Donnerstag, 28. März 2024

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Keine Entwarnung bei EHEC-Darmbakterien

Der Mediziner Ulrich R. Fölsch rät weiterhin zur Vorsicht beim Verzehr von ungekochten Speisen. Normalerweise seien von dem Bakterium vor allem Säuglinge betroffen. Diesmal befalle die Krankheit mehr Erwachsene. Da nach wie vor unbekannt sei, welchen Übertragungsweg das EHEC-Bakterium nimmt, könne man noch nicht sagen, "ob der Gipfel schon überschritten ist".

Ulrich R. Fölsch im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 25.05.2011
    Dirk-Oliver Heckmann: Zuerst waren die norddeutschen Bundesländer betroffen, mittlerweile aber hat sich die Verbreitung des sogenannten EHEC-Bakteriums auf fast alle Bundesländer ausgedehnt. In einem Fall ist eine 83-jährige Frau an der Erkrankung sogar gestorben, bei zwei weiteren Todesfällen steht die Bestätigung der Ursache noch aus. Fest allerdings steht: Die Erkrankungen verlaufen teils wesentlich dramatischer, als man es bisher kannte. Am Telefon begrüße ich dazu Professor Ulrich R. Fölsch. Er ist Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin. Schönen guten Morgen.

    Ulrich R. Fölsch: Guten Morgen!

    Heckmann: Herr Professor Fölsch, woran könnte das liegen, dass die Erkrankungen so schlimm verlaufen?

    Fölsch: Also ich würde das einmal so formulieren, dass wir jetzt eine Situation haben, wo mehr Erwachsene als bei früheren Situationen betroffen sind, und deswegen erscheint uns das dramatischer. Wir wissen, dass diese bösartigen Keime in früheren Situationen Kinder befallen haben, kleine Säuglinge, und dass die eben dann dieses Nierenversagen und diese Blutschädigung bekommen haben und Erwachsene weniger. Jetzt sind mehr Erwachsene betroffen. Aber dass diese Komplikation auftreten kann bei dieser Art von Infektion, das wissen wir schon seit vielen Jahren.

    Heckmann: Und woran könnte das liegen, dass mehr Erwachsene betroffen sind?

    Fölsch: Wir wissen, dass dieser Keim, Escherichia coli – das ist faktisch der Grundstamm -, eine große Variation hat von verschiedenen Ausgaben, wenn man so will, die verschiedene biochemische Eigenschaften haben, und dies scheint jetzt ein Keim zu sein, der insbesondere dazu führt, dass eben Blutzellen geschädigt werden können und damit eine Blutauflösung in den Blutgefäßen stattfindet und auf diese Art und Weise die Nieren verstopft werden können, was dann zum Nierenversagen führt. Mehr weiß man momentan nicht. Man kann das nur beschreiben, dass es so ist, und kann nur vermuten, dass eben die Eigenschaften der Bakterien so ausgerichtet sind, dass diese Komplikationen auftreten können.

    Heckmann: Dass sich dieses Bakterium so schnell ausbreitet, muss man das eigentlich so hinnehmen, oder ist da irgendetwas schief gegangen? Sehen Sie da irgendwelche Versäumnisse?

    Fölsch: Solange wir die Ursache nicht kennen, nicht genau kennen, können wir auch nicht von Versäumnissen reden. Alles was wir bisher vermuten, sind reine Spekulationen. Wir haben spekuliert, dass eben möglicherweise verunreinigtes Gemüse für die Ausbreitung des Keimes verantwortlich ist, weil mehr Frauen betroffen sind als Männer und Frauen sich in der Regel mehr mit Gemüse beschäftigen als Männer. Das sind aber reine Spekulationen. Die Übertragung von Mensch zu Mensch spielt nur eine geringe Rolle, sodass wir nach wie vor davon ausgehen, dass es irgendwelche verunreinigten Lebensmittel sind, die zu diesen Krankheitsfällen beitragen.

    Heckmann: Gibt es noch andere Möglichkeiten, die man in Betracht ziehen müsste?

    Fölsch: Nein. Ich würde von Lebensmitteln sprechen, sei es eben Fleisch, weil Rinderkot dazu führen kann, dass Fleisch verunreinigt ist. Es kann auch Milch sein, Rohmilch sein und es kann Gemüse sein. Viel mehr an wichtigen Quellen fällt mir an sich jetzt nicht ein.

    Heckmann: Haben wir denn jetzt so etwas wie den Höhepunkt dieser Welle erreicht? Was würden Sie dazu sagen?

    Fölsch: Das würde ich natürlich gerne vermuten. Solange wir aber die Quelle nicht kennen und nicht genau wissen, ob die Quelle jetzt nach wie vor liefert, oder ob die Quelle ausgeschaltet ist, kann man nicht sagen, ob der Gipfel schon überschritten ist.

    Heckmann: Sie haben gerade gesagt, dass die Wahrscheinlichkeit relativ hoch ist, dass es über Lebensmittel verbreitet, weitergegeben wird.

    Fölsch: Ja.

    Heckmann: Jetzt haben wir in den letzten Tagen gehört, gestern vor allem, man solle Obst und Gemüse gründlich waschen, sich die Hände gründlich waschen.

    Fölsch: Richtig.

    Heckmann: Was muss man tun, um sich zu schützen?

    Fölsch: Sie haben gerade die entscheidenden Dinge gesagt, dass man eben das Gemüse gründlich wäscht und was man auch nicht vergessen sollte, dass die Werkzeuge, die man benutzt, um Gemüse zu schneiden, um Obst zu schneiden, dass diese Werkzeuge ebenfalls gereinigt werden. Und ich würde auch empfehlen, dass jeder Mensch, der sich in eine größere Menschenmenge begibt, sei es im Kino, sei es im Restaurant, sei es im Kindergarten, sei es in der Schule, sich vorher die Hände wäscht, aus dem einfachen Grunde, um andere vor ihm selbst zu schützen, weil er ja nicht genau weiß, ob er selbst die Krankheit schon in sich trägt, und dass auf diese Art und Weise der Keim nicht in diese große Menschenmenge hineingetragen wird. Das halte ich für ganz wichtig, dass man eben dann, wenn man sich in größeren Menschenmengen aufhält, die Reinigungsbedingungen sehr hoch hält.

    Heckmann: Und Sie haben auch empfohlen, Lebensmittel zu garen auf mindestens 70 Grad.

    Fölsch: Ja.

    Heckmann: Heißt das, das spricht auch dagegen, frisches Obst und frisches Gemüse zu essen?

    Fölsch: Frisches Gemüse würde ich eher meiden und das lieber garen. Obst kann man, glaube ich, wenn man es ausgiebig reinigt, essen.

    Heckmann: Professor Ulrich R. Fölsch war das, der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin. Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben!

    Fölsch: Gerne!