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Kein Umzug auf die Museumsinsel?

Architekturkritiker Hanno Rauterberg unterstützt die Überlegungen des neuen Generaldirektors der Berliner Museen, Michael Eissenhauer, zur Neuorientierung der Museen in der Hauptstadt. Eissenhauer habe bloß darüber nachgedacht, ob "nicht die kleinere Lösung am Ende vielleicht die schlauere Lösung ist".

Hanno Rauterberg im Gespräch mit Katja Lückert | 18.08.2009
    Katja Lückert: Michael Eissenhauer, der neue Generaldirektor der Berliner Museen, hat am Wochenende in der "Berliner Zeitung" ein Interview gegeben, in dem er unter anderem seine Pläne für die Neuorientierung der Museen in der Hauptstadt bekannt gab, und diese sprechen, für manche zumindest, eine ganz andere Sprache als etwa der Masterplan III seines Vorgängers Peter-Klaus Schuster. So soll etwa zumindest über den Umzug der Gemäldegalerie auf die Museumsinsel neu nachgedacht werden. Verwirrung, Unverständnis, Verwunderung auch bei der Politik. Kulturstaatssekretär André Schmitz hält den Plan Schusters, die Kunst des 19. Jahrhunderts und davor wieder auf der Museumsinsel zu vereinen und am Potsdamer Platz die Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts zu präsentieren, für sinnvoll. Und auch Kulturstaatsminister Bernd Neumann ist verwundert über die Pläne Eissenhauers. Hanno Rauterberg, worum geht es hier eigentlich? Will der neue Generaldirektor einfach mal Flagge zeigen oder muss er wirklich sparen? So ein Umzug und Neubau der Gemäldegalerie beziehungsweise Umbau der alten könnte rund 70 Millionen Euro kosten.

    Hanno Rauterberg: Also, es kann einem aus Hamburg oder Köln betrachtet schon so vorkommen, als seien das ziemliche Luxusprobleme, die die da in Berlin umwälzen, denn es geht ja erst mal um ganz andere Sachen, die bewältigt werden müssen. Die Museumsinsel muss fertig saniert werden, was insgesamt dann einige Milliarden gekostet haben wird, das Humboldt-Forum im rekonstruierten Schloss hat man sich vorgenommen, auch das wird mindestens noch eine halbe Milliarde Euro kosten. Und dann noch über Umzüge zu streiten, die in der Konsequenz dann bedeuten, dass man auch wiederum noch weitere Museen bauen muss, die dann auch wieder vielleicht 100 Millionen alles in einem kosten, das ist schon etwas sehr Vages. Und ich glaube, da hat der neue Chef Michael Eissenhauer recht zu sagen: Halt mal, es gibt einige drängende Probleme, die müssen wir vorziehen, und wir müssen erst mal nach kleinen pragmatischen Lösungen gucken, bevor wir uns über das Jahr 2040 oder 2050 Gedanken machen.

    Lückert: Es ist aber trotzdem wohl eine deutliche Abkehr von der Ära Schuster. Wie bewerten Sie eine solche Distanzierung?

    Rauterberg: Es ist eine sinnvolle Abkehr, weil sie nicht nur pragmatisch ist, sondern auch inhaltlich sinnvoll. Es gibt zwei große drängende Probleme aus meiner Sicht. Das eine ist, dass die Gemäldegalerie, also das Museum mit den vielen alten Meistern, mit Cranach, Rembrandt und den anderen wunderbarsten Bildern, recht versteckt liegt. Das ist ein architektonisches Problem, denn vor dem Museum ist so eine Art Treppenhügel errichtet worden, niemand weiß recht, warum. Man könnte jetzt sagen, man gestaltet den Kemperplatz um, an dem auch die Neue Nationalgalerie liegt, sodass das Museum sichtbarer wird, dass es erfreulicher ist, dort hinzugehen und mehr Leute, die sich diese Bilderschätze angucken. Dann gibt es zweites Problem, das ist eben diese Neue Nationalgalerie, die auch wunderbare Bilder beherbergt, nämlich die aus der Zeit des Expressionismus, aus der Nachkriegsmoderne, auch aus der DDR-Moderne, die so gut wie gar nicht zu sehen ist in Berlin. Diese Bilder müssen aber regelmäßig rausgeräumt werden, wenn es große aktuelle Sonderschauen gibt wie zum Beispiel die Moma-Ausstellung. Das heißt, diese ganzen Bilder sind ganz selten nur zu sehen, sprich, man braucht ein weiteres Ausstellungsgebäude. Und das ist ja etwas, worüber Eissenhauer nachdenkt, zu sagen, wir bauen diesen Kemperplatz um, sodass die beiden wichtigen Museen an diesem Ort sinnvoll dort verortet sind, und schaffen ein weiteres Haus wenn möglich, in dem dann diese Sonderausstellungen gezeigt werden können.

    Lückert: Auf welchem Boden wachsen denn diese neuen Pläne nun, denn die Entscheidungen müssen ja wohl vom Stiftungsrat der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, deren Vorsitz der Kulturstaatsminister selbst hat, gefällt werden?

    Rauterberg: Ja, sympathischerweise hat, glaube ich, Herr Eissenhauer einfach mal laut nachgedacht, ohne das in allen Gremien gleich bis aufs Letzte abgestimmt zu haben, und ich finde, das ist eine sehr belebende Diskussion. Denn das, was bisher geplant war, scheint mir doch von sehr oben herab geschaut. Für den einzelnen Museumsbesucher zählt doch vor allem das, was er in den Museen sieht. Wo diese Museen, diese Sammlungen dann genau hängen, wie diese Sammlungen sich historisch zueinander verhalten, ist auch interessant, scheint mir aber doch im Verhältnis zu dem, was man jetzt an Neuordnungsplänen da entwirft und welcher Aufwand damit verbunden ist, doch eher ein bisschen fragwürdig zu sein. Der ursprüngliche Anlass, zu sagen, wir wollen die alten Meister zurück auf die Museumsinsel bringen, war ja ein historischer. Der Museumsinsel-Begründer Bode hatte das so gedacht, ein Universalmuseum, alles ist dort vereint. Das ist auch keine so schlechte Idee, aber es lässt sich nicht wirklich realisieren, weil diese Insel nicht genug Platz bietet. Das heißt, man muss dann ein weiteres Museum bauen, das nur über eine Brücke dann wiederum zur Museumsinsel verbunden werden müsste, umgekehrt müsste dann das 20. und 21. Jahrhundert an den Kemperplatz, was aber wiederum zur Folge hat, dass der Hamburger Bahnhof, der wieder an einer anderen Stelle liegt, einem modernen Museum, dann isoliert wäre. Also Sie sehen schon ein wahnsinniges Kuddelmuddel, und da kommt es mir recht klug von Herrn Eissenhauer vor, zu sagen: Halt mal, lasst uns mal gucken, ob nicht die kleinere Lösung am Ende vielleicht die schlauere Lösung ist.

    Lückert: Hanno Rauterberg über die Pläne des Generaldirektors der Berliner Museen, Michael Eissenhauer.