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Kein Wachschutz mehr an Neuköllner Schulen

Vier Jahre lang wurden die Schulen im Berliner Bezirk Neukölln von Wachschützern gesichert, doch Ende des Jahres lief das Projekt aus. Der Bezirk hat kein Geld mehr für die Sicherheitsleute. Nach zwei Tagen ohne Wachschutz drangen schulfremde Personen in ein Neuköllner Gymnasium ein.

Von Wolf-Sören Treusch | 11.01.2012
    Das Albert-Schweitzer-Gymnasium in Neukölln ist ein altehrwürdiger Bau. Leicht zurückgesetzt an einer viel befahrenen Straße, um die Ecke befindet sich der Volkspark Hasenheide, ein Haupt-Umschlagplatz für Drogen. In das Gebäude hineinzukommen, ist einfach. Die Türklinke runter gedrückt, und man ist drin. Kaum jemand nimmt Notiz von einem, niemand hält einen auf. So einfach hatten es wohl auch zwei Junkies am vergangenen Donnerstag.

    "Schüler haben auf der Jungentoilette entdeckt, dass dort zwei Personen sind, wobei sie sehr geschockt waren, weil der eine den Eindruck machte, entweder sei er bewusstlos oder sogar gar nicht mehr lebt, weil er in einer sehr verkrümmten Haltung da lag und eben auch Spritzen zu sehen waren, sodass zwei junge Menschen, ein Mann und eine Frau, sich bei uns auf der Toilette jeweils einen Heroinschuss gesetzt hatten und eben dort auch von Schülern entdeckt worden sind."

    Schulleiter Georg Krapp hatte gehofft, dass sich die Abschaffung der Wachleute nicht ganz so schnell herumsprechen würde, Pustekuchen. Was also tun? Die Bildungsstadträtin des Bezirks, Franziska Giffey, hatte eine Idee. Warum nicht die Mitarbeiter der ‚Schulstreife', eines gemeinnützigen Projekts für Langzeitarbeitslose, die normalerweise Kinder unter zwölf Jahren beim Überqueren der Straßen helfen, auch zum Albert-Schweitzer-Gymnasium schicken?

    "Es ist eben so, dass die Schulstreifen nicht Objektschutz machen dürfen, sie dürfen nicht vor der Schule direkt stehen, sondern sie dürfen nur im Schulumfeld streifen, sie dürfen also nur vorbei laufen und da die Schulwege begleiten, darauf haben wir gesagt: Das machen wir, als Notlösung, als Übergangslösung und natürlich als Zusätzliches. Nicht als Ersatz des Wachschutzes. Das war auch nie so gedacht, wir haben immer gesagt: Es ist besser als gar niemand vor der Schule."

    Genau einen Tag liefen die Ein-Euro-Jobber vor dem Albert-Schweitzer-Gymnasium Streife, jetzt sind sie wieder weg. An ihrem Einsatz als Aushilfswachschützer entzündete sich heftige Kritik: Reguläre Arbeitsplätze würden verdrängt und der Wettbewerb verzerrt. Schon rein rechtlich ginge eine solche Maßnahme gar nicht, sagt auch Klaus-Peter Hansen, Geschäftsführer des Jobcenters Neukölln.

    "Wettbewerbsneutralität: Wie die Firmen ja jetzt auch zeigen, hätten sie ja selbst gern Interesse und auch einen Markt und ein Angebot an den Markt, solche Aufgaben wahrzunehmen, wie in der Vergangenheit ja praktiziert. Und deshalb geht es schlichtweg nicht."

    In welcher Form die Langzeitarbeitslosen aus dem Projekt Schulstreife vielleicht doch noch zur Sicherheit vor Neuköllner Schulen beitragen können, darüber werden die Verantwortlichen nun miteinander reden.

    Fürs Albert-Schweitzer-Gymnasium wird zunächst eine technische Lösung geprüft: der Einbau von Schlössern, die nur von innen zu öffnen sind, nicht von außen.

    "Wir werden jetzt erstmal sehen, dass wir am Albert-Schweitzer-Gymnasium in den beiden Türen-Treppenaufgängen dort entsprechende Knaufschlösser anbringen, andere Varianten gibt es dann ja erstmal nicht."

    Schulleiter Georg Krapp ist skeptisch, ob das funktioniert. Auch aus einem anderen Grund.

    "Ich möchte, dass unsere Schule ein offenes Haus ist, ich möchte nicht, dass wir eine geschlossene Schule sind, eine geschlossene Anstalt sind, uns wäre eine Pförtnerlösung am liebsten. Das wäre eine zivile Lösung, dass man einen Menschen einstellt, mit einer festen Anstellung als Pförtner, der dort unten eine Loge hat und als Concierge arbeitet und eben den Ein- und Auslass regelt."

    Wie auch immer man die Sicherheit und den Schutz der insgesamt 16 Schulen im Berliner Bezirk Neukölln gewährleistet: Am Ende hängt wie so oft alles am Geld. Neuköllns Bildungsstadträtin Franziska Giffey, SPD:

    "Unsere Hoffnung ist, dass es eine Nachfinanzierung vom Senat gibt, es sind ja 50 Millionen für die Bezirke angekündigt worden von den Fraktionsvorsitzenden der CDU und der SPD vor Weihnachten, wenn es dazu wirklich kommt, dann werden wir den Wachschutz zum neuen Schuljahr wieder einführen, darauf haben wir uns heute im Bezirksamt verständigt, wir werden dann also das Ganze wieder neu ausschreiben und im Bezirkshaushalt vorsehen."

    Doch bis zum Ende dieses Schuljahres ist noch eine lange Zeit. Fünf Monate, in denen die Sicherheitslage an der einen oder anderen Schule eskalieren könnte. Die neue Berliner Bildungssenatorin Sandra Scheeres, SPD, will sich zu dem Wachschutzproblem erst morgen äußern.