Freitag, 19. April 2024

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"Kein Verfassungsschutz lässt sich gern in die Karten schauen"

Ob die Auskünfte des Verfassungsschutzes immer der Wahrheit entsprechen, daran hegt Grünen-Abgeordneter Dirk Adams Zweifel. Die Arbeit als Mitglied der Parlamentarischen Kontrollkommission im Thüringer Landtag zeige, dass plausible Erklärungen für viele Situationen in Zusammenhang mit den Aktivitäten der Zwickauer Neonazizelle fehlten.

Dirk Adams im Gespräch mit Friedbert Meurer | 20.12.2011
    Friedbert Meurer: Zehn Morde, mehr als ein Dutzend Banküberfälle, das alles soll auf das Konto der rechtsextremistischen Zwickauer Terrorzelle gehen. Die Bande rühmt sich auf einer berüchtigten DVD selbst der Morde an Migranten und einer Polizistin. Wie war es möglich, dass die Behörden über Jahre hinweg nichts mitbekommen haben wollen? Warum wurde zehn Mal ein rechtsextremistischer Hintergrund ausgeschlossen, die Serie überhaupt nicht erkannt? Eine Erklärung wäre, dass Mitarbeiter zum Beispiel des thüringischen Verfassungsschutzes ihre Hand gehalten haben über das Trio Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe. Die letzten Berichte deuten durchaus in diese Richtung.

    In Erfurt begrüße ich Dirk Adams. Er ist innenpolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Landtag und Mitglied der Parlamentarischen Kontrollkommission. Guten Morgen, Herr Adams.

    Dirk Adams: Guten Morgen, Herr Meurer.

    Meurer: Die Parlamentarische Kontrollkommission kontrolliert die Landesregierung in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes. So heißt es ein wenig steif und offiziell. Wie dürfen wir uns diese Kontrolle vorstellen?

    Adams: Was in dieser Kommission läuft, ist natürlich geheim. Aber das Gesetz gibt ja Auskunft über unsere Rechte. Die Rechte sind eigentlich recht weitgehend. Wir dürfen Mitarbeiter des Hauses befragen, wir dürfen in Akten Einsicht nehmen, wir dürfen in das Haus kommen und den Präsidenten befragen. Jedes Mitglied dieser Parlamentarischen Kontrollkommission darf eine Sitzung verlangen, dann muss sie durchgeführt werden. Das hört sich erst mal relativ weitgehend an. Im konkreten Fall zeigt sich natürlich, wie unglaublich schwierig das ist.

    Meurer: Warum ist es schwierig?

    Adams: Es ist schwierig, weil man natürlich nach Dingen fragt, die eben noch nicht in der Zeitung gestanden haben. Man fragt nach Zusammenhängen oder nach Erklärungen, und wer diesen Fall verfolgt, merkt sehr schnell, dass es ganz schwer ist, überhaupt plausible Erklärungen für die vielen Situationen, für die vielen Fragezeichen, die Sie ja auch in Ihrem Beitrag eben aufgezeigt haben, dass die sich überhaupt nicht vernünftig auflösen lassen, und hier versuchen wir, mit Recherche und Kleinarbeit und Befragungen etwas Licht ins Dunkel zu bringen, und da sind wir natürlich immer auch auf die Mitarbeiter dieses Geheimdienstes angewiesen, dass sie uns ordnungsgemäß Auskunft geben.

    Meurer: Lässt sich der Verfassungsschutz in die Karten schauen?

    Adams: Ich glaube, kein Verfassungsschutz lässt sich gern in die Karten schauen. Per Gesetz sind die Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz natürlich verpflichtet, uns Auskunft zu geben. Ob diese Auskunft immer wahrheitsgemäß, immer voll umfänglich geschieht, darüber kann man nur mutmaßen.

    Meurer: Nehmen wir mal die zwei letzten aktuellen Meldungen zum Gegenstand, Herr Adams. Der thüringische Verfassungsschutz hat jemandem 2000 D-Mark gegeben, der sollte das weiterleiten an das Trio Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe, damit die sich illegale Papiere kaufen. Jetzt sagt der Verfassungsschutz, das sollte eine Falle sein. Glauben Sie das?

    Adams: Na ja, wenn es eine Falle ist, dann ist es eine sehr risikoreiche Falle gewesen, weil im ersten Schritt wäre erst einmal an mit internationalem Haftbefehl gesuchte Personen Geld geflossen. Das unterstützt jegliches Untertauchen, das unterstützt jegliches weiter im Verdeckten bleiben. Und die Mutmaßung der Verfassungsschützer, die möglicherweise im Raume stand, dass man damit ihrer habhaft werden könnte, stützt sich ja auf so viele Hoffnungen, nämlich dass sie es wirklich für neue Ausweispapiere verwenden, das Geld, dass man diese neuen Tarnidentitäten dann auch erfährt über die V-Leute und dass man sie aufgrund dieser Tarnidentitäten dann auch findet. Das ist mit einem unverantwortlich hohen Risiko gespielt, meiner Meinung nach, so was darf ein Verfassungsschutz auch nicht machen, weil er direkt natürlich unterstützt. Wie gesagt, wir müssen das aufklären, ob das in der Tat so gewesen ist.

    Meurer: Eine andere Meldung, Herr Adams, ist, der Verfassungsschutz soll den V-Mann Otto explizit gewarnt haben, er werde von der Polizei überwacht. Was ist da dran?

    Adams: Der Vorgang ist mir in dieser Form so noch nicht bekannt. Wir haben aber die Situation seit Beginn unserer Aufklärungsversuche, dass es schwere Vorwürfe aus dem Bereich der Polizei gibt in Richtung Verfassungsschutz, dass die Polizei nicht zum Zugriff kommen konnte, weil der Verfassungsschutz hier die Finger mit darin hatte. Bisher gibt es dafür kaum harte Belege, außer einiger Aktennotizen bei der Polizei, die davon sprechen, dass dem so gewesen sein soll. Es ist unglaublich schwierig, weil man muss im Prinzip alle Akten durchsehen, man muss fragen, habt ihr noch etwas, wer war daran noch beteiligt, und das ist ja keine Aktenführung wie in einem Bauamt, wo mit sehr klaren Namen, sehr klaren Vorhaben gesprochen wird. Das ist manchmal für uns Parlamentarier ein bisschen Detektiv spielen.

    Meurer: Ganz kurz: War der Verfassungsschutz Komplize des Terrortrios?

    Adams: Das kann man nicht ausschließen. Zum jetzigen Zeitpunkt bin ich aber noch guter Hoffnung, dass dem nicht so war, weil es wäre ein unglaublicher Vorgang. Damit hätte der Staat zugesehen, wie zehn Menschen das Leben verlieren, und das kann und will ich mir nicht vorstellen. Wäre das so, wären diese Verfassungsschutzbehörden im Prinzip kriminelle Vereinigungen.

    Meurer: Dirk Adams von Bündnis 90/Die Grünen, im Landtag von Thüringen Mitglied der parlamentarischen Kontrollkommission. Danke und auf Wiederhören nach Erfurt.

    Adams: Auf Wiederhören.

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