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Keine Pille für den Mann

Medizin. - Vor einem halben Jahr hieß es noch, der Durchbruch stehe kurz bevor: die Anti-Baby-Pille für den Mann sollte bald marktreif sein. Aber jetzt kommt die Meldung, dass der Pharmakonzern Bayer die gesamte Forschung an der Pille für den Mann einstellt. Im Interview mit Forschung aktuell erhellt der Reproduktionsmediziner Eberhard Nieschlag mögliche Hintergründe der Entscheidung.

Monika Seynsche im Gespräch mit Eberhard Nieschlag | 11.06.2007
    Monika Seynsche: Herr Nieschlag, können Sie sich erklären, warum die Forschung eingestellt wird?

    Eberhard Nieschlag: Wir müssen zunächst einmal unterscheiden, dass die Entwicklung der Pille oder der Spritze für den Mann in unterschiedlichen Stadien ist. Da gibt es einmal die auf Hormonen basierende Spritze, die eine lange Entwicklungsgeschichte hat und die kurz vor der Marktreife, würde ich sagen, steht. Und auf der anderen Seite gibt es das, was wir posttestikuläre Kontrazeption nennen, das heißt, Kontrazeption, die sich auf die gebildeten Spermien richtet. Das Zweitgenannte ist eher Grundlagenforschung und da ist noch nichts klinisch Anwendbares in Sicht. Es wundert uns nun an dieser Nachricht, die Bayer jetzt heraus lässt, dass beide Richtungen eingestellt werden sollen. Der Hintergrund könnte sein, dass Bayer ja Schering geschluckt hat, und Schering war auf dem Gebiet der männlichen Kontrazeption sehr aktiv. Bayer gefällt das offensichtlich nicht und sie haben Schering offensichtlich nur gekauft wegen der großen Gewinnerwartung auf der weiblichen Seite und anderen Gebieten.

    Seynsche: Aber das ergibt doch eigentlich keinen Sinn, dass Bayer einen Zweig aufgibt, der, wie Sie selber sagen, kurz vor der Marktreife stand.

    Nieschlag: Das ist richtig. Und das ist auch, was uns wundert. Nun ist natürlich bei der hormonellen Kontrazeption, die am weitesten gediehen ist, ein Problem festzustellen: die Hormone, die hier in der Spritze für den Mann verwandt werden sollen, sind auch als Medikamente für die Unterfunktion der Hoden auf dem Markt und erzielen dabei hohe Preise. Ein Kontrazeptivum dagegen muss billig sein, vor allem, wenn es auch in Ländern der Dritten Welt angewandt werden soll. Und es ist natürlich nun sehr schwierig, dasselbe Präparat einmal teuer für die Hormonbehandlung anzubieten, und andererseits billig für die Kontrazeption. Ich könnte mir vorstellen, dass darin ein gewisses Problem besteht.

    Seynsche: Das heißt, es könnten finanzielle Gründe dahinter stehen. Es gab immer mal wieder Nachrichten, man stehe kurz vor dem Durchbruch. Wo lagen denn bisher bei der Entwicklung die Probleme? Gab es da Akzeptanzprobleme bei den Männern?

    Nieschlag: Nein, überhaupt nicht. Im Gegenteil, es sind also viele Umfragen gemacht worden, auch von Schering und anderen Firmen, die zeigen, dass die Männer bereit sind, Verantwortung mit zu übernehmen, und auch bereit sind, das, was inzwischen getestet wurde, anzuwenden. Also daran kann es überhaupt nicht liegen. Nein, es liegt für meine Begriffe lediglich an den Gewinnerwartungen.

    Seynsche: Können Sie mir zum Schluss eine Einschätzung geben. Sie sagten, die Hormonspritze stehe kurz vor der Markteinführung. Wie lange würde es dennoch dauern, wenn man weitermachen würde?

    Nieschlag: Also ich gehe davon aus, dass es drei oder vier Jahre noch sein würden, was in der Entwicklung eines Medikaments eine kurze Zeit ist. Und unsere Hoffnung liegt jetzt natürlich ganz auf Organisationen wie die Weltgesundheitsorganisation und das Population Council der Rockefeller Foundation, dass diese Organisationen mit Macht weitermachen, denn die sind mit die Hauptpromotoren auf diesem Gebiet, und dass sich hoffentlich auch neue Firmen finden werden, die sich hier engagieren werden.