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Kein Shopping neben Trierer UNESCO-Welterbe

Der Hamburger Konzern ECE, Einkaufs-Center-Entwicklung, betreibt in Deutschland mehr als 100 Einkaufszentren. In Trier plante ECE auch ein Einkaufszentrum - in der Nähe bedeutender UNESCO-Welterbestätten. Doch nach Protesten in der Stadt ist der ECE-Vormarsch in das Herz Triers vorerst gestoppt.

Von Ludger Fittkau | 08.07.2013
    Klaus Jensen fühlt sich missverstanden. Der Trierer SPD-Oberbürgermeister und Ehemann der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer sah sich in den letzten Wochen einem Sturm der Entrüstung ausgesetzt. Klaus Jensen wollte nämlich einen sogenannten Entwicklungsvertrag mit dem Hamburger Einkaufscenter-Giganten ECE abschließen. Doch nicht, um damit eine Mall neben bedeutenden UNESCO-Welterbestätten zu erlauben, so Jensen:

    "Der Entwurf der Entwicklungsvereinbarung mit ECE enthält den entscheidenden Satz: Es geht nicht um ein Center, sondern es geht um eine Quartiersentwicklung, in der Einzelhandelsnutzung, Wohnen, Kultur und öffentliche Nutzung gleichberechtigt nebeneinanderstehen. Nur auf dieser Grundlage haben wir überhaupt Gespräche geführt, denn wir wollen keinen Monolithen in der Stadt. Wir wollen gerade im Hinblick auf spätere Veränderungen eben eine sehr differenzierte Lösung, die es ermöglicht, auf wirtschaftliche Entwicklungen in der Stadt entsprechend zu reagieren."

    Doch nach großem Protest in Trier zog der Oberbürgermeister den Entwurf für die sogenannte Entwicklungsvereinbarung mit ECE wieder zurück. Denn der Vertrag hätte es dem Einkaufscenter-Konzern erlaubt, exklusiv an der öffentlichen Planung für die Bebauung städtischer Flächen in Trier mitzuwirken. Andere Investoren wären ausgeschlossen gewesen. Richard Leukefeld, Trierer Buchhändler und Stadtrat der Grünen:

    "Also ich denke, dass der Oberbürgermeister die Brisanz der Situation nicht erkannt hat. Er dachte: Aha, hier kommt ein Investor, wir müssen ihm den Weg ebnen. Und wollte schon unter Ausschluss der städtischen Ausschüsse und des Rates einen Entwicklungsvertrag abschließen, der der ECE weitgehende Einflüsse bei der Planung ermöglichte, sogar bis zum Vorkaufsrecht von Grundstücken. Diese Brisanz ist vom Oberbürgermeister nicht erkannt worden. Und da hat der Rat über Fraktionen hinweg gut reagiert, hat über die Fraktionen hinweg deutlich gesagt, dass er diese Entwicklungsvereinbarung nicht mitträgt. Und der Oberbürgermeister hat in diese Situation das einzig Richtige gemacht, er hat die Sache vom Tisch genommen, wir fangen jetzt praktisch von vorne an."

    Doch in Rheinland-Pfalz wird nun darüber spekuliert, warum der Trierer Oberbürgermeister Klaus Jensen diese umstrittene Entwicklungsvereinbarung mit dem Einkaufscenter-Giganten ECE überhaupt abschließen wollte. Vor einigen Jahren hatte eine von ECE gegründete Stiftung einmal 100.000 Euro für ein energiesparendes Beleuchtungskonzept für das Rathaus Trier gegeben. Und Oberbürgermeister Klaus Jensen war noch vor wenigen Wochen Redner bei einem Kongress dieser ECE nahen Stiftung. Jensen wehrt sich kopfschüttelnd gegen den Verdacht, er verkaufe seine Stadt für 100.000 Euro an ECE. Das glauben auch die ECE-kritischen Grünen nicht. Ratsmitglied Richard Leukefeld:

    "Es ist natürlich so, dass ECE da sehr geschickt ist, Oberbürgermeister oder Verantwortungsträger einzufangen. Und wenn ECE dem Rathaus vor zwei, drei Jahren eine neue Beleuchtung finanziert hat, dann war das bestimmt auch im Hinblick darauf, dass das Türenöffnen kann. Aber ich will unserem Oberbürgermeister nicht unterstellen, dass er sich im schlimmsten Fall kaufen lässt. Das tut er nicht. Sagen wir mal, er ist vielleicht ein bisschen blauäugig in diesem Punkt gewesen, aber ansonsten ist er in diesen Fragen integer."

    Dass man im Trierer Rathaus darüber nachdenkt, neue Einzelhandelsflächen zu schaffen, hängt auch mit der Entwicklung im nahen Luxemburg zusammen. Dort gibt es zurzeit Pläne für mehrere riesige neue Einkaufszentren. In Trier befürchtet man, dass diese neuen Center gerade viele Luxemburger Käufer aus der Trierer Innenstadt weglocken werden. Oberbürgermeister Klaus Jensen:

    "Ich bin ja fast teilweise wöchentlich in Luxemburg. Spreche dort mit vielen Menschen. Und die Bestätigung ist die: Natürlich werden wir, wenn es attraktive Einkaufsflächen in Luxemburg gibt, häufiger in Luxemburg einkaufen."

    Doch ob man das mit einem neuen Einkaufszentrum im ohnehin an Geschäften nicht armen Trier verhindern kann? Daran hat in Trier nicht nur der Einzelhändler und Grünen-Politiker Richard Leukefeld seine Zweifel:

    "Trier hat doch eine ganz andere Stärke, die Individualität. Und ein Alleinstellungsmerkmal, allein schon wegen unserer Baudenkmäler, die einmalig sind. Und wenn man diese Alleinstellungsmerkmale weiter rausarbeitet, dann hat man die richtige Antwort auf die Uniformität, die sich in anderen Bereichen, zum Beispiel in Luxemburg breitmacht."