlich eine ernorme Infrastruktur. Es steckt die Infrastruktur des Transports der darauf bestehenden Daten dahinter, der Daten, die in den Arztpraxen erfasst werden. Es steht in den Arztpraxen wieder ein Trägermedium, nämlich ein Kartenlesegerät. Das heißt, wir haben damit schon alle Infrastrukturmerkmale, die wir zum weiteren Ausbau brauchen, zum Beispiel die Vernetzung einer Krankenakte, dort, wo wir disloziert Ärzte miteinander kommunizieren lassen wollen oder des Einbezugs des elektronischen Rezepts. Also all die Infrastrukturmerkmale, die wir dafür brauchen.

    Kloiber: Die ganz harten Skeptiker werden dann sagen: Dann habe ich eine digitale Krankenakte irgendwo im Internet und dann komme ich zu meinem Landarzt und der kann sie nicht abrufen, weil er keinen Breitbandanschluss hat.

    Kempf: Wir neigen natürlich in Deutschland doch relativ häufig dazu, uns nur dann zufrieden zu geben, wenn es in 100 Prozent der Fälle zu 100 Prozent funktioniert. Erstaunlich für mich ist, dass wir dies im analogen Leben nicht tun. Das scheint mir eine Spezialanforderung des digitalen Lebens zu sein.

    Kloiber: Gut, aber das Thema Breitband ist ja nun ein Dauerthema hier auf dem Gipfel. Nun gibt es ein neues Telekommunikationsgesetz und viele Menschen haben eigentlich gehofft, dass es so etwas wie eine Verpflichtung zu einem Breitbandanschluss gibt, ihn zu liefern. Sie freuen sich darüber, dass es diese Verpflichtung jetzt nicht gibt.

    Kempf: Weil ich glaube, dass uns diese Verpflichtung – es gab ja ein schönes Schlagwort dafür: fibre to the Bauernhof – das ist einfach eine Illusion. Dessen muss man sich ganz klar sein. Es muss auch die Frage erlaubt sein, ob es dies nicht wirklich braucht. Und mit dem jetzigen Status, den wir erreicht haben, haben wir glaube ich eine sehr vernünftige Kombination: von breitbandiger glasfaserbasierter Festnetzverbindung zum Beispiel zu LTE-Funkstationen, wo man mit der LTE-Technologie dann in die Häuser kommen wird – nicht ganz so breitbandig als wenn wir Fiberglas bis in jedes Haus hätten. Aber doch für wahrscheinlich 95 Prozent, 99 Prozent aller Anwendungsfälle sehr wohl breitbandig genug, um die dortigen Anwendungen sicher und vor allen Dingen performant durchzuführen. Und das ist aus meiner Sicht ein großer Erfolg.

    Kloiber: Aber ist es nicht doch so, dass die große Gefahr besteht, wenn es keine Versorgungsverpflichtung gibt, dass sich das Thema Breitband doch eher auf die Ballungsgebiete verdichten wird?

    Kempf: Sollte sich in der Tat rausstellen, dass die Unternehmen, die innerhalb dieses Rechtsrahmens jetzt investieren, bestimmte weiße Flecken lassen, dann wird man das Thema neu diskutieren müssen. Aber ich glaube nicht mit einer Art Universaldienstverpflichtung, das halte ich nach wie vor für falsch. Man kann nicht beides fordern: Universaldienstverpflichtung auf der einen Seite und hohe Konsumentenrente, zu Deutsch niedrige Flatrates, für den Anwender. Das wird in einem freiheitlichen Wirtschaftssystem nicht funktionieren. Sollte es also wirklich diese weißen Flecken dann immer noch geben, dann wird man über gezielte Strukturmaßnahmen, zum Beispiel zur Förderung ganz bestimmter ländlicher Bereiche, diese Investitionen noch einmal anschieben müssen, vielleicht über Förderprogramme oder ähnliches.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.