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"Keine Ausgabeposition darf tabuisiert werden"

Schulden senken, Haushalt konsolidieren - das sind die Versprechen der Finanzminister, egal welcher Partei sie angehören. Gelungen ist dies allerdings noch keinem - im Gegenteil.

Von Dani Parthum | 20.05.2010
    Großes haben sie versprochen, die letzten drei Bundesminister der Finanzen.

    "Wir werden klare finanzpolitische Prioritäten setzen. Wir müssen durch Sparsamkeit den Anstieg der Schulden und Zinsen begrenzen, weil wir sonst finanzpolitischen Spielraum preisgeben würden."

    Theo Waigel in seiner Antrittsrede im Bundestag in Bonn. Im April 1989 tritt der Jurist als Finanzminister der Regierung Kohl an. Sein Nachfolger im Amt, Hans Eichel, geht 1998 sogar soweit zu sagen:

    "Keine Ausgabeposition darf tabuisiert werden. Alles kommt auf den Prüfstand. Das Erzielen von Überschüssen und das Tilgen von Schulden wird eine neue Ära einleiten, zumindest in Deutschland."

    Und Peer Steinbrück, Finanzminister der ersten Bundeskanzlerin, startet im November 2005 mit der Vorgabe:

    "Wir haben jetzt die historische Chance in Deutschland, die Neuverschuldung auf null zu bringen und dann einen Mechanismus festzulegen, der eine Wiederholung dieses Tempos in die Verschuldung verhindert."

    Die historische Chance verstreicht jedoch und auch eine neue Ära bricht nicht an.
    Keiner der vergangenen drei Bundesfinanzminister hat seine Ziele auch nur ansatzweise erreicht. Sie haben nicht grundlegend gespart, nicht getilgt, sondern lediglich umgeschuldet, und die Einnahmen wie Ausgaben des Bundes halten sich seit 40 Jahren nicht die Waage. Jeder Bundesfinanzminister ist trotz seiner Ansprüche zum Rekordhalter geworden.

    Theo Waigel fehlen allein 1996 - umgerechnet in Euro - fast 40 Milliarden, um die Ausgaben des Bundes begleichen zu können. Hans Eichel muss 2003 knapp 45 Milliarden neue Schulden machen. Und Peer Steinbrück braucht 2009 stolze 50 Milliarden zusätzlich im Bundeshaushalt - und weitere 50 Milliarden für Konjunktur und Bankenhilfe.

    Bilanz nach drei ambitionierten Ministern und zwei Jahrzehnten: Die Schulden allein des Bundes haben sich vervierfacht - auf mehr als eine Billionen Euro. Fehlt den Bundesfinanzministern Macht?

    "Die Macht des Finanzministers ist umso größer, je stärker der Kanzler oder die Kanzlerin hinter ihm steht. Und das war insbesondere sehr ausgeprägt in den ersten Jahren mit Gerhard Schröder. Wenn jemand Geld haben wollte, hat er gesagt: Geh' zum Finanzminister, mit dem musst du dich einigen. Und das war das Feld, wo ich ohne Schwierigkeiten den Harten spielen konnte und musste."

    Dem Ex-Gymnasiallehrer Eichel gelingt das sogar. Er ringt tatsächlich den Ministerkollegen anfangs Milliarden ab und spart. Nach zwei Jahren aber weist sein Kanzler ihn zurecht: "Nun lass man gut sein, Hans!", sagt Schröder öffentlich. Eine Demontage. Volkswirt Steinbrück ergeht es ähnlich: Er mahnt zwar die Minister lautstark zur Disziplin.

    "Ich mache kein Hehl daraus, dass ich mit wachsender Skepsis den Drang von einigen sehe, in der Öffentlichkeit Vorschläge zu machen, die den Bundeshaushalt weiter belasten. Das wird so nicht weitergehen."

    Tut es aber doch. Denn die Kanzlerin pfeift ihren Minister für Finanzen zurück. Ohne Kanzler im Rücken aber kann sich ein Finanzminister nicht gegen die Ausgabenwünsche seiner Kollegen durchsetzen. Und so kommt ihm letztlich doch jedes Mal die Rolle zu, die Ausgabenpolitik seiner Regierung zu verteidigen - durch lavieren, schönreden, tricksen.

    Verantwortlich für die Schuldenmacherei sind sowieso immer die Umstände: Wiedervereinigung, 11. September, Rekordölpreise und Finanzkrise.

    Deshalb lautet Lektion eins aller Finanzminister: Die Schuld woanders suchen.

    "Wenn wir diese schwerste Wirtschafts- und Finanzkrise nicht hätten, dann hätte ich 2011 zum ersten Mal seit 1969 einen ausgeglichenen Bundeshaushalt vorlegen können. Jetzt haben wir es allerdings zu tun mit der größten Wirtschafts- und Finanzkrise, insofern unterscheidet sich das von der Situation meiner Vorgänger."

    Lektion zwei: Sand in die Augen streuen.

    "Die Lage ist besser als die gegenwärtige Stimmung."

    "Das unterscheidet schwarze Schulden von roten Schulden. Rote Schulden wurden mit ständigen Ausgabezuwächsen gemacht. Schwarze Schulden haben eine andere Qualität. Sie sind erstens geringer, und zweitens, sie hängen damit zusammen, dass wir die Bürger entlasten."

    Lektion drei: Beruhigen.

    Eichel: "Nur eines werden wir nicht tun, vom Konsolidierungskurs abweichen."

    Steinbrück: "Ansonsten gilt mein Satz: Keine Steuersenkungen auf Pump!"

    Lektion vier: Hoffnung wecken.

    Waigel: "Wenn wir Steuern senken, investieren wir in die wirtschaftliche Kraft unseres Landes."

    Für Wahrheiten brechen Finanzminister dagegen keine Lanze. Dabei wissen sie: Irgendwann ist Zahltag für den geborgten Wohlstand, den garantierten Sozialstaat, für populistische Politik.

    Wolfgang Schäuble jedenfalls ist mit Schwung in die Fußstapfen seiner Vorgänger getreten: Warnte vor Steuersenkungen auf Pump, mahnte zum Sparen - und nimmt gut 80 Milliarden Euro neue Kredite im laufenden Jahr auf. Diese neuen Rekordschulden verteidigte er - vor wenigen Monaten - in bester Ministerrhetorik:

    "Der Bundeshaushalt 2010 ist nicht nur ein Abbild der Krise, sondern ein weiterer Meilenstein zur Überwindung der Krise. Ich glaube, dass wir insgesamt das ökonomisch Richtige getan haben und dass wir weiterhin das ökonomisch Richtige tun."

    Und dann kam Griechenland ...