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Kein schneller Schengen-Beitritt für Rumänien und Bulgarien

Technisch erfüllen Bulgarien und Rumänien alle erforderlichen Standards, um in die Schengen-Zone aufgenommen zu werden. Doch Deutschland, Frankreich und die Niederlande wollen einer Vollmitgliedschaft erst zustimmen, wenn beide Länder erkennbare Fortschritte im Kampf gegen Korruption und organisierte Kriminalität machen.

Von Doris Simon | 13.09.2011
    Technisch erfüllen Bulgarien und Rumänien alle erforderlichen Standards, um in die Schengen-Zone aufgenommen zu werden: So lautet das Urteil mehrerer unabhängiger Expertenteams. Die Regierungen in Sofia und Bukarest haben massiv investiert in die Sicherung der nationalen Grenzen, die bei einem Beitritt beider Länder auch zu Außengrenzen des Schengen-Raums werden. Bulgarische und rumänische Grenzer arbeiten mit modernsten Computern und wurden im Umgang mit dem Schengen-Informationssystem geschult. Damit können sie überprüfen, ob etwa ein ein- oder ausreisendes Auto in einem anderen Schengen-Mitgliedsstaat als gestohlen gemeldet wurde, ob der Fahrer vielleicht polizeilich gesucht wird oder ob ein Mitgliedsstaat ihm gar die Einreise verweigert. Die Europäische Kommission drängt seit längerem auf die Aufnahme beider Länder, nachdem die Voraussetzungen erfüllt seien. Der Sprecher der EU-Innenkommissarin:

    "Kommissarin Malmström hat mehrfach daran erinnert, dass die Mitgliedsstaaten die Erfüllung der technischen Voraussetzungen für einen Beitritt zum Schengen-Raum gewürdigt haben. Weiter hat sie betont, dass es wichtig sei, beiden Ländern eine klare Perspektive zu geben."

    Doch der Beitritt Rumäniens und Bulgariens hängt nicht davon ab, wie gut deren Grenzer mit dem Schengen-Informationssystem umgehen können.

    Deutschland, Frankreich und die Niederlande wollen einer Vollmitgliedschaft erst zustimmen, wenn beide Länder erkennbare und nachhaltige Fortschritte machen im Kampf gegen Korruption und organisierte Kriminalität. Andernfalls, so fürchtet man in Paris, Berlin und Den Haag, könnten offene Grenzen zu Rumänien und Bulgarien gravierende Konsequenzen für die innere Sicherheit der EU haben: So könnten korrupte Grenzer bei Einreisen gesuchter oder unerwünschter Personen beide Augen zudrücken. Bestätigt sehen sich die drei Länder durch den diesjährigen Überprüfungsbericht der EU-Kommission, demzufolge Korruption in Rumänien und Bulgarien nach wie vor ein massives Problem ist, das nicht ausreichend bekämpft wird. Weil ein Beitritt einstimmig beschlossen werden muss, hilft es beiden Ländern nichts, dass die Mehrheit der Schengen-Staaten sie ohne Weiteres aufnehmen würde. Martin Schulz, der Vorsitzende der Sozialdemokraten im Europaparlament:

    "Wenn man der Meinung war, die schaffen es nicht. Dann hätte man ihnen nicht Zeitziele setzen sollen. Irgendwas versprechen und es dann nicht einhalten, so wird die EU niemals Vertrauen gewinnen."

    Kein anderes Schengen-Mitglied habe sich vor seinem Beitritt für die Probleme des eigenen Justizsystems rechtfertigen müssen, klagte Rumäniens Innenminister Traian Igas dieser Tage. Zugleich hat die Antikorruptionsdirektion seines Hauses eine Zunahme der Korruption festgestellt. Nach Informationen des rumänischen Rundfunks wurden bei Dutzenden von Razzien an rumänischen Grenzübergängen Hunderte von Polizisten und Zollmitarbeitern unter Korruptionsverdacht verhaftet. Rumänien und Bulgarien müssten energisch gegen Korruption vorgehen, fordert der CSU-Innenpolitiker Manfred Weber. Im Juni hat er wie 486 weitere Europaabgeordnete im Juni für den Beitritt beider Länder zu Schengen gestimmt - und damit gegen die Linie seines Parteifreundes, Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich.

    "Bulgarien und Rumänien sind heute bereits integriert in das sogenannte Schengen-Informationssystem. Und weil Bulgarien und Rumänien seit einigen Monaten an das System angeschlossen sind, konnten bei uns in Deutschland hunderte Fälle aufgeklärt werden."
    Doch Bundesinnenminister Friedrich will erst im kommenden Sommer wieder über den Wegfall sämtlicher Personenkontrollen an den Grenzen zu Rumänien und Bulgarien sprechen- nach dem nächsten EU-Prüfbericht zur Korruptionsbekämpfung. Als Trostpflaster könnten die Innenminister bereits zum 31. Oktober diesen Jahres die Aufhebung der Grenzkontrollen an den Flug - und Seehäfen beschließen.

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