Freitag, 29. März 2024

Archiv


"Keine Zukunft und keine Geduld"

In Rom gab es am vergangenen Wochenende wahre Straßenschlachten zwischen der Polizei und dem sogenannten Schwarzen Block. Die Bilanz: 135 Verletzte, die meisten von ihnen Polizisten. Womit ist diese Gewalttätigkeit der jungen Menschen zu erklären?

20.10.2011
    "Mein Leben ist die Hölle, ich habe keine feste Arbeit, keine eigene Wohnung, keine Zukunft und keine Geduld mehr" schreibt Davide, 26 Jahre, aus Turin, im Internetforum eines autonomen Jugendzentrums. Er war am Samstag in Rom dabei, um, wie er schreibt, "Krieg zu führen gegen ein System, das uns versklavt". Ein Blogger aus Neapel lädt ihn ein, "sich ausbilden zu lassen für den Straßenkampf". Wie und wo das geschehen soll, verrät er in dem öffentlich zugänglichen Forum nicht, aber Gerüchten zufolge, gibt es seit Monaten Übungscamps in Griechenland für diese Zwecke. Italiens Öffentlichkeit ist entsetzt.

    "Organisiert waren die, organisiert wie Kriminelle" sagt Ketty Caraffa über die Gewalttäter von Rom. Die 46-Jährige war mit der Mailänder Sektion der Gewerkschaft CGIL in die Hauptstadt gefahren, um friedlich zu demonstrieren.

    "Wir wehren uns dagegen, dass die einfachen Leute für die Krise bezahlen sollen. Abgeordnete, die zweieinhalb Jahre im Parlament gesessen haben, erhalten eine Pension von 3000 Euro monatlich während normale Rentner von 500, manchmal sogar nur 250 Euro leben müssen, natürlich empört mich das."

    Ketty Caraffa ist schockiert aus Rom zurückgekehrt. Sie versteht die Hoffnungslosigkeit der jungen Generation, die durch Wirtschaftskrise und Sparmaßnahmen der Regierung immer stärker unter Druck gerät, aber sie verurteilt die Gewalt. Und sie stellt sich vor die Polizisten, die anders als in Genua vor zehn Jahren, besonnen reagiert hätten. Im Übrigen glaubt sie nicht, dass die Schläger und Plünderer alle aus dem politisch linken Lager stammen.

    "Das war ein Gemisch. Unter anderem haben sich Fußballhooligans in unseren Protestzug gemischt, und rechte Schläger. Denn das Problem der Banken und des globalen Finanzsystems wird auch in rechtsextremen Kreisen stark wahrgenommen und thematisiert. Und wegen dieser Gewalt sind die Gründe für unseren friedlichen Protest jetzt in den Hintergrund getreten. Das ist schlecht für uns, weil diejenigen, die sich unserem Protest anschließen wollen, nun aus Angst vor noch mehr Gewalt, zögern."

    Mit Angst erwartet werden die Anhänger des Schwarzen Blocks am Sonntag im Piemont, wo gegen den Bau einer Hochgeschwindigkeitstrasse demonstriert wird. Eine für Freitag geplante Demonstration der Metaller gegen die Politik des FIAT-Konzerns hat der rechte römische Bürgermeister Gianni Alemanno verboten. Mehr als einen "Sit-In" dürfen die Gewerkschafter nicht organisieren. Innenminister Roberto Maroni will dem Parlament außerdem schärfere Polizeigesetze zur Abstimmung vorlegen.

    "Wir haben eine neue Form des Terrorismus gesehen, einen urbanen Terrorismus, der von anarchistischen Kreisen und autonomen Jugendzentren gesteuert wird. Ich empfehle dem Parlament deshalb, neue gesetzliche Normen anzunehmen, die den Polizeikräften erlauben, präventiv gegen diese Leute vorzugehen."

    Verfassungsrechtlich gesehen sind Maßnahmen wie etwa präventive Festnahmen eine heikle Sache, und die linke Opposition hat bereits ihren Dissens angekündigt. Auch der Gewerkschafterin Ketty Caraffa gehen neue Gesetze zu weit.

    "Repression und neue Gesetze werden die Gewalt nicht stoppen können. Ein Polizeistaat ist eine Katastrophe für jede Demokratie. Wir müssen die bestehenden Gesetze konsequent anwenden und die Polizei mit den nötigen Mitteln ausstatten. Wie soll sie sonst für Ordnung sorgen?"

    Die friedliche "Empört-Euch"-Bewegung hat in den sozialen Netzwerken dazu aufgerufen, der Polizei Fotos und Videoclips, die zur Identifizierung von Gewalttätern führen können, zur Verfügung zu stellen und Tausende sind diesem Appell schon gefolgt. Ihren Protest einstellen wollen die Gruppen, die am Samstag in Rom friedlich demonstriert haben, nicht. Die Metaller, die morgen auf die Straße gehen werden, haben einen eigenen Ordnungsdienst angekündigt, um erneute Krawalle zu verhindern.