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Keine Weltuntergangsstimmung

Während in Europa viele Medien in dem überlieferten Kalender der Mayas den 21. Dezember 2012 als Datum für den Weltuntergang interpretieren, gehen die Mayas von heute mit diesem Datum sehr gelassen um. Für sie gibt der Maya-Kalender keinerlei Hinweis zu apokalyptischen Vorstellungen.

Von Andreas Boueke | 01.10.2012
    Während in Europa viele Medien in dem überlieferten Kalender der Mayas den 21. Dezember 2012 als Datum für den Weltuntergang interpretieren, die Mayas von heute mit diesem Datum sehr gelassen um. Für sie gibt der Maya-Kalender keinerlei Hinweis zu apokalyptischen Vorstellungen.

    "Aus der Sicht der Mayas wird eine neue Epoche beginnen. Die Menschen werden sich wieder der Natur zuwenden."

    Der presbyterianische Pfarrer Vitalino Similox ist in eine bekannte Person in Guatemala, er war schon einmal Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten. Damals stand er an der Seite der Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchú.

    Auch wenn er sich zum Christentum bekennt, hat er seine Heimat in der Mayakultur. Er gehört zum Volk der Kakchiquél, einem der zweiundzwanzig Mayavölker in Guatemala.

    "Wir Mayas stellen bis heute die Mehrheit in diesem Land. Trotzdem werden wir an den Rand gedrängt und diskriminiert. Die meisten Mayas leben in Armut, ohne eigenes Land."

    Seit Anfang dieses Jahres 2012 schenkt die Welt den Mayas besondere Aufmerksamkeit, nicht den gegenwärtigen Mayas, sondern ihren antiken Vorfahren. Diese haben Kalender erstellt, in dem sie angeblich das Ende der Welt prophezeien, und zwar für den 21. Dezember 2012.Über diese Prophezeiung wird eine hitzige Debatte geführt, vor allem in europäischen Boulevardmedien. Das sehen die Mayas in Guatemala mit großer Gelassenheit.

    "Es geht doch dabei nur um Kommerz. Man berichtet darüber und macht aus dem angeblichen Weltuntergang eine Sensation. Und das alles nur um mehr Zeitungen zu verkaufen. Das ist kein wirkliches Interesse an der Mayakultur."

    Der antike Kalender der Mayas teilt die Zeit in große Abschnitte ein. Gegenwärtig befinden wir uns am Ende eines solchen Zeitabschnitts, dem dreizehnten Baktun. Jeder Baktun dauert vierhundert Jahre. Dieses Jahr beginnt am 21. Dezember ein neuer Baktun. Viele Mayas interpretieren diese Zeitenwende deshalb schon gerne als ein Zeichen der Hoffnung.

    "Wichtig ist, dass das Volk der Mayas sich weiter entwickelt: politisch, ökonomisch, aber auch akademisch. Es gibt Überlegungen, Maya-Universitäten zu gründen. Ein erstes Modell existiert schon, die Universität der Ixil. Die Mayas wollen ihrem eigenen Wissen den gebührenden akademischen Wert verleihen."

    In Rio Azúl im Hochland Guatemalas wurde vor zwei Jahren die Maya-Universität Ixil gegründet. Hier werden vor allem Seminare über die Maya-Kultur und deren Geschichte angeboten. Im großen Seminarsaal hält eine Studentin ein Referat in der Sprache der Ixil.

    Die Universität Ixil bietet eine kostenlose Alternative für junge Leute, die es sich nicht leisten können, an einem der teuren, privaten Institute der Region zu studieren. Einer der Studenten ist Sebastian Solis.

    "In der Sekundarschule mussten wir vor allem über die Geschichte Europas lernen. Ehrlich gesagt habe ich davon nichts behalten. Wir kennen diese Länder nicht. Hier an der Universität Ixil erfahren wir etwas über unsere eigene Welt, in der wir leben. Es gefällt mir, dass wir mehr über die Maya-Kultur erfahren. Mich interessiert besonders die Geschichte der Ixil, die Geschichte meines Volkes."

    Die Lerngruppe in Rio Azúl kommt jede Woche zweimal zusammen. Ihr Dozent, der Historiker Diego Ceto, unterrichtet über die Ökologie und die Geschichte des Volkes der Ixil, dem heute rund hunderttausend Menschen angehören.

    "Wir bieten ein alternatives Modell zu der immer noch kolonialistisch geprägten Bildung in Guatemala. Wir werden weiter für unsere Rechte und unsere Kultur kämpfen, so wie es das Volk der Ixil schon seit 430 Jahren tut."

    Ein Sprichwort der Ixil sagt, der Tod eines alten Menschen sei wie die Zerstörung eines Schatzes an Wissen. Um dieses Wissen zu bewahren, haben es sich die Dozenten der Universität Ixil zur Aufgabe gemacht, den Dialog zwischen den Generationen zu stärken. Im ersten Semester dürfen die Studierenden ihre Forschungsarbeiten nicht im Internet recherchieren. Stattdessen sollen sie zu den Ältesten ihrer Gemeinde gehen und von deren Wissen profitieren. Miguel Solis ist der indigene Bürgermeister des Dorfs Turanza.

    "Wir, die Autoritäten und Nachfolger vergangener Generationen, sind dankbar für die neue Universität Ixil. Sie ist anders als die kommerziellen Studienorte. Die Universität Ixil will die Ideen unserer Großväter vermitteln, den Respekt gegenüber der Erde, den Flüssen, den Bergen und auch gegenüber dem Wissen der Menschen von damals."

    Einer der Gründer der Universität Ixil ist Pablo Ceto. Er hofft, durch Bildung, die auf die Bedürfnisse der Ixil eingeht, die Lebensbedingungen seines Volkes verbessern zu können.

    "Wir haben unsere eigene Vorstellung von Fortschritt und Entwicklung. Manche glauben vielleicht, wir seien unterentwickelt, weil wir nicht jeden Tag Fleisch essen, oder weil wir nicht täglich Coca Cola trinken. Aber das sehen wir anders. Deshalb haben wir uns entschlossen, einen neuen Bildungsprozess in Gang zu setzen. Wir wollen altes Wissen der Ixil wiedergewinnen, neues Wissen schaffen und darüber nachdenken wie unsere Volk und seine Kultur überleben können."