Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Kein reiner Grieche

Mit seiner Kinokomödie "Kleine Wunder in Athen" ist Filippos Tsitos ein liebenswerter Kommentar zur Griechenlandkrise gelungen. Nebenbei macht er sich auch noch über Fremdenfeindlichkeit der Griechen lustig - mithilfe eines Drehs in der Biografie des Hauptdarstellers Stavros.

Von Josef Schnelle | 22.07.2010
    Verstehe einer die Griechen. Niemand zahlt Steuer. Der Staat weiß nicht einmal, wie viele Beamte er genau eingestellt hat. Pleite sind sie außerdem. Die körperliche harte Arbeit auf Baustellen und Feldern leisten die Albaner, die dafür heftig diskriminiert werden. Der Ouzo-Schnaps fließt in Strömen. Gelegentlich tanzen sie Sirtaki, wenn es nicht zu heiß ist. Vom Zertrümmern von Tellern, wie es noch in "Alexis Sorbas" und "Sonntags nie" zu sehen war, ist man abgekommen. Der Splitter wegen werden nun Rosenköpfe geworfen. Das tut garantiert nicht weh, ist aber gerade deshalb ein Ausdruck der im Augenblick unangemessenen Lebensfreude des Schuldenstaates der Eurozone.

    Kaum zu glauben, dass es noch griechische Filme gibt, die grenzüberschreitend Spaß machen. Filippos Tsitos präsentiert mit einem guten Schuss Selbstironie die Komödie "Kleine Wunder in Athen". Wie der Verleih auf diesen Titel gekommen ist und weswegen er den schönen Originaltitel "Akadimia Platonos" - also "Die Akademie des Platon" nicht einfach übersetzt hat wird wohl für immer das Rätsel dieses Sommers sein. Genau dort nämlich wo einst Platon seine berühmten "Thinktank" unterhielt, betreibt jetzt Stavros seinen kleinen Laden, den man in Deutschland Kiosk oder Spätkauf nennen würde. Morgens stellt er ein paar Tische vor die Tür, setzt seine demente Mutter mit einem Stuhl vor die Tür und beginnt einen Dialog mit seinen Freunden, die sich schnell hinzugesellen. Bedeutende Erkenntnisse fallen dabei nicht ab, aber uninteressant oder gar unsympathisch sind die Gespräche der kleinen Versammlung der Männer auch nicht. Lauter gescheiterte Existenzen. Sie schauen mit der viel gerühmten mediterranen Gelassenheit dem Tag dabei zu, wie er verstreicht. Und dann taucht doch noch ein Thema auf, das sie leidenschaftlich werden lässt: "Was ist eigentlich Rock?"

    Regisseur Filippos Tsitos treibt mit solchen und anderen Dialogen der im Grunde liebenswerten Freunde von Stavros sein präzise durchdachtes komödiantisches Spiel. Die eifrigen Chinesen gegenüber an dem kleinen Platz, der für die Protagonisten dieser Geschichte die ganze Welt ist, werden misstrauisch beäugt, aber die meisten Vorurteile hegt man natürlich gegenüber den Gastarbeitern aus dem Nachbarland Albanien. Besonders Stavros tut sich darin hervor, mit antialbanischen Sprüchen zu glänzen. Und so ist es nur konsequent, dass ausgerechnet bei ihm Zweifel am reinen Griechentum aufkommen.

    Tsitos hat an einer deutschen Filmhochschule studiert und sich seine ersten Meriten mit einigen Fernsehfilmen der Tatortserie verdient. Mit seinem ersten Kinofilm "My sweet home" war er 2001 schon als deutscher Beitrag in den Wettbewerb der Berlinale eingeladen. Nun hat er gewissermaßen den ersten Film zur Griechenkrise gemacht. Er ist allerdings intelligenter und vielsagender als alle Kommentare der Ökonomen. Er schwankt nämlich zwischen einer sommerlichen Feier des locker-leichten Griechentums und einer bitteren ironischen Beschreibung der Vorurteile und der Perspektivlosigkeit der heutigen "Platonischen Akademie" der Kioskbesitzer und Tabakverkäufer Stavros am Ort der Brutstätte der europäischen Philosophie vorsteht. Stavros findet tatsächlich heraus, dass er eigentlich zu den verhassten Albanern gehört. Ein Bruder gar, mit dem er nicht gerechnet hat, taucht auf und rückt die Dinge zurecht.

    Man mag gar nicht reden von einer Sommerkomödie, so als ob die weniger wiegen würde als andere Filme. Tsitos ist jedenfalls ein ungewöhnlicher liebenswerter Kommentar zur Krise gelungen. Wie sie einfach nur herumhängen an Platons Platz das hat etwas Verführerisches, riecht nach Urlaub und Lebenskunst. Zugleich schimmert durch: Vielleicht nehmen wir alle das Leben ein bisschen zu ernst, möchten selbst auch durchhängen und niveaulos daherreden. Im Sommerkino ohne Avancen auf die Ehren großer Filmkunst und grandioser Kassenerfolge ist so etwas erlaubt. Das Leben ist ein langer ruhiger Fluss. Beeilen muss sich da niemand. Gelegentlich schimmert natürlich - wie könnte es anders sein,- eine Prise platonische Weisheit durch - bei diesem schönen Versuch über die Philosophie des Alltags im Kino.

    Siehe auch: kleinewunderinathen.de